Tschechiens Kommunisten vor ihrem ordentlichen Parteitag

In der heutigen Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz beleuchtet Robert Schuster die Lage der tschechischen Kommunisten vor deren wichtigen Parteitag.

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Tschechiens Kommunisten werden nächstes Wochenende im südböhmischen Ceské Budejovice / Budweis ihren ordentlichen Parteitag abhalten. Obwohl im Mittelpunkt des zweitägigen Treffens die Neuwahl der Parteispitze steht, erwarten sich viele Beobachter auch Signale über die weitere Rolle der einst totalitären Staatspartei in der tschechischen Politik.

Grund zu dieser Annahme geben insbesondere die Ereignisse der letzten Wochen und Monate, als die einst von den übrigen demokratischen Parteien gemiedene Bewegung angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im tschechischen Abgeordnetenhaus zu einem wichtigen Verbündeten bei parlamentarischen Abstimmungen wurde, und zwar sowohl für die regierende Mitte-Links-Koalition von Premierminister Vladimir Spidla, als auch für die zweite Oppositionspartei, die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei (ODS).

Erstaunlich an dieser neuen Situation ist, dass sich die tschechischen Kommunisten seit der politischen Wende des Jahres 1989, die für sie den Verlust der Macht bedeutete, kaum reformiert haben. Einige tschechische Parteienforscher sehen sogar ein hohes Maß an programmatischer und ideologischer Kontinuität zwischen dem heutigen Erscheinungsbild der Kommunisten und jenem vor 1989, so dass der Verzicht auf die klassenkämpferisch anmutenden Insignien Hammer und Sichel als Parteilogo und deren Ersatz durch die eher unpolitisch wirkenden roten Kirschen, auch schon die einzige grundlegende Veränderung gegenüber früher darstellt.

Lassen sich also angesichts dieses starken Hangs zur Kontinuität innerhalb der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens auf dem Parteitag überhaupt irgendwelche Veränderungen, sowohl programmatischer als auch personeller Art erwarten? Das fragten wir den Politikwissenschaftler Ladislav Cabada von der Westböhmischen Universität in Plzen / Pilsen:

"Ich erwarte ganz ehrlich gesagt keine dramatischen Veränderungen in der Partei. Es scheint mir ganz sicher zu sein, dass der Vorsitzende Grebenicek seinen Posten behalten wird. Und auch die anderen Persönlichkeiten, die mit ihm die neu gewählte Führung bilden werden, werden eher orthodox oder konservativ, als reformerisch sein."

Mit dem von Ladislav Cabada bereits kurz erwähnten Miroslav Grebenicek steht seit elf Jahren ein Politiker an der Parteispitze, der eindeutig zum dogmatischen Parteiflügel gezählt werden kann. Der Brünner Universitätsdozent für jüngere Geschichte, dessen Spezialgebiet die Entwicklung der Arbeiterbewegung ist, hat in der Vergangenheit alle Versuche, die Partei von ihrem neokommunistischen Kurs abzubringen und ihr zu einem moderateren Erscheinungsbild zu verhelfen, schon in Ansätzen zu ersticken gewusst. Dennoch wurden in den vergangenen Monaten immer wieder parteiintern gewichtige Stimmen laut, die zu einem Kurswechsel aufriefen. So bezogen bereits im Frühjahr vergangenen Jahres mit Miloslav Ransdorf, Jiri Dolejs und Zuzka Rujbrova gleich drei der insgesamt fünf Stellvertreter von Parteichef Grebenicek eine positive Haltung zur Volksabstimmung über den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union, obwohl gemäß der offiziellen Linie den Wählern empfohlen wurde, mit Nein zu stimmen. Grebenicek versuchte zwar daraufhin, die drei Politiker zu entmachten, konnte sich aber in den Gremien nicht durchsetzen. Auch im Rahmen der gegenwärtig auf vollen Touren laufenden Kampagne vor den ersten tschechischen Europawahlen geben sich die Kommunisten für ihre Verhältnisse relativ integrationsfreundlich. Können also dahinter vielleicht erste Ansätze für einen Kurswechsel - vielleicht nicht nur in der Europafrage - gesehen werden? Dazu meint Ladislav Cabada im Folgenden:

"Natürlich sollte man diese Spannungen nicht unterschätzen. Aber mir scheint, dass im Moment die Wählerschaft der Kommunistischen Partei - was die Europäische Union betrifft - nicht so optimistisch ist, wie die erwähnten Politiker Ransdorf und Dolejs. Dolejs zum Beispiel hat jetzt keine starke Basis in der Partei, und auch bei Ransdorf ist zu erwarten, dass er nach seinem Gang nach Strassburg ins Europaparlament seinen Einfluss auf das innerparteiliche Leben der Kommunisten verlieren wird. Auf der anderen Seite können wir einige Veränderungen in der Rhetorik der Kommunistischen Partei in Bezug auf die Europäische Union beobachten. Man hat die Mitgliedschaft in der Europäischen Union akzeptiert, und zwar verbunden mit der Einsicht, dass es keinen Sinn macht, immer hundertprozentig gegen etwas zu sein. Vielleicht wird die Partei nach dem Parteitag auch in anderen Bereichen eine neue Position beziehen."

Einiges deutet darauf hin, dass der Budweiser Parteitag der tschechischen Kommunisten nächstes Wochenende in einer gänzlich anderen Atmosphäre verlaufen wird, als in den vergangenen Jahren. Dazu werden sicherlich auch die für die Kommunisten günstigen Umfragewerte beitragen, welche die Partei seit einigen Monaten auf dem zweiten Platz sehen - also hinter der ebenfalls oppositionellen rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei und vor der zweiten großen tschechischen Linkspartei, den regierenden Sozialdemokraten. Der Abstand zwischen den Rängen zwei und drei beträgt, je nach Meinungsforschungsinstitut, bis zu vier Prozentpunkte. Das allein reicht schon, um bei der größten Regierungspartei Grundsatzdebatten nach dem künftigen Umgang mit den erstarkten Kommunisten hervorzurufen. Bei den Sozialdemokraten gilt zwar nach wie vor das selbst auferlegte Verbot, auf nationaler Ebene mit den Kommunisten Koalitionen einzugehen, aber die Ablehnungsfront scheint in den letzten Wochen zu bröckeln.

Bahnt sich da auf der tschechischen Linken sogar längerfristig eine Art Wachablöse an, indem der sozialdemokratischen Partei ihre Regierungsverantwortung zum Verhängnis wird und sie auf die Größe einer Mittelpartei schrumpft? Hören Sie dazu die Meinung des Politikwissenschaftlers Ladislav Cabada:

"Meiner Meinung nach ist jetzt die wichtigste Frage, was in der Sozialdemokratischen Partei passieren wird. Es scheint, dass sich da zwei sehr starke Gruppierungen gegenüber stehen: Die eine unterstützt die jetzige Führung von Premier Spidla, die andere plädiert für eine Minderheitsregierung, unterstützt durch die Kommunisten oder die Bürgerdemokraten. Sollten die Kommunisten bei den Europawahlen tatsächlich die Sozialdemokraten überflügeln, dann könnte das bei den Sozialdemokraten eine neue Dynamik auslösen und bis zu einem Sonderparteitag führen. Ich hoffe, dass die Sozialdemokraten immer noch im Stande sind, die Kommunisten zu schlagen, denn dies würde auch die innerparteiliche Situation bei der größten Regierungspartei stabilisieren."

Gute Umfragewerte sind eine Sache, der tatsächliche Einfluss einer Partei auf das politische Leben eines Landes aber eine andere. Wie stark kann also der reale Einfluss der Kommunisten auf die gegenwärtige tschechische Politik eingeschätzt werden? Immerhin wurden nach den letzten Kommunalwahlen in vielen Gemeinden lokale Bündnisse der demokratischen Parteien mit den Kommunisten geschlossen, und auch auf nationaler Ebene werden Vertreter der Kommunistischen Partei immer wieder zu wichtigen Gesprächen geladen, wie zum Beispiel zu den Beratungen über die geplante Pensionsreform. Dazu hören wir abschließend noch einmal die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Ladislav Cabada von der Westböhmischen Universität in Plzen / Pilsen:

"Wir müssen sehen, dass das Koalitionspotential der Kommunisten immer noch gleich Null ist, aber die Kommunisten kommen immer mehr zu Wort, weil die anderen politischen Parteien in unserem Parlament nicht fähig sind, einen Grundkonsens bei den wichtigsten politischen Themen zu finden: das heißt bei der Frage der europäischen Integration, der Rentenreform und anderem. Es ist ein Problem, dass sich die demokratischen Parteien in wichtigen Fragen von nationalem Interesse nicht einig sind. So dienen die kommunistischen Abgeordneten immer öfter als Mehrheitsbeschaffer, wie es sich bei der letzten Präsidentenwahl zeigte. Auch in den vergangenen Wochen, als der Präsident sein Veto gegen einige wichtige Gesetze einlegte und die Regierung um jede Stimme kämpfte, waren die Kommunisten oft im Spiel. So kamen im Parlament mehrmals diese realen Koalitionen zustande."