Halden als integraler Bestandteil der Natur

Foto: Petr Štefek, Creative Commons 3.0
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Unter dem Stichwort "Halde" findet man zwei Grunddefinitionen. Die erste besagt: Meist im freien angelegtes Vorrats- bzw. Zwischenlager für Nutzstoffe, die zum Zeitpunkt ihrer Einlagerung nicht benötigt werden. Die zweite Definition spricht von der Deponie für Rest- und Abfallstoffe. Die letzte passt zum Thema des heutigen Regionaljournals. Ich will nur noch verraten, dass es sich um Bergehalden in der Region um das mittelböhmische Kladno handelt, wo die Natur zum Teil noch selbst regiert. Mit welchem Resultat, erfahren Sie von Jitka Mladkova und ihrem Gesprächspartner. Außerdem auch, wie man in Duba, einer Kleinstadt in Nordböhmen, Arbeitslose beschäftigt:

Foto: Petr Štefek,  Creative Commons 3.0
Wer kennt sie nicht, die Haldenkörper in bestehenden bzw. ehemaligen Bergbaugebieten? Sie verleihen der jeweiligen Gegend zumeist ein ödes, tristes, fast morbides Aussehen. Dies trifft aber auf die Region von Kladno nicht ganz zu, denn dort sind viele Halden zum integralen Bestandteil der Landschaft geworden, faktisch ohne Eingriff der Menschen! Nun, was soll man mit diesen künstlichen Hügeln, die nicht mehr künstlich aussehen, anfangen? Mit dieser Frage sah sich ein Expertenteam des Prager Instituts für Ökologie konfrontiert, das im Rahmen eines Projektes, unterstützt vom tschechischen Umweltministerium, 24 von insgesamt 36 Bergehalden in der Umgebung von Kladno erforschen und ein Konzept für den Umgang mit den betreffenden Lokalitäten vorschlagen sollte. Zu welcher ausschlaggebenden Erkenntnis es dabei kam, sagte uns der Teamleiter Tomas Gremlica:

"Die Schlüsse unserer Studie beinhalten die Feststellung, dass sich die Mehrheit der von uns erforschten Lokalitäten im Laufe der Zeit dank der ökologischen Fortentwicklung erholt hat. Die meisten Haldenlokalitäten sind in naturwissenschaftlicher Hinsicht sogar sehr wertvoll und erweisen sich heute als ein Reservoir der Biodiversität für die landwirtschaftlich genutzte Umgebung."

Es lässt sich also sagen, dass sich die Natur selbst mit den Halden zu helfen wusste, wie Tomas Gremlica bestätigt:

"In der absoluten Mehrheit der betreffenden Orte und namentlich dort, wo die Haldeneinlagerung vor 50, 60 oder 100 Jahren beendet wurde. Dass es sich hierbei um Halden handelt, kann im Prinzip nur noch ein Sachkundiger erkennen, nicht jedoch der Laie. Die Halden sind schon in der Landschaft vollkommen integriert."

Die Autoren der Studie empfehlen, diese Ex-Halden so wie sie sind, ruhen zu lassen und keine Eingriffe von Außen vorzunehmen. Doch auch bei den Jüngeren, wie z.B. bei der quasi noch frischen Bergehalde in der Nähe des Bergwerks Nosek in Tuchlovice, die erst seit 1997 nicht mehr ihren Zwecken dient, sind nach Meinung der Autoren höchstens nur minimale Eingriffe erwünscht. Freie Hand soll hier nur die Natur haben. Wie steht es aber um das Landschaftsbild, das von Halden geprägt wird? Dazu Tomas Gremlica:

"Die großen bzw. großflächigen Halden, wie die in Tuchlovice, sehen einige Fachleute natürlich als einen Störfaktor in der Landschaft. Die ökologische Fortentwicklung ist aber tatsächlich ein mächtiges Instrument der Natur, das die negativen Spuren der menschlichen Tätigkeit löscht."

Man sagt, die Zeit heile alle Wunden, und auch die Bergehalden rings um Kladno scheinen das zu bestätigen. Bei deren Untersuchung wurden 185 wertvolle Pflanzenarten gefunden, von denen 30 auf der so genannten Roten Liste der Tschechischen Republik zu finden sind, weil sie entweder als ausgestorben oder als höchst bedroht bzw. als bedroht gelten. Auch bei der Suche nach Haldenbewohnern aus der Tierwelt waren die Wissenschaftler fündig: registriert hat man hat 27 besonders geschützte Arten von Wirbeltieren und 140 Falterarten. Wie soll man also mit diesen eigenartigen "Produkten" des Industriezeitalters umgehen? Tomas Gremlica und seine Kollegen vom Institut für Ökopolitik vertreten hierzu eine revolutionierte Position:

"Wir schlagen ein relativ wenig traditionelles Vorgehen mit Halden vor. Wir gehen davon aus, dass es sich hierbei um ein Erbe handelt, das man kultivieren und weiterentwickeln muss. In der Region von Kladno gibt es sowohl die landwirtschaftliche als auch die industrielle Landschaft und die Halden gehören zum letzteren Typ von Landschaft. Eine flächendeckende Rekultivierung der Haldenlandschaft gilt als unnötige Ausgabe von öffentlichen Geldern. Außerdem schadet sie der Landschaft selbst - ihrem Bild und ihren ökologischen Funktionen."

Seefrosch/Rana ridibunda,  foto: Archiv ČRo7
Also, liebe Naturfreunde, wenn Sie einen Unterbrochenen Windhalm/ Apera interrupta, oder einen Seefrosch/Rana ridibunda, einen Wespenbussard/Pernis apivorus oder aber einen Pirol/ Oriolus oriolus und andere seltene Pflanzen bzw. Tiere sehen möchten, haben wir Ihnen gerade einen Geheimtipp gegeben.

Und nun aus der Haldenregion von Kladno nach Duba in Nordböhmen. Damit auch ein Themawechsel: Duba ist eine kleine Stadt mit knapp 1 800 Einwohnern, von denen traditionsgemäß im Winter um die 13 Prozent arbeitslos sind. Das Stadtamt ist bemüht, wenigstens einem Teil von ihnen unter die Arme zu greifen. Bürgermeisterin Hana Pejpalova sagte uns dazu...

"In einer besonders schweren Lage befinden sich junge Mütter, die ihrer kleinen Kinder wegen nicht so mobil sind, um sich Arbeit außerhalb von Duba zu suchen. Außerdem gibt es bei uns relativ viele Menschen, die kaum Arbeit finden, weil sie schon über 50 Jahre alt sind."

Pirol/ Oriolus oriolus,  foto: Dixi,  Creative Commons 3.0
Aber auch in der Umgebung von Duba, z.B. in Melnik, Ralsko oder Ceska Lipa, gibt es nicht viele Arbeitsmöglichkeiten. Weil sich die Stadt in einem Erholungsgebiet befindet, sieht es hier jeweils im Frühjahr und Sommer dank eines besseren, saisonbedingten Arbeitsangebotes, wie etwa in der Landwirtschaft, in verschiedenen Erholungsheimen oder auf dem nahe gelegenen Campingplatz, etwas besser aus. In diesem Zeitraum kann auch gemeinnützige Arbeit verrichtet werden, die durch das zuständige Arbeitsamt subventioniert wird. Die Bürgermeisterin von Duba fragte ich, wie groß das Interesse für die letztgenannte Art von Arbeit ist:

"Das Interesse ist relativ groß, namentlich bei der Altersgruppe über 50 Jahre, für die es tatsächlich schwerer ist, einen Arbeitsplatz zu finden. Ich würde sogar sagen, dass die Nachfrage größer ist als das Angebot. Die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich ist limitiert."

Der Tschechische Rundfunk hat sich dieser Tage direkt vor Ort umgehört, konkret bei zwei Frauen, die eine Straße von Duba reinigten. Beide über 50 Jahre alt. Nach der Entlassung aus Betrieben, die Pleite machten, zunächst arbeitslos, jetzt bei der Straßenreinigung, aber immerhin beschäftigt. Hier die Antwort einer von den beiden Frauen auf die Frage nach dem Lohn:

"Pro Monat verdienen wir 6000 Kronen brutto, nach Abzügen fünfeinhalb netto. Im Winter sind wir zu Hause und bekommen 2 700 Kronen Arbeitslosengeld. Das sind natürlich nur Almosen. Jeden Monat zahle ich 3 300 Kronen für die Wohnmiete und mein Mann bringt 7 000 nach Hause. Was kann man damit anfangen? Man lebt von einem Monatslohn zum anderen."

Und was sagen die Frauen dazu, dass sie sich dank ihrer gemeinnützigen Arbeit um eine saubere Stadt verdient machen?

" Ja, es ist schon sauber hier! Unsere Bürgermeisterin quittiert es auch, dass in der Stadt Ordnung herrscht. Wir kehren die Straßen, mähen Rasenflächen, die Männer verrichten verschiedene Maurerarbeiten. Kurzum, wir machen alles, was sich da so anbietet."

Noch eine Frage: War es nicht am Anfang doch ein Problem, sich auf der Straße mit einem Besen oder einer Schaufel sehen zu lassen? Nicht leicht, oder?

"Es war mir zunächst sehr peinlich, aber wir haben uns daran gewöhnt. Ich habe die Leute lieber gar nicht angeguckt."

Gefühle hin, Gefühle her, Arbeit ist Arbeit, auch wenn am Abend die Beine wehtun und man fast gleichzeitig mit dem Sandmännchen schlafen geht, sagen beide Straßenarbeiterinnen nicht ohne Humor.