Ausstellung "Fußball! 1934 - 2004" gleicht Hall of Fame des tschechischen Fußballs

Im heutigen Sportreport wird Ihnen Lothar Martin eine Ausstellung näher bringen, die seit Monatsbeginn im Prager Nationalmuseum zu sehen ist.

Dem Sport an sich und dem Fußball im Besonderen werden Merkmale wie Dynamik, Emotion und Unterhaltung zuerkannt. Also Dinge, die uns aufrütteln und in Atem halten. Doch es geht auch anders, man kann dem Fußballsport auch Ruhe, Entspannung und Besinnung abgewinnen. Wie soll das gehen, werden Sie sich fragen. Ganz einfach: Wenn Sie sich in der nächsten Zeit bis zum 31. März 2005 für einige Stunden oder Tage in Prag aufhalten sollen, dann versäumen Sie es nicht, auch das Nationalmuseum am oberen Ende des Wenzelsplatzes und in diesem die Ausstellung "Fußball! 1934 - 2004" zu besuchen. Wie ihr Untertitel "70 Jahre seit dem römischen Finale" verrät, kann man in dieser Ausstellung vor allem die Erfolge des tschechoslowakischen und tschechischen Fußballsports seit der denkwürdigen WM-Finalteilnahme vor genau 70 Jahren bewundern. Was, Sie kennen die tschechoslowakischen Protagonisten des römischen WM-Finales von 1934 überhaupt nicht? Das ist kein Beinbruch, denn auch jüngere, erfolgreiche Vertreter des tschechischen Fußballs hatten in ihren Jugendjahren noch nie etwas von ihnen gehört. Einer von ihnen ist der heute 52-jährige Zdenek Nehoda, ein gefürchteter Torschütze der 70er und 80er Jahre, der mit Panenka, Viktor & Co. 1976 im dramatischen EM-Finale von Belgrad stand, als die Auswahl der damaligen CSSR jene der Bundesrepublik Deutschland nach einem 2:2 nach Verlängerung mit 5:3 im Elfmeterschießen bezwang. Nehoda antwortete nämlich auf meine Frage, ob ihm die Vizeweltmeister von 1934 bekannt oder gar ein Vorbild waren, wie folgt:

"Nun, die Namen der tschechoslowakischen Spieler, die im WM-Finale von 1934 standen, haben mir als junger Bub noch nichts gesagt. Später habe ich mich natürlich dafür interessiert und herausgefunden, wer zum Beispiel ein Frantisek Plánicka oder ein Oldrich Nejedlý gewesen sind. Mir persönlich haben die tschechoslowakischen Kicker der 60er Jahre imponiert, und zwar ganz konkret jene, die 1962 im WM-Finale in Santiago de Chile standen. Allen voran Josef Masopust, der später mein Trainer wurde und mit dem ich heute befreundet bin. Also, es war die Generation der 60er Jahre, die mich dahingehend beeinflusst hat, mich selbst aktiv dem Fußballsport zu widmen."

Und das ziemlich erfolgreich. Neben dem Gewinn des Europameistertitels 1976 gewann Nehoda mit der Mannschaft der Tschechoslowakei 1982 EM-Bronze und er gehörte jener U-23-Auswahl an, die sich 1972 im EM-Wettbewerb dieser Alterskategorie durchsetzte. Sein jahrelang bestehender tschechischer Rekord von 90 Länderspielen wurde erst in diesem Jahr von Karel Poborský gebrochen, mit 31 Länderspieltoren liegt er auf Rang 3 der besten tschechischen Auswahltorjäger hinter Antonín Puc (34) und Jan Koller (32). Ein noch besserer Goalgetter seiner Zeit war jedoch der 1913 in Wien geborene Sohn tschechischer Eltern, der inzwischen verstorbene Josef Bican. Da Bican zu Beginn der 30er Jahre sowohl für Rapid und Admira Wien als auch das so genannte österreichische Wunderteam stürmte, ehe er 1937 zu Slavia Prag und 1938 ins tschechoslowakische Nationalteam wechselte, hat der nachweislich weltbeste Torjäger aller Zeiten sich in den tschechoslowakischen bzw. tschechischen Rekordlisten nicht mit entsprechendem Nachdruck verewigen können. Dennoch war Bican auch für Nedoda ein ganz außergewöhnlicher Spieler, dem er auch begegnet ist.

Josef Bican  (Foto: Slavia Praha)
"Mit Herrn Bican habe ich mich zu dessen Lebzeiten selbstverständlich getroffen. Josef Bican hat, was mich sehr erfreute, stets verkündet, dass er mich als Torjäger anerkennt. Diese Wertschätzung von ihm habe ich immer als eine große Ehre für mich angesehen, denn Bican war ein wirklich außergewöhnlicher Goalgetter, der nicht jeden Fußballer an seiner Seite akzeptierte. Aber auch wir beide haben uns später angefreundet, in Aufzeichnungen habe ich ihn auch spielen sehen, doch leider schon nicht mehr auf dem Platz mit eigenen Augen."

Den ganz Großen des tschechoslowakischen bzw. tschechischen Fußballs wie eben Josef Bican, Josef Masopust und Pavel Nedved wird auf dieser Ausstellung besonderes Augenmerk geschenkt. Man kann ihre Biographien nachvollziehen oder aber den "Goldenen Ball" bestaunen, den Masopust vor 42 Jahren und Nedved im vergangenen Jahr als Siegertrophäe für den Titel "Europas Fußballer des Jahres" überreicht bekamen. Apropos Pavel Nedved. Zdenek Nehoda arbeitet heute als Spielerberater und ist - was für ein Zufall - auch der persönliche Manager des aktuellen Mittelfeldstars von Juventus Turin. Wegen einer im EM-Halbfinale gegen Griechenland erlittnen Knieverletzung wollte sich Nedved in diesem Herbst eigentlich voll und ganz auf seinen ihn bezahlenden italienischen Verein konzentrieren und sich in der tschechischen Nationalmannschaft eine schöpferische Pause gönnen. Ein Vorhaben, das man dem langmähnigen Nedved hierzulande angesichts der laufenden WM-Qualifikation mehr oder weniger übel nahm, weshalb sich der 32-Jährige dazu entschloss, seine Auswahlkarriere vorzeitig für beendet zu erklären. Zu dieser überraschenden Entscheidung erklärte mir Zdenkek Nehoda:

"Ich will es so sagen: Wir haben dazu einen offiziellen Standpunkt veröffentlicht. Zu diesem Entschluss haben Pavel hauptsächlich zwei Dinge bewegt: Zum ersten war da seine unglückliche Knieverletzung, die eine langfristige Behandlung erfordert. Gott sei Dank verläuft der Heilungsprozess bisher sehr gut, doch noch ist Pavel nicht wieder zu 100 Prozent fit. Zum zweiten war es so, dass man ihn als Menschen, der zehn Jahre lang sein Maximum für den tschechischen Fußball getan hat, wegen der Auswahlpause ziemlich heruntergemacht hat und ihm eigentlich keine Zeit zur völligen Ausheilung geben wollte. Das hat letztlich dazu geführt, dass er diese Entscheidung getroffen hat. Seitdem ist er wieder frei im Kopf, er ist glücklich, denn der Heilungsprozess geht voran und er spielt gut in seinem Verein. Ich denke nur, es ist sehr schade für den tschechischen Fußball, dass Pavels Auswahlkarriere ein solches Ende nehmen musste, wie es genommen hat."

Das vorläufige Ende von Pavel Nedveds Auftritten im Dress der tschechischen Nationalmannschaft - erste Anzeichen sprechen dafür, dass Nedved in dieser Sache seinen definitiven Schlusspunkt noch nicht gesetzt hat - ist jedoch noch das kleinere Problem, das Nehoda derzeit Sorge macht. Vielmehr drückt auch ihm die anhaltende Korruptionsaffäre im tschechischen Clubfußball aufs Gemüt. Es vergeht seit dem Frühjahr eigentlich kein einziger Monat, in dem nicht weitere negative Enthüllungen bekannt werden. Und so sieht denn auch Nehoda die Ausstellung nur als ein kleines Trostpflaster dessen, dass der tschechische Fußball wesentlich besser war und ist, als sein jetziger Ruf.

"Ja, das ist selbstverständlich etwas unglücklich, dass der tschechische Fußball gerade jetzt diese Korruptionsaffäre durchmacht, auch wenn man sagen muss, dass es so etwas schon früher gab und dass selbst Fußballnationen wie Deutschland oder Italien nicht von solch einem Skandal verschont geblieben sind. Dennoch wäre ich froh, wenn diese Affäre schon bald beendet würde, wenn man den tschechischen Fußball wieder ausschließlich als einen sauberen Sport betrachten kann. Aber ich denke, dass die Ausstellung gerade in dieser Zeit ein wenig den Gedanken verdrängen kann, unseren Fußball nur als einen schmutzigen Sumpf zu betrachten."

Angesichts der jüngsten Enthüllungen, nach denen es tschechische Fußballfunktionäre auch dann nicht für nötig halten, von ihrer Funktion zurück zu treten, wenn schwerwiegende Vorwürfe gegen sie laut werden, ist dies jedoch nur ein frommer Wunsch. Daher wollen wir schon nichts mehr hineininterpretieren, sondern Ihnen die Ausstellung "Fußball! 1934 - 2004" ganz einfach nur sehr empfehlen. Der zentrale Saal des Nationalmuseums ist zu diesem Zweck wie ein Trophäensaal bzw. wie die Hall of fame des tschechoslowakischen resp. tschechischen Fußballs konzipiert worden. Hier sind die Artefakte der größten Erfolge des hiesigen Fußballs zu sehen, zum Beispiel die WM-Silbermedaillen von 1934 und 1962 oder aber die EM-Goldmedaille von 1976. Und was hält Nehoda von dieser Ausstellung?

"Ich denke, die Ausstellung ist eine großartige Idee der Leitung des Nationalmuseums, da der Fußball sowohl in Tschechien als auch in der ehemaligen Tschechoslowakei stets ein Phänomen war und ist. Ich denke, dass sich nahezu Jeder in Tschechien für Fußball mehr oder weniger interessiert. Aber diese Ausstellung bestätigt nicht nur, dass der Fußballsport auch heutzutage noch ein Volksvergnügen ist, sondern auch - wie es Ausstellungsleiter Michal Stehlík auf der Pressekonferenz sagte -, dass der heutige Fußball auch politische und ökonomischen Komponenten enthält und er praktisch zu einem gesellschaftlichen Ereignis und damit zu einem Bestandteil unseres Lebens geworden ist. Daher meine ich, dass diese Ausstellung auch hierher gehört, und dass vor allem die junge Generation die Gelegenheit erhält, sich ein Bild über die Geschichte unseres Fußballs zu machen. Und ich denke, dass sie durchaus stolz auf diese Geschichte sein kann."

Also dann, nutzen Sie die verbleibenden Herbstwochen und die Wintermonate, um sich die tolle Ausstellung zum Thema Fußball in Prag anzusehen.