Grenzüberschreitende Zusammenarbeit: Projekte zum tschechisch-österreichischen Austausch

Tanzgruppe Filigrau
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In tschechischen Grenzregionen hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Als Gang und Gebe gilt manchenorts auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Im Vorjahr habe ich bei einem Aufenthalt in Brno eher durch Zufall von einem interessanten Projekt der tschechisch-österreichischen Kooperation im kulturellen Bereich erfahren, das seit einigen Jahren in Südmähren, Südböhmen und Oberösterreich umgesetzt wird. In einem Gespräch mit dem Koordinator des Projektes auf der tschechischen Seite, Florian Tilzer, habe ich mich klug gemacht. Hören Sie die neue Folge unserer Sendereihe Regionaljournal.

Florian Tilzer: Alter - weiß ich nicht, wo kommen Sie her, weiß ich auch nicht. Vielleicht sagen Sie es mir selbst?

"Ich bin 31 Jahre alt und komme ursprünglich aus Tirol, Österreich. Geboren bin ich in St. Anton, in einem typischen Wintersportort in den Bergen."

Was war der Impuls, der Sie nach Tschechien geführt hat?

"Ich sage immer, meine Vorfahren haben mich gerufen, weil ich tatsächlich hier Wurzeln habe, und zwar in Mähren. Mein Urgroßvater ist in Olmütz geboren worden. Es waren allerdings deutschsprachige Mährer, die nach dem 1.Weltkrieg nach Wien übersiedelt sind. Aber auch in Prag habe ich Vorfahren. Der ursprüngliche Auslöser war aber, dass ich mich einfach dafür interessiert habe nach Tschechien zu gehen, mir das Leben hier anzusehen und längere Zeit zu bleiben. Ich habe ein Stipendium für das Lektorenprogramm an Universitäten in Mittel und Osteuropa bei der Robert Bosch Stiftung beantragt und habe dieses Stipendium für zwei Jahre bekommen. Ich habe zwei Jahre als Bosch-Lektor an der Pädagogischen Fakultät, genau gesagt, am Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur in Brünn unterrichtet."

Zwei Jahre als Bosch-Lektor - insgesamt aber leben Sie in Brünn seit bereits sieben Jahren. Gefällt es Ihnen hierzulande so sehr, dass Sie so lange geblieben sind?

"Ja, es sieht so aus, dass es mir hier gut gefällt. Ich finde, es ist besonders kulturell interessant hier. Die Kultur ist auch der Bereich, in dem ich arbeite. Ich halte die tschechische Szene für sehr interessant. Gerade hier in Brünn, denke ich, gibt es viele Möglichkeiten auch noch etwas Neues aufzubauen oder mitzugestalten."

Was ist das konkret? Sie sind kulturell orientiert, wo haben Sie also jetzt sozusagen Ihren Halt gefunden?

"Das Projekt, mit dem ich jetzt beschäftigt bin, hat einen tschechischen und einen englischen Titel " Austrian Czech Cultural Cooperation" (Österreichisch-Tschechische Kulturzusammenarbeit, Anm.d.Red.). Das ist also ein Projekt, das sich, wie der Name schon sagt, mit dem tschechisch-österreichischen Kulturaustausch befasst. In erster Linie geht es darum, die Zusammenarbeit in den Grenzregionen zu fördern. Der Schwerpunkt liegt hier in den Regionen Oberösterreich, Südmähren und Südböhmen und ich bin hier auf der tschechischen Grenze ein Koordinator. In diesem Projekt geht es darum, die Kulturszene zu vernetzen, d.h. Kontakte zu vermitteln, die Leute zu informieren und es zu ermöglichen, dass grenzüberschreitende Projekte realisiert werden, oder dass tschechische Künstler bzw. Gruppen Auftrittmöglichkeiten in Österreich haben, und auch umgekehrt. Wir veranstalten verschiedene Seminare, zum zweiten Mal organisieren wir auch in diesem Jahr eine größere Konferenz zum Kulturaustausch. Eine andere Geschichte ist die Vermittlung von Know-how zum Bereich der grenzüberschreitenden Kulturarbeit. Wir haben zwei Handbücher herausgegeben - eines über die Medienlandschaft in Österreich und Tschechien, auch mit konkreten Anleitungen zu Pressearbeit und einem Verzeichnis der wichtigsten tschechischen und österreichischen Tageszeitungen, Zeitschriften und Radiosender mit Adressen und Telefonnummern an entsprechende Redakteure. In der zweiten Publikation geht es um Finanzierungsmöglichkeiten in der grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit. Das ist also ein Arbeitsbereich, in dem ich jetzt arbeite. Ein anderer Bereich, der mich sehr interessiert, ist zeitgenössischer Tanz. Ich bin hier in Brünn auch zu einer Tanzgruppe gestoßen. Die Gruppe, in der ich seit etwa sechs Jahren tanze, heißt Filigran. Mit dem Tanz habe ich erst hier angefangen."

Sie sagen "zeitgenössischer Tanz.". Was kann man sich darunter vorstellen?

"Es ist immer schwierig zu definieren. Das hat etwas mit Tanztheater zu tun. Es ist etwas, was auf der Bühne gezeigt wird. Viele Leute würden vielleicht sagen, dass es mit dem Tanz nichts zu tun hat. Es ist eben Bewegungstheater."

Es geht, nehme ich an, nicht nur um eine Freizeitgestaltung einer Gruppe junger Menschen. Daher meine Frage: Sehen Sie sich auch als Bestandteil der Kulturszene hier in Brno?

"Das sehe ich auf jeden Fall so. Wir befinden uns hiermit in der Position einer semiprofessionellen Gruppe. Das ist ein Unwort, das es dafür gibt. Das heißt, irgendwie gelten wir als Amateure, aber wenn wir jetzt z.B. bei Amateurfestivals auftreten, dann sagt man uns, wir haben hier nichts verloren. Wenn wir an professionellen Festivals teilnehmen, dann hat man uns dort wieder nicht so gerne. Wir sind damit in einer Zwischenposition. Das Wort "Amateur" mag ich eigentlich recht gern. Da drinnen steckt das Wort "amare". Also man macht etwas aus Liebe zur Sache und nicht unbedingt, weil es jetzt professionell sein muss. Aber wir haben hier in Brünn das Theater Barka, mit dem wir zusammenarbeiten und wo wir auftreten. Es gibt verschiedene Anlässe. Wir haben auch schon auf der Straße getanzt und fahren nach Österreich oder wo anders hin."

Kommen wir noch einmal auf das Projekt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu sprechen. Wann wurde dieses Projekt gestartet? Können Sie auch einige konkrete Veranstaltungen nennen?

"Begonnen haben wir eigentlich schon im Jahre 2000 und seit 2002 gibt es eine fixe Partnerschaft: Dazu gehört eine finanzielle Unterstützung seitens der Europäischen Union und seitens "Kulturkontakt" - das ist ein österreichischer Verein, der solche Projekte unterstützt, hinzu kommt auch eine Unterstützung vom Bundesland Oberösterreich. Und konkrete Veranstaltungen? Wir haben im letzten Jahr ein Seminar zum Themenbereich "Finanzierung grenzüberschreitender Projekte" gemacht. Das war ein eintägiges Seminar in Österreich, wo daraus auch das erwähnte Handbuch entstanden ist. Eine große Veranstaltung, die letztes Jahr im Oktober zum ersten Mal stattgefunden hat, war die große Konferenz. Diese Konferenzen sind im Wesentlichen zweigeteilt. Es gibt hier eine Kulturkontaktbörse und in diesem Rahmen werden einerseits schwerpunktmäßig Festivals präsentiert, sowohl österreichische als auch tschechische Festivals unterschiedlichster Ausrichtung, und zwar im Bereich Literatur, sowie Festivals, die unterschiedlichste Kunstrichtungen vereinen. Die werden dort vorgestellt. Eigentlich können sich die Konferenzteilnehmer mit den jeweiligen Festivals zusammentun und über Möglichkeiten der Zusammenarbeit sprechen. Im zweiten Teil der Kulturkontaktbörse sollen tschechische und österreichische Netzwerke vorgestellt werden, bzw. auch tschechisch-österreichische Netzwerke, die es mittlerweile gibt. Zum Beispiel. das Forum für tschechisch-österreichischen Dialog, das hier auch präsentiert wird. Es gibt auch die Möglichkeit, mit den einzelnen Netzwerken in Verbindung zu treten."

Welche Resonanz finden all diese Projekte und Aktivitäten bzw. Programme?

"Das Interesse ist sehr groß. Also, wenn die Leute davon erfahren, dann ist die Resonanz sowohl von Seiten der Künstler als auch von Seiten der Institutionen, die Aktionen veranstalten oder mit Kultur zu tun haben, eigentlich sehr groß. Anders gesagt, die Bereitschaft zusammen zu arbeiten in Richtung einer weiteren Grenzöffnung ist sehr groß."

Wer etwas mehr über die grenzüberschreitende kulturelle Zusammenarbeit zwischen der Tschechischen Republik und Österreich erfahren will, zahlreiche Informationen im Internet unter www.ac-cc.net finden.