Nachbarschaft – Niemandsland – Grenzen

Foto: Zita Oberwalder

Die österreichische Fotografin Zita Oberwalder zeigt Bildern aus mehreren Ländern Europas und auch aus tschechischem Grenzgebiet.

Zu sehen sind Schwarz-Weiß-Abzüge, ergänzt durch einige digitale Farbfotos. Die österreichische Fotografin Zita Oberwalder zeigt in ihrer Prager Ausstellung neben Bildern aus verschiedenen Ländern Europas auch Fotos aus dem tschechischen Grenzgebiet und aus Lidice. Die Künstlerin stellt die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Vergangenheit und Gegenwart. Wichtig ist für sie das Thema der Nachbarschaft, des Niemandslands, der Grenzen. Unter dem Titel „quote, unquote: Hotel Europa“ wurde die Fotoausstellung am vergangenen Donnerstag in der Galerie des Österreichischen Kulturforums in Prag eröffnet.

Wie entstand der etwas ungewöhnliche Titel ihrer Ausstellung?

Foto: Martina Schneibergová
„Der Titel ,Hotel Europa‘ hat eigentlich in Irland seinen Ursprung. Es ist mir um diesen Raum gegangen. Es gab dort den Krieg zwischen den Religionen. Dort herrscht jetzt zwar Frieden, aber er scheint fragil zu sein, fast eher künstlich. Ich wollte selbst hinfahren und es mir ansehen. Dabei habe ich mich gefragt, wie ich das in einem Bild ausdrücken kann. Das Hotel Europa, welches das meist bombardierte Hotel des Kontinents war, ist inzwischen mit bombensicheren Fenstern ausgestattet worden. Auf dem Bild wirkt es deswegen eher wie ein andächtiger Raum und man weiß nicht, was hier etwas passiert ist. Was ist im Raum und wie kann ich ihn darstellen? So hat es begonnen und so ist die Geschichte in verschiedenen Ländern, vor allem auch in Grenzgebieten weitergegangen.“

Sie sind auch durch das tschechische Grenzgebiet gewandert und haben es fotografiert. Was hat sie dort am meisten in den Bann gezogen?

„Ich bin wirklich weit zu Fuß gegangen. Das ist auch sehr wichtig für das Fotografieren, denn man erlebt die Dinge erst beim Gehen und Erforschen. Es ist eine andere Ausdrucksart, wenn man es selbst erlebt hat und ergangen ist. Aus Berichten las ich, dass es in einem naheliegenden Wald Lindenbäume gibt. Diese waren ein Symbol für die Gemeinschaft und standen damals in der Mitte eines nun verschwundenen Dorfes. Ich besuchte auch diesen Ort und sehe die Lindenbäume als ein Mahnmal.“

In welchen Regionen waren Sie?

Foto: Martina Schneibergová
„Einer der Orte war zum Beispiel Grafenried / Lučina. Dort gibt es einen sehr gut organisierten Verein, der mit Ausgrabungen begonnen hat. Man sieht Töpfe oder Fragmente von Häusern, zum Beispiel das Pfarrhaus.“

Konnten Sie sich vorstellen, wie diese Orte vor etwa 70 oder 80 Jahren ausgesehen haben?

„Oft bin ich einfach nur dort gestanden und habe die Atmosphäre und den Ort auf mich einwirken lassen. Es heißt ja: ,Die Stimmen bleiben im Raum‘, was geschehen ist, bleibt im Raum. Dabei entsteht dann die Frage: wann und wie spürt man dies und wie kann ich das auf einem Bild ausdrücken? Natürlich sind die Überreste und Teile der Wohnungen ein gutes Hilfsmittel dafür, allerdings wird es schwer, wenn nichts mehr außer dem Raum zu sehen ist.“

Sie zeigen hier auch Bilder aus Pilsen. Warum war die Stadt für Sie interessant, obwohl sie ja nicht direkt an einer Grenze liegt?

Foto: Martina Schneibergová
„Ich habe in Pilsen sehr viel fotografiert. Ich hatte dort die Möglichkeit, drei Monate zu arbeiten. Es war sehr spannend und es gab viele Motive, die ich als Metapher einsetzen konnte. Dazu dienten bestimmte Orte, Zwischenorte und Bahnhöfe. Es gibt dort sehr viele erhaltene Bahnhöfe, die gefühlsmäßig noch original wirken, da sie auch nicht wirklich restauriert wurden. Sie stehen meist ruhig, fast einsam da.“

Zu sehen ist auch ein Foto von einer Brücke in Dobřany. Hat diese Brücke eine besondere Bedeutung? Steckt dahinter eine Geschichte?

„Ich habe die Enkelin von / von einem gewissen Hans getroffen, der 1945 wegziehen musste. Ich war für Hans an diesem Ort und machte ein Bild. Dadurch entstand dann das Foto von der Brücke. Wie die Geschichte über das Verschwinden der Statue des Heiligen Nepomuks, bleibt auch das Bild der Brücke. Es ist nun wie ein Erker eine Leerstelle und man redet bis heute darüber, dass man die Statue immer noch sucht.“

Wann verschwand diese Statue?

Foto: Martina Schneibergová
„Die Statue verschwand um 1945. Das war auch ein Zeitraum, in dem viel geschah. Allerdings ist die Brücke sehr gut erhalten. Deshalb habe ich sie auch fotografiert, da sie in Anlehnung an die Zeit ist und sehr gut als Motiv gewirkt hat.“

Sie haben auch Lidice und die Gedenkstätte besucht?

„Ich habe natürlich von Lidice gehört. Als ich aber wirklich dort ankam, war alles dunkelgrün. Es gab diesen alten Friedhof, die Wiese und ein paar Ruinen. Ich habe noch nie ein so großes Denkmal gesehen. Neben einem wunderschönen Kirschbaum, bemerkte ich dann auch die Vergangenheit, fast einen Stillstand.“

Ihre Fotos ergänzen Sie auch immer durch einige Zitate. Ist das bei Ihren Ausstellungen üblich?

Foto: Martina Schneibergová
„Da ich sehr viel auf Reisen bin, schreibe und notiere ich mir selbst sehr viel. Dazu braucht man oft Informationen. Manchmal benötigt nicht das Bild die Beschreibung, weil man sich dieses schon selbst vorstellen kann. Man sieht es zwar nicht auf dem Bild, aber man denkt es. Die Vorstellung im Kopf ist somit das Wichtigste, es füllt den Zwischenraum aus.“

Hinter Ihren Bildern stecken auch nicht erzählte Geschichten, man kann sich dazu auch etwas Weiteres hinzudenken. Haben Sie das auch so gemeint?

„Auf jeden Fall habe ich das so gemeint. Manchmal gibt es auch Hinweise dazu im Titel, aber auch einfach nur im Ort oder Jahreszeit. Der Rest baut sich dadurch weiter auf.“

Sie haben erwähnt, dass sie drei Monate lang in Pilsen waren. War das in diesem Depot2015 zu einem Studienaufenthalt?

„Genau, das war Styria- Artist- in- Residence von Steiermark aus.“

Hätten Sie Lust nochmal so eine Reise durch das Grenzgebiet zu machen?

„Ja, da man in drei Monaten nicht alles ansehen kann.“

In dieser Ausstellung gibt es auch ein Bild von Käthe. Wer ist diese Frau?

Die Fotoausstellung mit dem Titel„quote, unquote: Hotel Europa“ ist in der Galerie des Österreichischen Forums in Prag bis 15. Juni geöffnet.

„Käthe ist die Mutter meiner Nachbarin. Als sie gehört hat, dass ich im Sudetenland recherchiere und arbeite, hat sie mich daraufhin zu sich eingeladen und mir ihre Geschichte erzählt. Ihr erster Satz war: ,Ich bin Sudetendeutsche.' Ich habe durch ihre Geschichte viel erfahren. Sie hat erzählt, dass sie damals von dort aus, allein nur mit einem Fahrrad nach Graz gefahren ist. Dieses Nachbarschaftsthema zieht sich auch immer wieder wie ein roter Faden durch meine Arbeit. Deshalb ist auch ein Bild der Nachbarschaft – der Maria-Schnee-Kirche in Rom als Referenz an das nahe liegende Prager Maria Schnee Kloster entstanden.“