Der Traum von einem städtischen Archäologiemuseum
Das Prager Stadtmuseum steht in einem kleinen Park nahe dem Busbahnhof und der sogenannten Prager Magistrale. Schon bei der Eröffnung im Jahre 1900 war klar, dass die Räumlichkeiten für das Museum einer Großstadt allzu beengt sind. Aber erst jetzt, 120 Jahre später, gibt es Pläne für den Bau eines neuen Gebäudes. In diesem könnte ein Museum für Archäologie untergebracht werden.
„Unsere Ausstellungen konzentrieren sich in der Regel auf die Geschichte, manchmal auch auf die Gegenwart, aber nur selten haben wir die Zukunft zum Thema. Die neue Schau verbindet alle drei Zeitebenen. Im Blickpunkt steht dabei Těšnov – also der Ort, an dem unser Museumsgebäude steht. Wir zeigen hier Entwürfe von Architekturstudenten der Technischen Universität in Prag. Es handelt sich um zwei Serien von Arbeiten. 2014 entwarfen die Studierenden im Auftrag des Stadtmuseums ein Gebäude für ein Prager Archäologiemuseum. Der Grund war, dass wir unzählige archäologische Funde in unseren Sammlungen haben. Diese können wir derzeit aber nur in einem einzigen Saal im Hauptgebäude zeigen. Nach den Entwürfen der Studierenden sind einige Jahre später noch in einem Atelier die Entwürfe für ein zweites Museumsgebäude entstanden.“
Siedlung Těšnov
Das neue Gebäude soll den bisherigen Vorstellungen nach fast gegenüber dem jetzigen Museum entstehen. Das ist jenes Grundstück, auf dem früher der Bahnhof Prag-Těšnov stand. Dieser wurde in den 1980er Jahren angeblich wegen der Prager Stadtautobahn, der sogenannten „Magistrale“, stillgelegt. Vor genau 35 Jahren wurde das prächtige Bahnhofsgebäude in die Luft gesprengt. Dabei hatte es noch Ende der 1970er Jahre Überlegungen gegeben, den Bau in ein Museum umzuwandeln. Genau an diese Idee wird in der neuen Ausstellung erinnert. Der Ort Těšnov, nach dem 1875 einer der beiden Prager Kopfbahnhöfe benannt wurde, hat eine längere Geschichte. Pavla Státníková ist Kuratorin der Ausstellung:„Těšnov war eine kleine Siedlung, über die nur wenige Berichte erhalten sind. Der Name wird schon in mittelalterlichen Dokumenten erwähnt. Ende des 15. Jahrhunderts verschwand die Ortschaft. Stattdessen entstand dort die Befestigung der Prager Neustadt, die von Karl IV. gegründet wurde. Im 17. Jahrhundert wurde eine neue Barockbefestigung erbaut. Am Ende der Straße Peterská befand sich damals das Peterstor, das auch das Spitaltor genannt wurde. Später wurde das Tor verlegt, an den Ort, an dem heute die Straße Na Poříčí in einen kleinen Platz mündet, über den die Magistrale führt. Těšnov wurde zu einem Ortsnamen, obwohl es die entsprechende Siedlung nicht mehr gab.“
Die Ausstellung zeigt zuerst auf einigen Bildern, wie es früher zwischen dem damaligen Prager Stadtrand und dem Spitalfeld aussah.„Sie beschreibt anschließend den Abriss der Prager Stadtbefestigung und den Bau des sogenannten Kaffeepavillons und des Bahnhofs Prag-Těšnov. Im Mittelpunkt stehen aber die Ideen für eine Erweiterung des Stadtmuseums.“
Kaffeehauspavillon als Museum
Das heutige Gebäude des Stadtmuseums ist als ein Anbau an den ursprünglichen Kaffeehauspavillon entstanden. 1883 sei der Pavillon in ein Museum umgewandelt worden, erzählt Státníková:
„Schon in den 1880er Jahren wurde mit dem Bau eines größeren Gebäudes gerechnet. Die Idee wurde anschließend in die Tat umgesetzt, und das Museumsgebäude konnte 1900 eröffnet werden. Aber schon damals gab es Pläne des Architekten Antonín Balšánek, nach dessen Entwurf das Museum erbaut wurde, sowie von anderen Architekten für eine Erweiterung des heutigen Gebäudes. Es war damals bereits klar, dass das Haus zu klein ist. Man kann sagen, dass während der ganzen Existenz des Stadtmuseums nach neuen Räumlichkeiten für die Sammlungen und ihre Präsentation gesucht wurde.“Die Museumssammlungen umfassen über eine Million Stücke. Laut Gesetz sollen eigentlich alle Gegenstände, die von nicht-staatlichen archäologischen Institutionen auf dem Gebiet der Hauptstadt gefunden werden, direkt im Stadtmuseum aufbewahrt werden. Doch dann würden die Sammlungen auf acht Millionen einzelne Stücke aufgebläht. Deswegen denken die Mitarbeiter des Stadtmuseums, dass der Bau eines Archäologiemuseums lohnenswert sei. Seit Jahren mangelt es zudem an Räumlichkeiten für die Dauerausstellungen über die Prager Geschichte ab dem 19. Jahrhundert. Stattdessen werden nur zeitlich begrenzte Schauen veranstaltet. Die Kuratorin:
„Es wurde uns versprochen, dass wir das nicht weit entfernte Palais Desfours nutzen könnten, das der Stadt gehört. In Frage kommt auch das Palais Clam-Gallas in der Altstadt. Dies ist alles jedoch noch unsicher. Mit dem Bau eines neuen Gebäudes hier in Těšnov würde der Bedarf des Museums für einige Zeit befriedigt.“Stadtautobahn überbrücken
Architekt Ladislav Lábus stellte bei der Eröffnung der Ausstellung die Entwürfe seiner Studierenden für ein neues Museumsgebäude vor:
„In unserem Atelier waren auch Studentinnen aus China, die in Kanada an der Uni sind. Sie waren großzügig in ihren Arbeiten. Eine von ihnen hat ein Museumsgebäude entworfen, das die Stadtautobahn überbrücken würde. Das fand ich interessant.“
Zu sehen sind auch Arbeiten von Studenten aus dem Atelier von Architekt Roman Koucký. Er findet, dass das nicht bebaute Grundstück, auf dem früher der Bahnhof stand, dem Stadtmuseum zur Verfügung gestellt werden sollte.„Das Problem besteht darin, dass reale Baupolitik nur ad hoc betrieben wird. Darum ist bis jetzt noch nirgendwo verankert, dass Těšnov dem Stadtmuseum als dem größten Regionalmuseum in Böhmen gehören soll. Das finde ich schade.“
Und welchen der Entwürfe findet die Kuratorin am besten?
„Mir gefallen einfache Formen – also vielleicht das Gebäude, mit dem an die Fassade des Bahnhofs Těšnov erinnert wird. Sehr beeindruckend finde ich zudem das Modell für ein Archäologiemuseum, an dessen Fassade archäologische Grabungsschichten verdeutlicht werden.“
Das Hauptgebäude des Stadtmuseums wird ab 14. Juni dieses Jahres für zwei Jahre geschlossen. Der Grund ist eine gründliche Restaurierung des Museums.
Die Ausstellung mit dem Titel „Těšnov je náš“ ist noch bis 13. Juni im Prager Stadtmuseum zu sehen. Das Museum ist täglich außer montags geöffnet, und zwar von 9 bis 18 Uhr.