Drei Jahre nach dem 11. September: Wie sicher ist Tschechien?

New York, 11. September 2001

In der heutigen Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz geht Robert Schuster der Frage nach, ob drei Jahre nach den terroristischen Anschlägen auf die Vereinigten Staaten und den vielen zusätzlich ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen Tschechien heute sicherer ist.

Fast auf den Tag genau vor drei Jahren gingen die Bilder von jenen beiden Flugzeugen, die gegen die Türme des New Yorker World Trade Center flogen und diese zum Einsturz brachten, um die Welt. Die Attentate, verübt von Mitgliedern des, wie sich später herausstellte, weltweit operierenden Terrornetzes Al-Quaida eröffneten nicht nur eine neue Dimmension von künftigen Gefahren, sondern brachten auch eine Neudefinition des Begriffes Sicherheitspolitik mit sich. Auch viele Konstanten der bis dahin geltenden Weltordnung, wie etwa die Rolle der UNO als obersten Schlichters von Konflikten zwischen einzelnen Mitgliedsländern, oder generell auch das Völkerrecht gerieten infolge der weiteren Entwicklung nach den Attentaten vom September 2001 ins Wanken.

Eine der Folgen dieser Anschläge ist, dass sich seither im Bewusstsein der Menschen in vielen Ländern die Gefahr eines potentiellen Terroranschlags als etwas omnipräsentes verankert hat, mit dem man zu rechnen hat. Um vor allem diese Ängste der eigenen Bürger zu verringern, ergriffen viele Regierungen massive Sicherheitsmaßnahmen, schufen neue Sicherheitsbehörden und gründeten spezielle Anti-Terror-Einheiten. Auch auf dem Feld der Prävention hat sich dank des Einsatzes modernster Technik vieles verändert. Können also heute auf Grund dieser vielen Maßnahmen die Risiken weiterer verheerender Anschläge als geringer bezeichnet werden? Kann man heute vielleicht die Ziele künftiger Angriffe besser voraussagen, als es vor dem Jahr 2001 der Fall war? Das fragten wir den Politikwissenschaftler Zdenek Zboril vom Prager Institut für Internationale Beziehungen:

Geiseldrama in Beslan  (Foto: CTK)
"Ich glaube nicht. Vielleicht wäre man in den USA, oder genauer gesagt im Umkreis von New York oder Washington heute in der Lage die Wiederholung von solchen Angriffen, wie vom 11. September zu verhindern. Selbst aber in Amerika ließen sich aber bestimmt auch heute Stellen finden, die in Bezug auf einen möglichen Terrorangriff verletzlich sind. Noch verletzlicher als die USA ist natürlich Europa, schon allein auf Grund der großen Bevölkerungsdichte. Man hat zwar versucht mit Afghanistan ein klar umgrenztes Territorium als Terroristenstützpunkt zu darzustellen, aber die Terrorgefahr an sich konnte durch die Befreiung des Landes vom Taliban-Regime nicht verringert werden. Im Gegenteil, in der Frage, wo sich die Stützpunkte von Al-Quaida und anderer Gruppen befinden, tappt man nach wie vor im Dunkeln und wir haben ein Minimum an Informationen."

Die vergangenen drei Jahre zeigten aber leider auch, dass es bei diesem einem Terroranschlag auf die USA nicht geblieben ist. Mittlerweile hat es fast auf jedem Kontinent einen vergleichbaren Anschlag gegeben. Auch Europa wurde davon nicht verschont, wie die Attentate in Madrid vom März diesen Jahres zeigten, ebenso aber auch die jüngste Geiselnahme in einer südrussischen Schule, die in der vorvergangenen Woche blutig und mit zahlreichen Opfern beendet wurde. Gerade das Geiseldrama in Beslan hat auch gezeigt, wie notwendig es ist, über gut ausgebildete und ausgerüstete Spezialeinheiten zu verfügen, die im Falle von Geiselnahmen einsetzbar wären.

Geiseldrama in Beslan  (Foto: CTK)
So will zum Beispiel die tschechische Regierung künftig 10 000 Mann, was etwa einem Drittel des gesamten tschechischen Heeres entspricht, für Einsätze in vergleichbaren Krisensituationen bereitstellen. Ebenso wurden auch erste Pläne über eine bessere Koordinierung der einzelnen Sicherheitsbehörden veröffentlicht. Da sich in Tschechien in dieser Hinsicht lange Zeit nichts getan hat, was auch von vielen Sicherheitsexperten oft kritisiert wurde, steht natürlich die Frage im Raum, ob erst die Ereignisse in Beslan die Regierung zu ihren jüngsten Initiativen führten? Dazu meint der Politikwissenschaftler Zdenek Zboril:

"Ich denke, dass es auch ohne diese tragischen Ereignisse in Ossetien zu der Entscheidung zur Bildung von Spezialeinheiten gekommen wäre. Man hat schon vor Jahren, als noch niemand voraussehen konnte, dass es einmal weltweit agierende Terrorgruppen geben könnte, ähnliche Überlegungen angestellt. Doch dann konzentrierte man sich voll auf den NATO-Beitritt und diese Pläne sind in Vergessenheit geraten. Ich denke, dass das auch zeigt, dass das Risikopotential von vielen Verantwortlichen in Tschechien allzu lange unterschätzt wurde. Man hörte zwar ab und zu große Ankündigungen, aber dem folgten dann nur sehr selten konkrete Taten. Das führte zu einer großen allgemeinen Verunsicherung. Es ist aber auch ein institutionelles Problem, weil die zuständigen Ministerien und Regierungsstellen bei Veränderungen in diesen sensiblen Bereichen zu träge und langsam sind. Ich würde mir wünschen, dass auch auf europäischer Ebene entschiedener gegen die Terror-Gefahr vorgegangen würde, so dass der Kampf gegen den Terror auch in der Wirklichkeit und nicht nur auf dem Papier geführt wird."

Foto: Archiv Radio Prag
Die Tschechische Republik hat nach dem 11. September 2001 die weltweit einsetzende Kampagne im Kampf gegen den Terrorismus von Beginn an die unterstützt. Dabei wurde weitgehend auch die Vorgehensweise der USA mitgetragen. Sowohl während des Afghanistan-Feldzugs, als auch in der Zeit des Irak-Kriegs errichteten und betrieben tschechische Militärärzte ein Feldlazarett; zur Verfügung gestellt wurde auch eine Einheit zur Identifikation von chemischen Kampfstoffen. Obwohl sich Tschechien - etwa im Gegensatz zu Polen - nicht unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligte, gelangten in den vergangenen Wochen Geheimdienstinformationen an die Öffentlichkeit, wonach auch in Tschechien Ziele von Terroristen angepeilt werden könnten. Kürzlich eröffneten sogar unbekannte Schützen auf einer Strasse in Bagdad das Feuer auf den gepanzerten Dienstwagen des tschechischen Botschafters im Irak. Bedeutet das also zwangsläufig, dass auch Tschechien künftig die Zielscheibe von Terroristen werden könnte? Wie sicher können sich die Tschechen fühlen? Zdenek Zboril weist in diesem Zusammenhang auf ein weiteres, bislang weitgehend unbekanntes Risiko hin:

"Wir sind gegenwärtig sehr leicht verletzbar. Unsere Verteidungskräfte befinden sich in einem Umbau und deren Zahl soll auf rund 30 000 Soldaten reduziert werden. Daneben sind aber im Land mehr als 55 000 Personen in verschiedenen privaten Sicherheitsdiensten tätig, die manchmal auch für staatliche Stellen arbeiten. Aber generell weiß man über diese privaten Sicherheitsagenturen gar nichts und schon gar nicht, wer die Auftraggeber sind usw. Wer kann da ausschließen, dass sich diese Sicherheitsdienste nicht von Terroristen als Söldner engagieren lassen und somit Bestandteil einer terroristischen Gruppe sein könnten?"

Trotz der bislang noch praktizierten Zurückhaltung Prags in der Frage von möglichen Auslandseinsätzen tschechischer Truppen bei Friedensmissionen oder friedenserhaltenden Aktionen gilt es als wahrscheinlich, dass es auch in diesem Bereich zu einer Änderung kommen wird.

Das zeigt auch die Reaktion auf die vor kurzem geäußerte Bitte der irakischen Regierung nach der Entsendung eines tschechischen Militärkontigents, die im Vergleich zu früher nicht kategorisch ablehnend war. In der Vergangenheit führten nämlich ähnliche Ansuchen, selbst wenn es um die bereits erwähnte Einheit zur Identifizierung von chemischen Kampfmitteln ging, zu großem Widerstand nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern insbesondere innerhalb des Regierungslagers. Wie wahrscheinlich ist es also, dass Tschechien in Zukunft neben seinen Militärärzten und Militärchemikern auch bewaffnete Truppen zu Auslandseinsätzen entsenden könnte? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Politikwissenschaftler Zdenek Zboril vom Prager Institut für internationale Beziehungen:

"Ich denke, dass so etwas gute Erfolgsaussichten hätte, denn obwohl ein Teil der Sozialdemokraten in dieser Frage gegen ihre eigenen Regierung stimmen würde, käme die notwendige Unterstützung von Seiten der Opposition, oder zumindest eines Teils davon. Das Problem mit dieser Entscheidung liegt aber woanders. Ich bezweifle nämlich, dass jene Abgeordneten, die für einen Auslandseinsatz tschechischer Truppen stimmen würden, sich auch aller damit zusammenhängenden Konsequenzen bewusst wären, vor allem der Notwendigkeit die Bürger über die möglichen Folgen zu informieren - dass z.B. jeder Einzelne zum Ziel von Terroristen werden könnte. Es fehlt eben das Bewusstsein, dass wir auch individuell die Verantwortung tragen für alle möglichen Opfer und Schäden, zu denen es im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terror kommen könnte."