Tschechen, Vietnamesen, oder ganz etwas anderes?
Vor allem seit den 1990er Jahren gibt es eine große vietnamesische Community in Tschechien. Der Bruch zwischen den Generationen wird allerdings immer größer. Das bestätigt auch Do Thu Trang. Die End-Zwanzigerin schreibt einen preisgekrönten Blog, in dem sie sich mit dem Leben zwischen zwei Kulturen beschäftigt. Für den Tschechischen Rundfunk hat sie in einem Interview erklärt, als was sie sich eigentlich fühlt und was sie vom Begriff „Bananengeneration“ hält.
„Kennengelernt haben meine Eltern ihn dann auf einer vietnamesischen Hochzeit, da habe ich ihn mitgenommen. Wir mussten da ganz vorsichtig rangehen. Am Ende habe ich meinen Freund aber auch mit nach Hause genommen, und alles war in Ordnung.“
Unter anderem das ist ein Thema, mit dem sich die junge Tschecho-Vietnamesin in ihrem Blog Asijatka.cz beschäftigt – wie man als junger Vietnamese tschechisch lebt und was die eigenen Eltern davon halten. Dafür wurde sie im vergangenen Jahr mit dem Journalisten-Nachwuchs-Preis „Novinářska křepelka“ ausgezeichnet. Und sie war sogar für den prestigeträchtigen Literaturpreis Magnesia Litera nominiert. Die wohl größten Unterschiede zwischen Tschechen und Vietnamesen sieht Trang gerade bei Familie und Ehe:
„Ich kann nicht unbedingt für die Vietnamesen in Vietnam sprechen, da ich ja dort nicht lebe. Es ist aber schon so, dass die Ehe bei uns einen hohen Stellenwert hat. Außerdem arbeiten Vietnamesen eher an etwas bevor sie es endgültig aufgeben. Bei den Vietnamesen in Tschechien kommt noch dazu, dass sie weit weg von zu Hause sind. Da neigt man dann nicht unbedingt zu radikalen Lösungen. Ich kenne viele Fälle aus meiner eigenen Umgebung. Einige Paare haben sich im Stillen scheiden lassen, sind aber nach außen weiterhin zusammen.“
Das hat laut Trang aber auch ganz praktische Gründe. Vor allem wenn die Eheleute einen gemeinsamen Betrieb führen, was in der vietnamesischen Community eher Regel als Ausnahme ist. Abgesehen davon habe eine geschiedene Frau in der vietnamesischen Gesellschaft nicht unbedingt eine gute
Eine klassische Migrantengeschichte
Do Thu Trang ist Ende der 1980er Jahre in Vietnam geboren worden, Anfang der 1990er kam sie dann mit ihrer Mutter zu ihrem Vater nach Westböhmen. Die Geschichte ist typisch für viele vietnamesische Familien, die nach Tschechien ausgewandert sind. Dennoch war es ein schwerer Schritt, für den sie ihre Familie bewundert:„Mein Vater hat sich 1992 entschieden, nach Tschechien zu ziehen. Meine Mutter und ich sind dann zunächst in Vietnam geblieben, und mein Vater hat uns regelmäßig Geld geschickt. Irgendwann sind wir dann als engster Kern der Familie meinem Vater nach Tschechien gefolgt. Damals hatten wir eine sehr innige Beziehung zu meinen Großeltern in Vietnam, bei ihnen habe ich sehr viel Zeit verbracht. Trotzdem haben meine Eltern den Schritt nach Tschechien gewagt, auch wenn meine Mutter damals kein Tschechisch konnte. Zwar wäre ein Umzug irgendwohin für mich heute viel einfacher, ich habe ja einen tschechischen Pass. Stünde ich aber vor der Entscheidung, beispielsweise nach Afrika zu gehen, müsste ich wirklich zweimal überlegen.“
Trangs Vater ist Akademiker, er hatte noch vor der Wende in der Tschechoslowakei Jura studiert. Trotzdem wuchs sie in einem typischen tschecho-vietnamesischen Umfeld auf. Gerade aber das gab der Bloggerin die Möglichkeit, erste Schritte in der tschechischen Gesellschaft zu tun:
„Meine Eltern haben damals von morgens bis abends gearbeitet. Sie gehörten nämlich zur ersten Generation der vietnamesischen Händler in Tschechien, sie verkauften verschiedene Waren auf dem Markt in unserer Stadt. Da war es normal, dass sie kaum Zeit für mich hatten. Wie auch andere vietnamesische Eltern haben sie mich dann immer zu einer tschechischen Familie geschickt, das waren dann unsere tschechischen Omas und Tanten, auf keinen Fall aber Kindermädchen. Ich war dort in guten Händen und konnte noch dazu Tschechisch lernen.“
Eine Community im Wandel
Die Bloggerin weist aber darauf hin, dass die vietnamesische Community hierzulande im Wandel ist. Und das vor allem bei Familie und Beruf:
„Mittlerweile leben hier Vietnamesen in der dritten Generation, sie sind also schon in Tschechien geboren. Junge vietnamesische Eltern sprechen also gut Tschechisch, und die Kinder wachsen zweisprachig auf. Außerdem haben die Eltern heutzutage mehr Zeit für ihre Kinder. Die Vietnamesen hier verkaufen nicht mehr nur von früh bis spät auf den Märkten, sie betreiben eher Restaurants oder Kosmetiksalons. Dadurch hat sich auch die Erziehung der Kinder stark verändert.“
Trang hat zwar die tschechische und vietnamesische Staatsbürgerschaft, die Heimat ihrer Eltern kennt sie aber eigentlich nur noch aus Erzählungen und Besuchen. Als was fühlt sie sich denn überhaupt?
„Ich hatte da mehrere Phasen, wie ich mit diesem kulturellen Spagat umgegangen bin. Erst habe ich gar nicht darüber nachgedacht, dann war ich irgendwie beides. Jetzt, wo ich auch die tschechische Staatsangehörigkeit habe, fühle ich mich offiziell mehr als Tschechin. Dennoch bekenne ich mich zu meinen starken vietnamesischen Wurzeln.“
Wie stark ihre tschechische Seite ist, merkt Trang unter anderem beim Urlaub in Vietnam. Denn die Sprache geht ihr gar nicht mehr so leicht über die Lippen:
„Ich kann mich verständigen, aber nur sehr holprig und mit Händen und Füßen. Mein Vietnamesisch ist zugegebenermaßen sehr, sehr schlecht. Trotzdem komme ich irgendwie durch, zumindest in Nordvietnam, woher ich stamme. Im Süden ist es schon schwieriger, da gibt es mehr Dialekte, und insgesamt ist die Sprache da viel bunter, weicher und blumiger. In Zentralvietnam geht es gar nicht, da spreche ich nur Englisch.“
Die vietnamesische Westböhmin gehört zu der sogenannten „Bananengeneration“. Dies bezeichnet diejenigen jungen Vietnamesen, die zwar außen noch Vietnamesen sind, innen aber schon ganz schön tschechisch. Wie steht sie zu dem Begriff, der bei den Tschecho-Vietnamesen nicht ganz unumstritten ist?
„Ich persönlich finde die Bezeichnung eigentlich witzig, das liegt aber eher an meiner Vorliebe für schräge Metaphern. Viele junge aber auch ältere Vietnamesen mögen den Begriff jedoch nicht so sehr. Sie finden ihn beleidigend und sehen ihn als Schimpfwort für die Vietnamesen, die ihre Wurzeln verloren haben. Das ist bei uns wirklich nichts Schönes, denn das fällt automatisch auf die Eltern zurück.“
Sommerröllchen, Kultur und die Liebe
Die Vietnamesen sind nach den Slowaken und Ukrainern die drittgrößte ethnische Minderheit in Tschechien. Lange gab es kaum Kontakte zwischen den Alteingesessenen und ihren Mitbürgern aus Asien. Laut Trang ändert sich das aber:
„Es hat sich viel getan in der letzten Zeit. Gut sind vor allem die ganzen kulinarischen Festivals, bei denen Vietnamesen ihre Küche vorstellen. Denn gerade über das Essen kommt man sich einfach näher. Bei den Vietnamesen der zweiten Generation ist es aber so, dass sie den Tschechen viel mehr von ihrer Kultur mitteilen wollen. So hat sich beispielsweise eine Gruppe gebildet, die Führungen durch den größten Prager Vietnamesenmarkt, die sogenannte Sapa, organisiert. Außerdem gibt es mittlerweile viele Workshops zum Thema vietnamesische Kultur.“
Das habe auch für die Vietnamesen selbst einen Mehrwert, meint die Bloggerin. Durch solche Aktionen können vietnamesische Kinder ihre eigenen Wurzeln kennenlernen. Am Ende bleibt aber noch etwas durch den engeren Kontakt zwischen Vietnamesen und Tschechen. Denn es klappt auch immer öfter mit der Liebe:
„Beziehungstipps kann ich jetzt nicht geben, also wie man sich einen Vietnamesen oder eine Vietnamesin angelt. Was ich aber bestätigen kann – es gibt tatsächlich immer mehr tschechisch-vietnamesische Paare.“