Mitmachen für schönere Dörfer
Tschechischen Dörfern fehlt das gewisse Etwas. Das zumindest meint der Architekt Michal Roman. Deswegen will er über Projekte die Menschen mehr für ihre Wohnorte begeistern und sie so auch zueinander bringen.
„Wir Tschechen sind es gewohnt zu warten, bis irgendjemand etwas für uns macht. Gerade in den kleinen Gemeinden ist das zu spüren. Denn da schaut immer jeder auf den anderen, wobei keiner Verantwortung übernehmen will. Das betrifft auch den öffentlichen Raum. Gerade deshalb ist es aber für mich so reizvoll, mit den Dörfern zu arbeiten.“
„Wir entwerfen gerade ein Projekt, dem wir den Arbeitstitel ‚Omas Konditorei‘ gegeben haben. Einerseits bieten wir den Gemeinden Gebäude, die architektonisch ansprechend sind und vielleicht auch Touristen anlocken. Anderseits sollen vor allem Senioren einen Raum bekommen, wo sie sich zu Kaffee und Kuchen treffen und miteinander plauschen können. Das Ganze soll wie ein Gemeinschaftszentrum funktionieren, vor allem für Jugendliche. Die Inhalte, die dort geboten werden, sollen dabei von den Einwohnern selbst kommen.“
Konservative Einstellung überwiegt
Die Gestaltung des öffentlichen Raumes in tschechischen Dörfern hinkt laut dem Architekten der Zeit hinterher. Das habe jedoch einen ganz bestimmten Grund, meint Roman:„Es liegt daran, dass der tschechische Bürgermeister im Schnitt zwischen 55 und 65 Jahre alt und in vielen Dingen dementsprechend konservativ ist. Oft heißt es dann, dass alles gut sei, wenn es so läuft wie bisher. Häufig herrscht dann die Meinung, solange es halt einmal im Jahr den Feuerwehrball und das Schlachtfest gibt, reicht das für ein angenehmes Dorfleben aus.“
Oft würden sich die Bürgermeister dann nur um die Ausbesserung von Gehwegen kümmern, aber nicht um die wahren Gründe beispielsweise der Landflucht, meint Michal Roman. Man wolle deshalb Dinge schaffen für die Menschen, die ein bisschen in Vergessenheit geraten sind auf dem Land:
„Einerseits sind es die Senioren, andererseits die Kinder über sieben Jahre, die wir besonders im Auge haben. Für die Jüngeren entsteht immer etwas, meist sind es Spielplätze, die sehr oft mit Fördergeldern gebaut werden. Ab Sieben ist man aber schon fast ein Teenager und interessiert sich nicht mehr für die Förmchen im Sandkasten. Die älteren Kinder können dann zwar in die nächste Stadt in den Skatepark fahren, an ihrem Wohnort selbst gibt es jedoch nichts mehr für sie. Ein weiteres Thema sind dann die Kneipen, denn oft fehlt, sagen wir mal, ein nettes Café. Es gibt zwar fast in jedem Ort ein Wirtshaus für die Stammgäste. Dieses lädt aber niemand anderen zur Einkehr ein und architektonisch schauen diese Gaststätten auch meist nach nichts besonderem aus.“Das Dorf als Marktlücke
Michal Roman will die Menschen in Kouty oder Kounemil nicht belehren und ihnen als Großstädter irgendwas von Stil erzählen. Er selbst sei auf dem Dorf aufgewachsen und lebe immer noch dort, erzählt der Mit-Fünfziger. Zu seinem jetzigen Projekt sei er aber tatsächlich über Umwege und durch die Großstadt gekommen:„Das war purer Zufall. Ich habe davor 15 Jahre lang im Marketing gearbeitet. Irgendwann hat es mir keinen Spaß mehr gemacht, viel Geld für andere zu generieren. Dann habe ich mich mit Design beschäftigt und dadurch ist eine kleine Gemeinde auf mich aufmerksam geworden. Ich sollte durchs Dorf gehen und mir überlegen, was man mit den Bausünden im Dorf machen könnte. Ich bin dann durch den Ort spaziert und habe so das eine oder andere entworfen. Und den Leuten in der Verwaltung haben meine Ideen gefallen.“
Schnell zeigte sich aber, dass es zu teuer gewesen wäre, Design nur so aufs Land zu bringen:„Als es an die Realisierung meines Projektes ging, habe ich vor allem mit örtlichen Handwerkern verhandelt. Diese waren auch bereit alles zu machen, obwohl meine Ideen recht extravagant waren. Doch verlangten sie dafür eine verrückte Summe, die das Budget der Gemeinde sprengte. Da ist dann das Konzept entstanden, dass jeder anpacken könne bei der Umsetzung der Entwürfe. Denn in jedem Dorf gibt es ja geschickte Leute, die so etwas zustande bringen können. Dadurch ist letztlich auch bei mir ein viel größeres Interesse am ländlichen Raum entstanden, der an sich viel Potenzial hat. Viele Architekten sehen das leider nicht, da das Dorf wirtschaftlich einfach nicht so viel abwirft.“
Deshalb hat sich Michal Roman für einen anderen Weg entschieden. Die Dörfler sollten von den Dingen profitieren, die sie auf eine gewisse Weise selbst geschaffen haben. Denn letztlich würden alle Seiten etwas davon haben, sagt Roman:„Wir bemühen uns um ein System der Teilhabe, die Bürger sollen mitziehen. Denn die Finanzierung ist immer ein Problem. Irgendwelche öffentlichen Möbelstücke können gut und gerne 200.000 Kronen kosten, wobei allein das Material auf 50.000 Kronen rausgeht. Wenn die Einwohner diese eigentlich sehr einfachen Sachen selbst machen, dann ist das für die Gemeinden einerseits ökonomisch sehr effektiv. Andererseits haben die Menschen dann eine ganz andere Beziehung zu den Dingen.“
Zauberwort Teilhabe
Anpacken und sich den öffentlichen Raum so zurückholen, heißt also die Devise von Nahá vesnice. Letztlich war es aber schwerer als gedacht:„Die Umsetzung vieler Projekte ist aus dem Grund nicht einfach, weil der öffentliche Raum in den kleinen Gemeinden oft nicht als solcher wahrgenommen wird. Ich will nicht behaupten, dass dies ein Dogma sei, aber das ist wirklich in einer überwältigenden Mehrheit der Orte so. Vor allem begreifen die Menschen dort den öffentlichen Raum nicht als etwas, was man im Sinne eines besseren Lebens verändern könnte. Da geht es nicht nur um die Gestaltung der Dorfmöbel. Vielmehr sind es Dinge wie ein schönes Café oder ein Gemeinschaftszentrum für Kinder und Senioren, die man in den betreffenden Ortschaften nur ganz selten findet.“
In vielen Dörfern scheiterte das Projekt deshalb auch oder lief zumindest nicht so wie geplant. Es gebe aber auch positive Beispiele und oft sei man sogar angenehm überrascht, meint Michal Roman. Besonders beeindruckt war der Architekt von der Zusammenarbeit mit einem Prager Vorort. Das kam aber nicht von ungefähr, bemerkt Roman:„Das war eines unserer jüngsten Projekte an einem Gymnasium in Říčany bei Prag. Wir haben da neues Außenmobiliar für die Schule entworfen. Die Gymnasiasten selbst haben uns bei der Realisierung geholfen und es hat ihnen viel Spaß gemacht. Die ganze Zeit kamen Schulklassen runter in Hof und Werkstatt, dort haben die Kinder dann Holz geschliffen oder die Bänke zusammengesetzt. Wir haben mit dem Konzept genau den Geschmack der Jugendlichen getroffen, weil es eben keine klassischen kalten Holzbänke sind, die wir ihnen da hingestellt haben. Unsere Möbel gefallen ihnen, das sieht man, wenn man heute an der Schule vorbeifährt. Es ist immer jemand darauf zu sehen, auch bei Regen und Schnee. Nie sind diese Objekte leer.“