Hochschuletat für das Jahr 2004 sorgt in Tschechien für Proteste

Schulministerin Petra Buzkova

Die Verträge sind gemacht. Oder? Nun, zumindest der Haushalt für das kommende Jahr ist in der Tschechischen Republik unter Dach und Fach. Somit ist auch das Gezerre um den Hochschuletat, das in den vergangenen 14 Tagen im Schulministerium und über seine Mauern hinaus für Aufregung und schlechte Stimmung sorgte, nun auch passé. Fest steht nunmehr, dass die Hochschulen die für unumgängliche Reformen des Hochschulwesens veranschlagte Summe von 5,4 Milliarden Kronen nicht bekommen werden. Gleichzeitig hat Schulministerin Petra Buzkova aber bekannt gegeben, dass sie Ersatz für die 150 Millionen Kronen "gefunden" hat, die ihr kürzlich vom Haushaltausschuss für die Hochschulen gestrichen worden waren. Besagter Ausschuss hatte der Schulministerin vorgeworfen, dass sie nicht deutlich genug gemacht habe, wofür die Mittel konkret gebraucht würden. Petra Buzkova hat zwar inzwischen Geld aufgetrieben, das Problem scheint damit aber allenfalls ein wenig Linderung zu erfahren. Im anschließenden Forum Gesellschaft widmet Katrin Sliva sich dieser Thematik heute ausführlicher.

Der Etat der Hochschulen für das Jahr 2004 wird sich nun doch auf 1,7 Milliarden Kronen belaufen. "Gott sei Dank" wird Schulministerin Petra Buzkova vermutlich sagen, der es in letzter Sekunde doch noch gelungen ist zu verhindern, dass diese Summe weiteren Kürzungen zum Opfer fällt. Akademiker und Studenten sind mit diesem Ergebnis allerdings ganz und gar nicht zufrieden. Ivo Budil, Dekan der Fakultät für Humanwissenschaften an der Universität Pilsen, war so nett, uns zu sagen, was er von der Höhe des inzwischen verabschiedeten Hochschuletats hält:

"Im Grunde bestätigt sich hier nur, was bereits seit Jahren gilt, nämlich, dass die Hochschulen in der Tschechischen Republik unterfinanziert sind und ihr Potenzial und der Beitrag, den sie für die Entwicklung, die Kreativität und Prosperität unseres Landes leisten, unterschätzt wird. Das ist eine Tatsache. Der Haushaltsbeschluss für das kommende Jahr wird hieran nichts ändern. Mehr noch, die Probleme an den Universitäten werden sich noch verschärfen. Neben der Finanzierung fehlt es hier aber auch an einer langfristigen Strategie, einer weitsichtigen Vision, was die Richtung betrifft, in die sich die Hochschulen entwickeln sollen. Wir haben es folglich nicht nur mit einem finanziellen Problem zu tun, sondern auch mit dem Umstand, dass viele Hochschulen hierzulande eine Art Schwarzes Loch darstellen, in dem das Geld verschwindet, dass sie nicht effektiv wirtschaften und mit den verfügbaren Mitteln nicht vernünftig umgehen. So gesehen verstehe ich sogar die Vorsicht einiger Abgeordneter, in einer derartigen Situation Erhöhungen des Hochschuletats vorzunehmen."

Um die aktuelle Summe für die Hochschulen in Tschechien aufzutreiben, muss die Schulministerin an anderen Stellen ihres Ressorts Einsparungen vornehmen. Gekürzt wird u.a. das Budget für gemeinsame Projekte mit der EU, und zwar um 70 Millionen Kronen, Ausgaben für Lehrmittel um 30 Millionen und weitere 50 Millionen will die Ministerin durch Umstrukturierungen und durch den Abbau von Arbeitsplätzen, teilweise im Ministerium selbst, einsparen.

Die frei gewordenen Mittel kommen den Hochschulen zu Gute, doch wird auf diese Weise lediglich der bisherige Stand aufrechterhalten werden können. Umstrukturierungen, die den Akademikern zufolge unumgänglich sind, können auf diese Weise nicht realisiert werden. Und letztere befürchten vor allen Dingen, dass die Universitäten des Landes in Zukunft nicht mehr konkurrenzfähig sein werden.

Diese trüben Aussichten haben Hochschulprofessoren, Dozenten und Studierende in der vergangenen Woche erstmals seit 1989 zu öffentlichen Kundgebungen bewogen. Ihr Protestmarsch durch Prag war begleitet von Parolen gegen den Bildungsabbau. Die Studenten kamen teilweise ganz in schwarz gekleidet. Warum, erklärt uns nun Honza, einer der etwa dreihundert Demonstrierenden:

"Nun, wir sind hierhergekommen, um die Asche des Hochschulwesens zu verstreuen, das wir gestern verbrannt haben."

Ein Trauermarsch also. Die Studierenden stießen vor allem bei Walter Barto, dem Schattenschulminister der ODS auf offene Ohren:

"Ich bin überzeugt davon, dass sowohl Premier Spidla als auch die Schulministerin Petra Buzkova die Vertreter der Hochschulen betrogen haben. Sie haben ihnen Gelder versprochen, mit denen das öffentliche Hochschulwesen gestärkt werden sollte, aber letztlich bekommen sie so gut wie nichts. Deshalb halte ich die Proteste für angebracht und die Demonstranten haben die volle Unterstützung der ODS."

Der sozialdemokratische Finanzminister Bohuslav Sobotka hielt jedoch dagegen, dass die Hochschulen 2004 letzten Endes mehr Geld zur Verfügung haben werden als noch in diesem Jahr.

Studentendemonstrationen oder gar Streiks sind hierzulande eine Seltenheit - ganz im Gegensatz zu Deutschland. Den Dekan der Pilsener Fakultät für Humanwissenschaften haben wir gefragt, worauf dies seiner Meinung nach zurückzuführen ist:

"Die sozioökonomische Situation in der Tschechischen Republik unterscheidet sich deutlich von der in Deutschland. Das Land befindet sich in einer anderen Entwicklungsphase. Hier entsteht eine neue Gesellschaftsordnung. Studenten gehören der ersten Generation an, die diese Gesellschaftsordnung lebt und sie suchen ihren Platz in ihr. Ein weiterer Punkt ist, dass die Hochschulen in Tschechien sehr demokratisch aufgebaut sind: Ein Drittel der Mitglieder der Akademischen Räte besteht aus Studenten, was weltweit einzigartig ist. Sie können also starken Einfluss nehmen auf wichtige Entscheidungen. Ein anderer Unterschied zu Studenten in Deutschland ist vielleicht auch, dass tschechische Studierende häufig andere außeruniversitäre Interessen haben, die häufig in Verbindung mit ihrem späteren Beruf stehen und ihre soziale Situation ist häufig schlechter usw. Aus all diesen Gründen hat sich in den 90er Jahren noch keine Streikkultur unter den Studenten entwickelt."

Abgesehen von dem Aspekt der Streikbereitschaft von Studenten, ist das Szenario in Sachen Hochschulpolitik doch offenbar sehr vergleichbar mit dem in Deutschland, wo Kürzungen zur Schließung ganzer Fakultäten führen werden. Und damit sind wir am Ende des heutigen Forums Gesellschaft. Bis zum nächsten Mal.