Die farbige Welt des Kinderbuchautors Petr Sis
Auf seinem Konto stehen mehr als fünfzig Bücher, die er mit seinen poetischen Bildern versah. Später hat sich der weltweit anerkannte tschechische Künstler Petr Sis jedoch der Arbeit an eigenen Büchern zugewandt. Und das mit riesigem Erfolg. Das Thema seiner Bücher ist vor allem die Reise, die der Menschheit entscheidende Erkenntnisse offenbart: Daher können die Helden von Petr Sis auch keine Normalsterblichen sein, sondern es sind außergewöhnlich starke, überzeugte und wissbegierige Menschen - wie Christoph Columbus, Galileo Galilei, der Eskimo Welzl oder Charles Darwin. Lucie Drahonovska hat Petr Sis anlässlich der Buchpräsentation seines neuen Buches in Prag getroffen. Mehr dazu erfahren Sie jetzt in unserem heutigen Kultursalon.
Und wie das Leben manchmal so spielt, waren paradoxerweise am Anfang seiner Karriere gerade die Kinderbücher das Letzte, was ihn interessierte: Denn Petr Sis ist bald nach seinem Studium der Film- und Fernsehgrafik an der Kunstgewerbeschule in Prag zu einem hoffnungsvollen Filmanimateur geworden: Ein seiner Kurzfilme, "Hlavy", auf Deutsch "Köpfe", erntete 1980 auf dem Filmfestival in Berlin sogar den Goldenen Bären, zwei weitere seiner Werke wurden in die Sammlung des New Yorker "Museum of Modern Art" aufgenommen. Diese beiden großen Erfolge haben dem jungen Tschechen damals gleich mehrere viel versprechende Aufträge aus dem Ausland verschafft: Der entscheidende kam vom Internationen Olympischen Komitee, das die Olympischen Spiele des Jahres 1984 in Los Angeles vorbereitet hat. Für die Olympiade sollten ausgewählte internationale Filmanimateure Kurzfilme drehen. Auf diese Weise begann Petr Sis in Hollywood an seinem Kurzfilm über das Rudern zu arbeiten. Parallel dazu kam auch von dem damals noch unbekannten Fernsehen-Sender MTV ein Auftrag, der ihn als passionierten Musiker und ehemaligen DJ besonders reizte: die Gestaltung eines Videoclips für Bob Dylan.
Petr Sis dazu:
"Ich mochte die Musik und Bob Dylan. Ich war schon 33 Jahre alt und dachte, dass es für mich die Chance meines Lebens ist. Als ich also wegen der zugespitzten politischen Lage zwischen Ost und West von den offiziellen Stellen aus Prag zur augenblicklichen Rückkehr auffordert wurde, habe ich mich kurzerhand entschlossen, in den Vereinigten Staaten zu bleiben. Hier bin ich also sozusagen vor über zwanzig Jahren stecken geblieben."
Seine Anfänge in Übersee waren, wie auch bei vielen anderen Emigranten, nicht gerade rosig. Mit einem Stoß Zeichnungen unter dem Arm rannte er vor einer New Yorker Redaktion in die andere und bot seine Arbeiten an. Meistens vergeblich, weil er, wie er sagt, die Verleger zu sehr bedrängte. Doch dann kam der ersehnte Durchbruch. Nachdem sein viel beachtetes Buch über Galileo Galilei erschienen war, haben prestigeträchtige Blätter wie "Time", "The New York Times Book Review", "Newsweek" oder "Esquire" seine poetischen Bilder bestellt.
Die größte Anerkennung und den meisten Ruhm brachten Petr Sis in den Vereinigten Staaten sowie in vielen europäischen Ländern seine eigenen Bücher ein. Denn sie stellen eine äußerst gelungene Kombination aus seinem individuellen Zeichenstil und klug-witzigen Texten dar. Das erste von ihm selbst geschriebene Buch war die Geschichte über das "Regenbogen-Nashorn" ("The Rainbow Rino") aus dem Jahr 1987. Petr Sis erinnert sich:
"Ich schrieb das Buch, als ich noch in Los Angeles an Filmen gearbeitet habe. Es ist eine Geschichte über ein Nashorn, dessen Horn immer dann leuchtet, wenn es zufrieden ist. Ich dachte zuerst, dass dieses Buch als Vorlage für einen Film dienen wird. Dazu ist es leider wegen mangelnden Interesses nicht gekommen. Doch schon dem Buch selbst verdanke ich viele persönliche Kontakte zu amerikanischen Verlegern, die mich als Zeichner anerkannt und mir später weitere Aufträge vermittelt haben."
Seit dem "Regenbogen-Nashorn" gibt Petr Sis alljährlich ein neues eigenes Buch heraus. Nur in den Vereinigten Staaten sind von ihm bis jetzt an die zwanzig Titel erschienen, etwa ein Dutzend Titel wurde in England, Frankreich, Deutschland sowie in der Schweiz veröffentlicht. Die Arbeit an den Büchern ermöglichte Petr Sis auch viele unvergessliche Begegnungen. Zu einer davon zählt seine Zusammenarbeit mit Jacqueline Kennedy-Onassis:
"Ich habe sie zwar gekannt, doch ich wusste nicht, dass sie auch in der Verlagsbranche als Redakteurin tätig ist. Wir sind mehrmals zusammengekommen und überlegten, was für ein Buch wir gemeinsam machen sollten. Nachdem sie Prag als Gast von Václav Havel besucht hat, war es für sie jedoch klar, dass es sich um ein Buch über Prag handeln würde. Es bekam den Titel 'Three Keys' - auf Deutsch 'Drei goldene Schlüssel'. Ich lieferte ihr dazu sehr viele Illustrationen und dachte nicht im Geringsten daran, dass sie in das Buch alle 62 Zeichnungen aufnehmen würde. Das Erscheinen des Buches hat sie leider nicht mehr erlebt, denn sie ist zwei Wochen zuvor verstorben."
Für seine Bücher wurde der fünfundfünfzigjährige Künstler bereits mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet: Gleich sechsmal würdigte ihn "The New York Times" für das bestillustrierte Kinderbuch. Im Vorjahr erhielt er als erster Tscheche und gleichzeitig als erster Kinderbuchautor das McArthur-Stipendium, mit dem Künstler und Wissenschaftler aus der ganzen Welt für ihren Beitrag für die Menschheit prämiiert werden. Die jüngste Auszeichung, den "Ragazzi Award", erhielt Petr Sis in diesem Frühjahr auf der Internationalen Kinderbuchmesse in Bologna: Der Preis gilt seinem jüngsten Buch über Charles Darwin, das 2003 in New York erschienen ist. Vor kurzem wurde das ausgezeichnete Buch "Strom zivota" - auf Deutsch "Der Lebensbaum" - über den unermüdlichen englischen Wissenschaftler und Globetrotter im Prager Verlagshaus Labyrint auch auf Tschechisch herausgegeben. Weitere 29 Sprachversionen dieses bemerkenswerten großformatigen Buches sind derzeit weltweit in Vorbereitung. In New York, wo Petr Sis gemeinsam mit seiner Frau und seinen zwei Kindern, Madlenka und Matej lebt, wird im Oktober sein jüngstes Projekt der Öffentlichkeit präsentiert: Es handelt sich um ein riesengroßes Mosaik, das die New Yorker Metro an der 86-Straße schmücken wird:
"Es sind insgesamt vier Mosaiken, die sich an den Wänden entlang des Treppenhauses befinden. Gemeinsam stellen sie ein Auge dar, das - genau wie die Stadt New York - nie schläft. Eigentlich ist es, so wie bei Darwin, ein Menschenauge, das die Dinge der Welt anders ansieht. Die Wimpern sind aus Häusern und Museen zusammengestellt, die sich in Wirklichkeit unweit der Metro-Haltestelle befinden. Man wird dort auch ein buntes Karussell mit Kindern aller Farben genauso wie Musiker aus der ganzen Welt sehen, darunter auch einen Mann mit einer Mütze, die die tschechische Flagge darstellt."