Das Prager Jesulein bekommt eine eigene Straßenbahnhaltestelle

Prager Jesulein

Ein Blick auf den Straßenbahnplan soll in Zukunft genügen, um das Prager Jesulein ausfindig zu machen. Der Stadtrat von Prag hat vergangene Woche entschieden, dass das berühmte Pilgerziel noch in diesem Jahr eine eigene Straßenbahnstation erhält. Sabine Winter berichtet.

Hoch oben auf einem Marmoraltar thront es - das Prager Jesulein. Jedes Jahr kommen hunderttausende Besucher aus allen Ecken der Welt, um einen Blick auf die 47 Zentimeter große Wachsfigur zu erhaschen. So manchem Pilger bleibt dieser Blick jedoch verwehrt. Nicht etwa, weil er ungeduldig ist und sich nicht in die Schlange einreiht, die sich tagtäglich vor dem Prager Jesulein bildet. Nein, er findet die Christusstatue einfach nicht. Denn anders als die meisten Prager Touristenziele hat das Jesulein keine eigene Straßenbahnhaltestelle. Petr Sleich ist Priester in der Kirche St. Maria Victoria, in der die weltberühmte Figur seit 1628 aufbewahrt wird. Er kennt die Sorgen und Nöte der Pilger:

"Die Besucher hatten wirklich Probleme. Es gab in den vergangenen Jahren auch immer wieder Klagen. Manche sagten, dass es sehr schwer war, uns in Prag zu finden."

Das soll sich nun ändern. Nach einem Entscheid des Prager Stadtrates soll die Straßenbahnstation "Hellichova", die nur ein paar Schritte von der Kirchenpforte entfernt ist, noch in diesem Jahr in "U Prazského Jezulátka" / "Beim Prager Jesulein" umbenannt werden. Die Meinung von Prager Fremdenführern über diese Maßnahme geht auseinander:

"Die Umbenennung ist notwendig, weil viele Leute nicht wissen, wo das Jesuskind ist." "Manche Leute suchen das Prager Jesulein. Der Maler Hellich war auch ein guter Mann, aber das Jesuskind ist für unsere Stadt wichtiger." "Die Haltestelle Hellichová kennen 70 Prozent der Prager, U Praského Jezulátka vielleicht zehn Prozent."

Petr Sleich ist über die Umbenennung der Straßenbahnstation erfreut, weil sie Pilgern den Weg zur Kirche St. Maria Viktoria und damit zum Jesuskind erleichtert. Er selbst ist der Faszination um die aus Spanien stammende Wachsfigur erst nach und nach erlegen:

"Als ich hierher kam, wirkten all diese Kleider und Kostüme erst etwas befremdend auf mich. Aber nach mehreren Jahren an diesem Ort der Begegnung, an dem ich auf Menschen aus der ganzen Welt treffe, empfinde ich es als ein ganz besonderes Umfeld."

Dem Prager Jesuskind werden verschiedenartige Wunder zugeschrieben. So soll es etwa eine Pestepidemie von der tschechischen Hauptstadt abgewendet haben. Prächtige Votivgaben zeugen von der Dankbarkeit, mit der Menschen aus der ganzen Welt dem Prager Jesulein begegnen. Unter den Geschenken finden sich rund 70 bunt bestickte Kleider, die zum Teil sehr kostbar sind, wie Petr Sleich betont:

"Ich würde das älteste Kleid erwähnen: Ferdinand III. schickte es Mitte des 17. Jahrhunderts. Wenn man dieses Kleid sieht, sieht man das Gewand eines echten Königs. In diesem Moment kann man nicht sagen, das Jesulein ist als König verkleidet. Es ist ein wahrhafter König."

Je nach Abschnitt des Kirchenjahres wird die Wachsfigur mit einem anderen Gewand bekleidet. Die meisten Kleider sind in liturgischen Farben - ähnlich wie die eines Priesters. Während der gesamten Fastenzeit trägt das Prager Jesuskind violett. Am Ostersonntag wird ihm dann ein weißer Mantel mit goldener Stickerei umgelegt.