Spidla spricht in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin
Der tschechische Ministerpräsident Vladimír Spidla war während seines zweitägigen Staatsbesuchs in Deutschland auch in der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung eingeladen. Als Gastredner vermittelte Spidla seine Vision einer erweiterten Europäischen Union. Aus Berlin berichtet Lothar Martin.
Mit großer Spannung und Vorfreude wurde der Auftritt des tschechischen Ministerpräsidenten am Dienstagnachmittag in der Berliner Friedrich-Ebert-Stiftung erwartet. Im randvollen Auditorium hielt Spidla einen Vortrag zum Thema "Europa als Aufgabe". Als einer der neuen Mitgestalter des zukünftigen Europas wusste er sogleich die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen, während er ohne Probleme in deutscher Sprache referierte. Ihm sei, so Spidla, das heutige Europa ein Zeichen für einen Neubeginn, ein Ausdruck für Prosperität, für Fortschritt und für Gerechtigkeit. Dies sei möglich geworden, da es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer grundlegenden Wende gekommen sei, in der das Prinzip der gegenseitigen Beziehungen begründet wurde, das neben dem Frieden auch die Stabilität, Prosperität und das Wachstum des Lebensniveaus sicherstellen sollte. Und die Idee der europäischen Integration, so Spidla weiter, hat unseren Kontinent verändert. Für ihn sei die Europäische Union in erster Linie ein Prozess, der große Chancen darauf habe, ein Prozess mit nur einem Ende zu werden. Mit einem klar definierten Beginn und der Perspektive einer ständigen Entwicklung. An dieser Entwicklung will und wird auch die Tschechischen Republik endgültig ab dem 1. Mai ihren Anteil haben. Daher habe man sehr angestrengt trainiert, um nicht auf der Strecke zu bleiben, betonte der Premier. Aber diese Anstrengungen lohnten sich auch, weil die europäische Integration für ihn nichts anderes bedeute, als sich selbst freiwillig einzuschränken, die eigenen Rechte und Ansprüche freiwillig mit einem größeren Ganzen zu teilen. Während sich die Staatsgebilde über Jahrhunderte ihre Rechte auf Kosten anderer aufzwangen, geben sie nun ihre Rechte zu Gunsten anderer weiter. Dies sei von außen betrachtet vielleicht nicht sonderlich effektvoll, dafür aber außergewöhnlich effektiv, sagte der Premier. Mit diesen Worten und weiteren tiefgreifenderen Erläuterungen traf Spidla den Nerv des Publikums und wurde daher mit viel Beifall bedacht. Ein Redner bewertete das Thema des Vortrags "Europa als Auftrag" als die treffendste Beschreibung der europäischen Integration. Auch der deutsche Ex-Präsident Richard von Weizsäcker, der unter den Zuhörern weilte, würdigte die Aussagen des tschechischen Regierungschefs. Gegenüber Radio Prag erklärte er, dass dieser Vortrag auf ihn Eindruck gemacht habe und er ihn zuversichtlich gestimmt habe auf das, was Tschechien in die Europäische Union weiterhin einbringen werde.