Milos Sykora opferte sein Leben, um eine Brücke zu retten
60 Jahre Kriegsende - das ist auch das Leitmotto unserer Miniserien "Erinnerungen". Jana Horakova, Leiterin der Gedenkstätte des Zweiten Weltkrieges in Hrabyne, las für Radio Prag aus den Memoiren des Teilnehmers am Befreiungskampf um das nordmährische Ostrava, Alexander Hroch. Am Mikrophon ist Lothar Martin:
An der Kreuzung am Warenhaus Aso stand um fünf Uhr Nachmittags ein Panzer mit der Nummer 051. Der Panzerkommandant war Nikolai Ivasjuk, Sascha Hroch chauffierte. Panzerkommandant Ivasjuk machte sich auf, die Umgebung zu erkunden, der Panzerfahrer blieb mit Ahepjuk, dem Schützen, zurück. Der sagte mir, dass die nahe Brücke vermint sei und ich erwiderte ihm, er sei feige. Über wie viele Brücken sind wir schon gefahren! Ahepjuk ist kein Feigling, das weiß ich gut. Auch ich habe keine Lust zu sterben. Ivasjuk kam zurück und bestätigte, dass Ivan Recht hatte. Er habe Sprengstoff gesehen. Punkt 19 Uhr sollen wir die Meldung an den Bataillonskommandanten abgeben, dass wir schon drüben seien. Ahepjuk ist es gelungen, mit Gregor´s Panzer Funkkontakt zu knüpfen - die befanden sich irgendwo in der Nähe des Neuen Rathauses, aber dessen hoher schlanker Turm, den wir bei der Einfahrt in die Stadt gesichtet haben, ist jetzt nicht zu sehen. ... Zu diesem Zeitpunkt bekommen wir den Befehl, über die Brücke in Richtung Schlesisch-Ostrau zu fahren. Ich frage die Jungs, was sie dazu sagen. Kein Mucks war zu hören, niemand von uns wollte sterben. Fast alle Frontlinien hinter sich zu lassen und dann im vielleicht letzten Graben zu sterben, wenn sich am Horizont schon etwas Anderes abzeichnet, ein neues Leben! Der Kontaktmann des Bataillonskommandanten überbringt uns den Befehl, sofort über die Brücke zu passieren. Zwei junge Männer, von denen einer Milos Sykora hieß, boten sich an, die Zündschnur der Sprengstoffladung zu durchschneiden. Nach kurzem Überlegen reichte ihnen Ivasjuk eine Leuchtpistole mit roten und grünen Leuchtkugeln und eine Drahtschere. Die Jungs machten sich auf den Weg zur Brücke. Erst später hat die Panzerbesatzung erfahren, dass es Angehörige des antifaschistischen Widerstandskampfes waren. Das sei tatsächlich die einzige Möglichkeit, den Sprengstoff zu entschärfen. Milos Sykora war entschlossen. Als er Ivan Ivasjuk mit zitternder Stimme erklärte, was er machen wollte, hatte dieser zunächst kaum Lust, ihn ernst zu nehmen. Er dachte, vor ihm stünde ein unerfahrener junger Mann, der gerne die Rolle eines Helden spielen wollte. Er wartete, wie es weiter geht. Es vergehen lange Sekunden und Minuten. Sykora ist mittlerweile schon unter der Brücke. Der Sprengstoff war an den Brückenpfeilern befestigt. Flink durchkletterte er die Brückenkonstruktion über dem Wasserpegel und durchschnitt die Drähte. Nach der Entschärfung der letzten Sprengstoffladung zog er die Signalpistole aus der Hosentasche, lud sie mit einer grünen Kugel auf und schaute unter der Brücke hervor. Er schaffte es allerdings nicht mehr, zu schießen, weil er im selben Moment von den Kugeln eines deutschen Maschinengewehrs getroffen wurde. Sykora war tot und stürzte in den Fluss. Ivasjuk wusste es nicht und wartete vergeblich auf das vereinbarte Signal. Dann forderte er die Maschinengewehrschützen auf, vom Panzer zu steigen. Es sei nicht nötig, weitere Leben zu riskieren, meinte er und befahl: Vorwärts! Der Panzerfahrer drückte langsam die Fahrthebel runter. Der Panzer setzte sich in Bewegung und nahm zunehmend Geschwindigkeit auf.