Führungsdiskussion in tschechischer Sozialdemokratie erhielt neue Nahrung

Stanislav Gross (Foto: CTK)

Die seit längerer Zeit anhaltende Führungsdiskussion in der CSSD, der tschechischen Sozialdemokratischen Partei, hat am Samstag neuen Zündstoff erhalten: Auf der Konferenz der Parteiorganisation des Landkreises Mittelböhmen hat deren Chef laut hörbar über einen Wechsel an der Parteispitze nachgedacht - und wurde dabei immerhin so konkret, dass die größte tschechische Regierungspartei seither wieder einmal durch ihre internen Grabenkämpfe von sich reden macht. Gerald Schubert berichtet:

Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Vielleicht ist es nur das alte Lied in einer neuen Tonart, vielleicht auch der Auftakt zu einer ernsthaften Führungsdiskussion in der tschechischen Sozialdemokratie. Denn dass der Parteivorsitzende, Premierminister Vladimir Spidla, parteiintern seine Widersacher hat, die ihm etwa allzu große Kompromissbereitschaft gegenüber den christdemokratischen und liberalen Koalitionspartnern vorwerfen, das allein wäre ja längst nichts Neues. Richard Dolejs aber, der Vorsitzende der mittelböhmischen Landesorganisation, tat nun angesichts der sinkenden Umfragewerte der CSSD in aller Offenheit kund, wen er sich als nächsten Parteivorsitzenden wünscht: den seit langem als Kronprinz gehandelten Innenminister Stanislav Gross:

"Wenn an der Spitze der Sozialdemokratie Stanislav Gross stehen würde, und wenn er die Sozialdemokratie in die Parlamentswahlen führen würde, dann würde die Partei diese Wahlen gewinnen."

Gross selbst reagierte im Wesentlichen so, wie man es von ihm in ähnlichen Situationen gewohnt ist: vorsichtig zurückhaltend:

"Ich denke, jetzt ist nicht wirklich die Zeit dazu, irgendwelche Probleme über die Medien zu debattieren. Aber wir sollten das unter uns diskutieren, auf den Treffen unserer Partei."

Und Parteichef Vladimir Spidla selbst? Für ihn stehen die Reform der öffentlichen Finanzen und die erfolgreiche Integration Tschechiens in die EU an der Spitze der politischen Agenda. Eine fortgesetzte Führungsdiskussion hat da für ihn keinen Platz:

"Mit solchen Dingen beschäftige ich mich zurzeit überhaupt nicht. Mich interessiert die Reform als solche, damit wir das, was wir versprochen haben, auch erfüllen. Am regulären Parteitag werden wir dann unsere Bilanz vorlegen, und wie wir dann weiter vorgehen, das entscheidet sich erst später."

Dass es zurzeit mit der Popularität von Vladimir Spidla nicht gerade zum Besten bestellt ist, das könnte übrigens auch damit zu tun haben, dass er als eindeutiger Befürworter einer vertieften europäischen Integration gilt. Der tschechische Politologe Jan Bures gegenüber Radio Prag:

"Er präsentiert sich als Politiker, der die weltweiten Interessen der EU sehr gut versteht. Und ich glaube, dass darin eine schon fast zu starke Vision zum Tragen kommt, die sich zu Hause nicht immer bezahlt macht."

Die nächste Bewährungsprobe für Spidla: Die Europawahlen im Juni.