Aus einem Studentenleben – 39. Smetana-Tage Pilsen

Pilsner Philharmonie (Foto: Archiv der Pilsner Philharmonie)

Schon zum 39. Mal finden im März die Smetana-Tage Pilsen statt. Dreh- und Angelpunkt des Festivals ist Bedřich Smetana und seine Beziehung zu Plzeň / Pilsen. Im Zentrum steht daher die Musikkultur des 19. Jahrhunderts. Doch das Festival holt auch die bildende Kunst, Literatur und Wissenschaft mit ins Boot. Diese Vielfalt ist das besondere Markenzeichen der Smetana-Tage Pilsen. Veranstalter des breit angelegten Festivals ist die Pilsner Philharmonie.

Pilsner Philharmonie  (Foto: Archiv der Pilsner Philharmonie)

Lenka Kavalová  (Foto: Archiv der Pilsner Philharmonie)
Nur ungefähr drei Jahre lebte Bedřich Smetana in Pilsen. Doch es sei eine prägende Zeit gewesen, erklärt Lenka Kavalová, die Direktorin der Pilsner Philharmonie:

„Smetana besuchte das Gymnasium in Německý Brod (Deutschbrod, heute Havlíčkův Brod, Anm. d. Red.) und anschließend in Prag. Dort entschloss er sich, sein Leben der Musik zu widmen. Damit war sein Vater jedoch nicht einverstanden, und er schrieb Bedřich am Prämonstratenser-Gymnasium in Pilsen ein, wo sein 23 Jahre älterer Cousin Josef František Smetana als Professor arbeitete.“

Als Schüler des Prämonstratenser-Gymnasiums tat sich Smetana nicht besonders hervor. Im Pilsner Musikleben jedoch eroberte sich der junge Komponist bald einen festen Platz. Lenka Kavalová:

„Smetana nahm regen Anteil am Pilsner Gesellschaftsleben. Er spielte bei geselligen Zusammenkünften, auf Hochzeiten und in Salons. Und er machte die verschiedensten aufregenden Romanzen durch. So entflammte er für seine Cousine Luise Smetana, und später verliebte er sich in Kateřina Kolářová, die er schließlich heiratete. In diesem Lebensabschnitt komponierte Smetana mehrere berühmte Polkas, wie die Luisen-Polka, die Georginen-Polka sowie die Polkas ‚Erinnerung an Pilsen‘ und ‚Aus dem Studentenleben‘.“

Volkskunst als Inspirationsquelle

Statue von Bedřich Smetana in Pilsen  (Foto: Lumidek,  Wikimedia Commons,  CC BY 3.0)
Smetana gestaltete den böhmischen Volkstanz zur klassischen Kunstform aus. Mit seiner Vorliebe für die Folklore stand er in der europäischen Musik des 19. Jahrhunderts nicht allein:

„Volkstümliche Elemente waren damals sehr gefragt. Der Verleger Simrock zum Beispiel bestellte bei Antonín Dvořák Werke, die volkstümliche Quellen verarbeiteten, so entstanden die ‚Slawischen Tänze‘. Und auch Smetana inspirierte sich immer wieder an der Volksmusik und ließ deren Motive in seine Werke einfließen. Später komponierte Janáček seine ‚Lachischen Tänze‘, und Vítězslav Novák schuf die ‚Mährisch-Slowakische Suite‘.“

Doch auch Komponisten anderer Länder wandten sich der Folklore zu. Erinnert sei etwa an die „Ungarischen Tänze“ von Johannes Brahms, die „Rumänischen Volkstänze“ Béla Bartóks oder Michail Iwanowitsch Glinkas „Russische Lieder“.

Der Rückgriff auf volkstümliche Elemente in der Hochkultur bildet denn auch den thematischen Rahmen der Smetana-Tage 2019. Den Anstoß zu dieser Themenwahl gab ein großes, interdisziplinäres wissenschaftliches Symposion, das schon seit 1980 regelmäßig in Pilsen stattfindet.

Josef Čapek: Singende Mäschen  (Foto aus der Ausstellung „Geh aufs Land!“,  Archiv der Galerie Masné krámy)
„Dieses Symposion bestimmt jedes Jahr ein Thema, das sich dann auch in den Ausstellungen der Galerien und Museen widerspiegelt. Und wir versuchen, es teilweise in die Dramaturgie der musikalischen Veranstaltungen des Festivals zu projizieren. Aber das Festivalprogramm stützt sich noch auf drei weitere Säulen: das kulturelle Vermächtnis im Kontext mit Bedřich Smetana, die Kultur Pilsens und des Pilsner Umlandes sowie bedeutende Jubiläen.“

Ein breites Spektrum von Veranstaltungen

Passend zur diesjährigen Ausrichtung auf die Übergänge zwischen Volks- und Hochkultur zeigt die renommierte Pilsner Galerie Masné krámy (Fleischbänke) die Ausstellung „Geh aufs Land!“. Sie befasst sich damit, wie die kulturellen Werte der böhmischen Landbevölkerung im 19. Jahrhundert entdeckt, aber auch politisch instrumentalisiert wurden. Mit dem fachübergreifenden Rahmen des Festivals habe man gute Erfahrungen gemacht, beteuert Lenka Kavalová:

Karneval in Pilsen  (Foto: Archiv der Pilsner Philharmonie)
„Es ist ein außergewöhnlicher Zug der Smetana-Tage, dass sie mehrere Kultursparten umfassen. Das Festival verbindet Musik, Theater, Literatur, bildende Kunst und Film. Diese Verknüpfung hilft, die Menschen an uns zu binden. Wenn sich zum Beispiel ein Festivalbesucher für eine Ausstellung in einer Galerie interessiert und dann sieht, was sonst noch auf dem Programm steht, geht er vielleicht auch in ein Konzert – und umgekehrt.“

Beim Festival wirken so gut wie alle größeren Kultureinrichtungen der westböhmischen Metropole mit. Und um für die Zukunft vorzubauen, möchte man auch sämtliche Generationen ansprechen, insbesondere die Jugend.

„Die Kinder stellen wie überall die künftige Generation dar, und wir müssen uns um sie kümmern und sie zur Kunstliebe erziehen. Dieses Jahr haben wir Veranstaltungen zu den Märchen ‚Die drei kleinen Schweinchen‘ und ‚Schneewittchen‘ im Programm. Aber es gibt auch ein Detektivspiel mit den Philharmonikern: Eine Instrumentengruppe ist plötzlich verschwunden, und die Kinder im Publikum verwandeln sich in Detektive und suchen sie.“

Mitmachen erlaubt

Großer Konzertsaal  (Foto: Archiv der Pilsner Philharmonie)
Mitmachen können die Festivalbesucher auch bei einem Tanzworkshop im Besucherzentrum der Brauerei Pilsner Urquell. Volkstänze aus der Zeit Bedřich Smetanas werden zuerst von professionellen Tänzern vorgeführt, danach dürfen sich alle an den Tanzschritten und Figuren versuchen. An einem anderen Abend interpretiert das Ensemble Capella Brava mit Gastsolisten in denselben Räumlichkeiten Tangos aus aller Welt.

Stark vertreten ist unter den 23 Musikveranstaltungen des Festivals die klassische Kammermusik, aber auch zeitgenössische Komponisten, Cross-Over und saisonale, vorösterliche Werke fehlen nicht. Das Schlusskonzert bietet Tschaikowski und südamerikanische Komponisten. Die Harfenistin Jana Boušková gestaltet es zusammen mit der Pilsner Philharmonie im Konzertsaal der Měšťanská beseda, einem Kultur- und Gesellschaftszentrum vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Dort ist auch das Eröffnungskonzert zu hören.

Sophia Burgos  (Foto: Archiv der Pilsner Philharmonie)
„Das Eröffnungskonzert findet am 28. Februar um 19 Uhr statt. Die puertoricanisch-amerikanische Sopranistin Sophia Burgos interpretiert unter der Leitung des Chefdirigenten der Pilsner Philharmonie, Ronald Zollman, Benjamin Brittens Liederzyklus ‚Illuminationen‘ und tritt danach in der vierten Symphonie von Gustav Mahler auf.“

Ein weiterer Höhepunkt ist die selten inszenierte Oper „Die Braut von Messina“ von Zdeněk Fibich, einem Schüler Smetanas. Sie wird im Josef-Kajetán-Tyl-Theater aufgeführt. Das Libretto von Otakar Hostinský basiert auf der Tragödie von Friedrich Schiller.

„Fibichs Oper ‚Die Braut von Messina‘ haben wir deshalb ins Programm genommen, weil dieses Jahr der 135. Jahrestag der Premiere ist. Die Oper wurde 1884 im Prager Nationaltheater uraufgeführt. Fibich hat insgesamt acht Opern geschrieben. Nicht minder bedeutsam für die tschechische Musikgeschichte ist aber beispielsweise auch sein konzertantes Melodram.“


Eröffnet werden die 39. Smetana-Tage am 28. Februar um 9.30 Uhr mit einem Festakt im Westböhmischen Museum in Pilsen. Das Festival dauert volle vier Wochen und endet am 28. März.