Max Brod und der Weg von Janaceks 'Jenufa' in die Welt

Max Brod (Foto: CTK)

"Jeji pastorkyna" bzw. "Jenufa": Die Uraufführung dieser Oper Leos Janaceks erfolgte vor genau 100 Jahren in Brno/Brünn. Erst zwölf Jahre später, 1916, erlebte dieses dramatische Werk seine Erstaufführung in Prag. Später hat die Oper auch die bedeutendsten Bühnen der Welt erobert. Dies war in hohem Maße ein Verdienst des Schriftstellers Max Brod, der sie ins Deutsche übersetzte. Im Kultursalon, den Markéta Maurová für Sie vorbereitet hat, kommt dieser Mann mit seinen Erinnerungen selbst zu Wort.

Max Brod  (Foto: CTK)
Ein höchstinteressantes Dokument haben wir im Archiv von Radio Prag gefunden. Max Brod, der deutschsprachige jüdische Schriftsteller aus Prag war Mitte der 60er Jahre ein Gast in der deutschsprachigen Redaktion des Prager Rundfunks. Hören Sie selbst, wie er sich an seine Begegnungen sowohl mit dem Werk Janaceks als auch später mit dem Komponisten selbst erinnert hat.

"Auf Janacek hat mich Josef Suk aufmerksam gemacht. Er schrieb mir eines schönen Tages eine Korrespondenzkarte, Sie müssen ins Nationaltheater gehen und sich 'Jeji pastorkyna' ansehen. Ich bewahre diesen Umstand deshalb lebhaft in meiner Erinnerung, weil es ja so selten vorkommt, dass ein Künstler auf einen anderen hinweist. Es gibt auch, wie ich gehört habe, einen Brief von Janacek an Suk, wo sich Janacek später für diesen Hinweis bedankt hat. Nun ich ging ins Nationaltheater, es war ausverkauft, ich musste auf der letzten Galerie - was überdies nicht zu ungewohnt bei mir war - Platz nehmen und war begeistert. Ich schrieb damals an die Berliner 'Weltbühne' Jakobsons einen Artikel unter dem Titel 'Tschechisches Opernglück', in dem ich in lebhafter Weise auf diese herrliche Oper aufmerksam machte. Die Oper zu übersetzen, diese Absicht hatte ich eigentlich nicht, weil ich selber mit eigenen Arbeiten beschäftigt war."

Max Brod hatte also eigene Pläne verfolgt, doch das Schicksal hat anders entschieden. Es bereitete ihm nämlich ein persönliches Treffen mit dem Komponisten.

"Zu meiner Überraschung erschien plötzlich eines Tages, ich glaube, es war am Sonntag, als ich noch im Bett lag oder eben aufgestanden war, Janacek in meiner Wohnung. Ich kannte ihn nicht, ich hatte ihm nur geschrieben. Und er sagte: 'Jetzt gehe ich schon seit sechs Uhr früh vor Ihrem Hause auf und ab, (er war nämlich mit dem Nachtzug aus Brünn gekommen) und denke darüber nach, wenn ich Sie als Übersetzer gewinne, so werde ich endlich Erfolg haben. Wenn Sie aber die Arbeit ablehnen, so ist wieder alles beim Alten, trotz Ihres schönen Artikels, der auf mich aufmerksam gemacht hat."

Diese Begegnung mit Leos Janacek hat Max Brod sehr beeindruckt. Wie hat er dessen Person damals gesehen und beurteilt?

"Janacek war damals unter den Tschechen eine entweder unbekannte oder sehr umstrittene Persönlichkeit. Er hatte sich durch einige unvorsichtige Äußerungen über Smetana unbeliebt gemacht. Er war überhaupt kein Mensch, der seine Worte sehr genau wägt, er war seinem ganzen Temperament nach ein aggressiver, explosiver Mensch. Und so ist es nicht zu verwundern, dass er manchmal unbesonnene Dinge sagte, die er vielleicht gar nicht so ernst gemeint hat, die nur Ausdrücke seiner momentanen Stimmung waren. Die Tatsache, dass ein Mensch zu mir kam, und mir so ungebunden sein Leid gestand, ergriff mich. Dazu, die Schönheit dieses Gesichtes, das mich an Goethe erinnerte. Der slawische Goethe. Und ich legte alle meine Arbeiten weg und begann die Übersetzung."

Die Übersetzung war fertig. Doch bis zur endgültigen deutschsprachigen Inszenierung der Oper war es noch ein komplizierter Weg. Er führte zunächst nach Wien und später auf die anderen Weltbühnen...

"Es gab da noch ziemlich viele Schwierigkeiten wegen der Annahme. Als ich alles ja schon geschrieben habe, war ich mit dem Direktor Herzka im Narodni divadlo, und der hat sich als Sachverständigen einen Wiener Komponisten, ich glaube er hieß Bittner, als Experten mitgebracht. Und Herrn Bittner gefiel die Musik gar nicht. Und außerdem hatten sie starke Bedenken wegen des etwas gewagten Textes. Dabei war es mitten im Weltkrieg, täglich gingen Tausende von Menschen zugrunde, und die machten da solche sentimentale Äußerungen über den Kindesmord. Kurz, ich geriet in Wut und verließ die Loge und merkwürdigerweise hat gerade dieses mein passioniertes Auftreten in dem Herzka den Wunsch geweckt, die Oper zu erwerben. Kurz nach diesem merkwürdigen Auftritt erwarb er die Oper, dann hatte er aber wegen Wien wieder einen Ratgeber, der meine Übersetzung verschlechterte, und ich hatte große Arbeit, sie vor den Missgriffen eines Herrn Reichenberger rein zu halten, der dann auch die Aufführung ziemlich schlecht geleitet hat." Auch sonst war Max Brod mit der Wiener Erstaufführung nicht zufrieden. Erst eine spätere Einstudierung in Berlin habe ihm zufolge der Oper den Weg in die Welt geebnet. An den Abend in der Wiener Oper erinnert er sich folgendermaßen:

"Janacek, mit dem ich bei der deutschen Uraufführung in Wien war, war ganz verzweifelt während der Aufführung boxte er mich immer in die Seite, er war unglücklich über diese Aufführung. Obwohl sie von den größten Wiener Künstlern getragen wurde. Die Regie war schlecht. Die Küsterin, sie erschien als richtige Bäuerin mit einer Heugabel über der Schulter, während für Janacek sie eine Figur war, gewissermaßen so wie in der Bibel die Richterin, eine erhabene Figur, die vom ganzen Dorf verehrt wird und die jedenfalls keine derartige Arbeit macht. Noch dazu an einem Festtag. Kurz, er war sehr unglücklich, und die Kritik war auch schlecht. Und erst einige Jahre später gelang es mir, den Schilling von Berlin, der in Prag die Tschechische Philharmonie dirigiert hat, dazu zu bewegen, dass er im Narodni divadlo sich eine Aufführung der 'Pastorkyna' angesehen hat. Und da hat er sie dann für Berlin angenommen. Die Direktion wurde dem Kleiber anvertraut und der führte die Oper zum Sieg. Von Berlin aus ging dann die 'Pastorkyna' um die Welt. Und jetzt höre ich mit Vergnügen, dass sie in Wien ein großer Erfolg war. Die Universal-Edition schrieb mir, sie glaubt, dass jetzt endlich die 'Jenufa' zu einer Repertoire-Oper geworden ist."