Präsident Klaus will keine EU-Verfassung. In Brüssel jedoch verhandelt die Regierung.

Der bevorstehende EU-Gipfel in Brüssel steht auch heute wieder am Beginn unseres Tagesechos. In der Nacht auf Montag hat ja die tschechische Regierung eine gemeinsame Linie für die Verhandlungen über eine europäische Verfassung abgesteckt - Radio Prag hat berichtet. Mittlerweile hat Premierminister Vladimir Spidla den als euroskeptisch bekannten Präsidenten Vaclav Klaus von der Regierungslinie in Kenntnis gesetzt. Und der reagierte - wenig überraschend - mit dem Hinweis darauf, dass er von einer EU-Verfassung prinzipiell nicht begeistert ist. Hören Sie mehr von Gerald Schubert:

Vaclav Klaus
Auf den ersten Blick erscheint es irgendwie paradox: Vaclav Klaus wurde im März, aller mathematischen Logik zufolge, von Parlamentariern aus allen Parteien zum Präsidenten gewählt. Die Demokratische Bürgerpartei ODS, der er einst vorstand, ist zwar in Opposition, liegt aber in den Meinungsumfragen konstant vorne. Und die sozialliberale Regierungskoalition von Premier Vladimir Spidla, mit dem Klaus vor allem in EU-Fragen immer wieder grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten hat, kann sich im Parlament nur auf die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme stützen. Man könnte also meinen: Der als Euroskeptiker bekannte Präsident Klaus hätte die besten Voraussetzungen, um dem stets pro-europäischen Premierminister auch in Brüssel das Leben schwer zu machen.

Premier Spidla und Präsident Klaus  (Foto: CTK)
Allein: Die Realität sieht anders aus. Denn für die aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberalen bestehende Regierungskoalition ist gerade die positive Haltung zur europäischen Integration die stärkste Klammer des Zusammenhalts. Und die will man sich nicht aufbrechen lassen - schon gar nicht von Klaus. Eine frische Kostprobe aus der tschechischen Politküche: Die Regierung setzte in der Nacht auf Montag eine Regierungssitzung an, um die heimische Haltung vor dem EU-Gipfel in Brüssel noch einmal abzustimmen. Klaus hätte als Staatsoberhaupt prinzipiell teilnehmen können, entschuldigte sich aber mit Hinweis auf die späte Stunde. Also ging Premier Spidla am Montag zu Klaus auf die Prager Burg, um ihn über die Regierungsbeschlüsse zu informieren. Und der steht wieder einmal vor dem Dilemma: Wie kann er die Pläne der Regierung auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung glaubhaft kritisieren, wenn er diese Verfassung selbst a priori ablehnt? Der Sozialdemokrat Spidla muss da im Gegenzug nur auf das verweisen, was in Europa tatsächlich diskutiert wird. Und kann sich dabei auch noch auf die von der Opposition so oft bemühten nationalen Interessen berufen:

"Es ist im Interesse der Tschechischen Republik, bei den Verhandlungen im Mainstream zu sein, als einflussreicher Partner, und damit die Möglichkeit zu haben, die Zukunft der Europäischen Union auch weiterhin mitzugestalten."

Klaus reagierte wie gesagt auf die bekannte Art: Es wäre ihm lieber, wenn man gar keine Verfassung beschließen würde. Im Übrigen aber stimme er der Regierung zu, wenn sie auf dem am Wochenende bevorstehenden Brüsseler EU-Gipfel die Rechte der kleinen Staaten verteidigen wolle. Wenn sie also fordert: Ein Kommissar für jedes Land. Oder stärkere Berücksichtigung der einzelnen Staaten für Ratsbeschlüsse mit qualifizierter Mehrheit. Oder Einbindung der nationalen Parlamente in politischen Schlüsselfragen. Nur: Er, Klaus, hätte in einigen Punkten noch etwas weitreichendere Forderungen.

Theoretisch. Klaus fährt aber nicht nach Brüssel. Und ob er dort tatsächlich so konfrontativ auftreten würde wie daheim, das ist zumindest fraglich. Ob Klaus jedoch innenpolitisch mit seiner Strategie glaubwürdig bleibt, das gilt es vorerst noch abzuwarten. Einstweilen ist das etwa so unsicher wie die unmittelbare Zukunft der EU selbst.