Fleisch, Bier, Sex
Dass Reklame zuweilen auch einen Hauch von Erotik in sich trägt, daran ist man mittlerweile gewöhnt. Ebenfalls daran, dass besagter Hauch häufig recht kräftig ausfällt. In Tschechien allerdings erreichen die erotischen Anspielungen in der Werbung gelegentlich eine Gegenständlichkeit, angesichts derer man eher von einem veritablen Sturmwind sprechen möchte. Meint jedenfalls Thomas Kirschner...
Auffälligerweise werden dabei gerade zwei Eckpfeiler der böhmischen Nationalernährung mit drastischer Körperlichkeit beworben. So findet in der Reklame zusammen, was zusammen gehört: Fleisch, Bier und Sex - die Dreifaltigkeit des ungetrübten Mannseins.
Vor nicht allzu langer Zeit konnte man sich in kaum einer Kneipe Tschechiens der Werbung für eine neue Biersorte entziehen, die auf Deutsch etwa Samt-Bier heißen würde. So seidig der Schaum, so samtig der Abgang, dass eine auf den Plakaten zufällig anwesende nackte Frau nicht davon Abstand nehmen konnte, sich in der Schaumkrone des abgebildeten Bieres zu räkeln wie in der heimischen Badewanne, während ihre schlanken Beine über den Glasrand wippten, bis hinunter zum Eichstrich. Langjährige Werbefernsehzuschauer werden sich noch an Frau Tilly und ihr Geschirrspülmittel erinnern, das auf Frauen einen magischen Zwang ausübte, wenigstens ihre Hände darin zu baden.
Langjährige Cocktailtrinker dürften wiederum daran denken, dass in einen guten Martini ja schließlich auch eine Olive gehört. Die gemeinen böhmischen Biertrinker aber riefen wie mit einer Stimme: "O lass mich Dein Badewasser schlürfen!", und waren gerührt von ihrer eigenen Hingabe. Schließlich war das doch etwas ganz anderes als die Kampagne einer Brauerei aus dem Prager Umland, die lange Zeit versuchte, unzureichend bekleidete Damen zum Genuß ihres Bieres zu überreden. "Heute schon Deinen Bock probiert?", wurde jede von ihnen gefragt. Und dabei waren sie doch ganz offensichtlich vollauf damit beschäftigt, ihre Hemdchen so rauf- und runterzuziehen, dass es tatsächlich beinah so aussah, als würden sie beabsichtigen, Teile ihres enormen Busens zu bedecken. Kurzum, sie hatten gewiss keine Hand mehr frei für einen Halbliter des guten Bockbieres, um das es natürlich ausschließlich ging. So dass letztlich doch wieder die Männer alles trinken mussten.
Zum Trinken gehört aber auch das Essen, und zum Bier die Wurst. Eine mittelböhmische Selcherei hat es sich buchstäblich auf die Fahnen geschrieben, den sexualisierten Konsumenten auch hier nicht mit dem bloßen Produkt allein zu lassen. Auf ihrem noch aus der Vorkriegszeit stammenden Emblem verspeist ein androgyn wirkender Mann eine Knackwurst in einer Weise, die in späteren Jahren unzähligen Soft-Erotikfilmen als Vorlage gedient haben könnte. Seien wir aber nicht ungerecht: Mit dem Logo, das in allen tschechischen Supermärkten zu finden ist, setzt die Wurstwarengesellschaft zugleich einen Meilenstein der Toleranz. Denn in einem Land, das gleichgeschlechtlicher Liebe eher reserviert gegenübersteht, könnte man in dem Markenzeichen die einzige gesamtgesellschaftlich akzeptierte Darstellung homosexueller Praktiken sehen. Dass dies kein unrechter Blick auf einen harmlosen Wurstesser ist, beweist zuletzt eine aktuelle Werbung auf der Internetseite der gleichen Firma. Dort ist die Unterleibsfotografie einer jungen Dame zu sehen - der Busen ist gerade noch ins Bild gerutscht. Gedankenverloren zupft sie an ihrem viel zu engen Höschen herum. Man wundert sich schon kaum noch, dass es sich dabei um eine Reklame für die nebenstehend abgebildete Dauerwurst handelt. Und tatsächlich kann niemand sagen, dass das Motiv nicht sinnfällig gewählt wäre. Denn die Bildunterschrift lautet: "Nicht auf die Größe kommt es an. Was zählt, ist nur die Ausdauer. Versuchen Sie es selbst." Versuchen wir es also selbst. Aber seien wir nicht enttäuscht. Die Salami kann 90 Tage. Und das bei nur 15 Grad Celsius.