Späte Anerkennung für den Prager Schinken

Prager Schinken (Foto: BMK, CC BY-SA 3.0 DE)

Der Prager Schinken ist eine der bekanntesten Spezialitäten Tschechiens. Nun genießt er auch den Schutz der EU.

Antonín Chmel  (Foto: Public Domain)
Der Metzgermeister František Zvěřina gilt als Vater einer der bekanntesten Spezialitäten aus Tschechien – des Prager Schinkens. Im Jahr 1870 hing er gepökelte Schweineschenkel zum Räuchern an einen Eichenstamm. Anschließend kochte er sie und ließ sie einige Wochen reifen. Dadurch behielt das Fleisch seinen frischen Geschmack und war länger haltbar. 40 Jahre später industrialisierte Antonín Chmel die Herstellung des Prager Schinkens und verkaufte ihn in alle Welt. Heute kümmert sich unter anderem Petr Korejs um die gepökelten Schweineschenkel. Er ist Qualitätsmanager bei der Prager Großmetzgerei Le&Co:

„Der Prager Schinken ist deshalb etwas Besonderes, weil er schon lange in unveränderter Form hergestellt wird. Und immerhin reichen die Wurzeln der Originalrezeptur zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Heute besteht die Kunst darin, dieses Rezept beizubehalten, aber die Produktion gleichzeitig modernen Standards anzupassen.“

Hergestellt wird der Prager Schinken also immer noch traditionell. Auch wenn natürlicher etwas schneller und effizienter, wie Petr Korejs betont:

Keller von Antonín Chmel mit Prager Schinken  (Foto: Public Domain)
„Damals legte man die Schenkel nach dem Kochen in große Wannen aus Eichenholz, dort mussten sie noch mindestens zwei Wochen in der Lake reifen. Heute ist das allein deswegen nicht mehr möglich, weil Holzwannen im Fleischereibetrieb aus hygienischen Gründen verboten sind. Jetzt kommen moderne Anlagen zum Einsatz, die den Reifeprozess auf 24 Stunden verkürzen.“

An der Qualität des Produkts ändere das aber nichts und es bleibe immer noch ein Original, meint Petr Korejs. Auch wenn laut dem Metzgermeister manche Menschen den modernen Verfahrensweisen eher skeptisch gegenüber stehen.

In den Läden findet sich der Prager Schinken in drei Ausführungen. Petr Korejs erklärt, ob es da Unterschiede gibt:

„Die Grundrezeptur ist bei allen drei Sorten des Prager Schinkens dieselbe. Zugelassen sind – wie gesagt – drei Arten des Produkts, einmal der Prager Schinken am Knochen, dann die entbeinte Variante in verschiedenen Formen und schließlich der Prager Schinken in der Konserve. Nichtsdestotrotz handelt es sich immer um ein Produkt mit derselben Rezeptur.“

Der Prager Schinken in feinen Scheiben, den mittlerweile jeder aus dem Supermarkt kennt, ist laut Korejs ein relativ neues Phänomen.

Der Prager Schinken nun unter besonderem Schutz

Ende Februar erhielt der Prager Schinken ein besonderes Prädikat. Die Europäische Kommission hat das Schmankerl nämlich zur „Garantiert traditionellen Spezialität“ erklärt. Damit gesellt sich die Pökelware in Tschechien zu den Speckwürsten, Zipser Würsteln oder der typischen Jägersalami. Jan Kratina vom tschechischen Metzgereiverband erklärt, was es damit auf sich hat:

„Für uns ist das ein außerordentlicher Erfolg. Damit wurde der Prager Schinken im europäischen Maßstab als ein besonderes Erzeugnis der Fleischindustrie anerkannt.“

Was genau der Prager Schinken ist, war laut Jan Kratina aber nicht einfach zu definieren:

„Das war etwas kompliziert, denn der heutige Prager Schinken ist nicht mehr der, den Metzgermeister Zvěřina damals hergestellt hat. Heute wird nur noch die industrielle Form produziert, wie sie in den 1920er Jahren auf den Markt kam. Und da gibt es mehrere Verfahrensweisen.“

Prager Schinken  (Foto: BMK,  CC BY-SA 3.0 DE)
Was das Prädikat der „Garantiert traditionellen Spezialität“ in der Praxis bedeutet, erklärt Metzgermeister Petr Korejs:

„Jeder Fleischerbetrieb, wo auch immer auf der Welt, muss nun den Prager Schinken nach dem althergebrachten Verfahren herstellen. Vorher war das nicht reguliert.“

Ein kleiner Wermutstropfen sei aber, dass man genauso im eigenen Betrieb umstellen müsse, so Petr Korejs. Auch Le&Co vertreibt leicht modifizierte Formen des Produkts, die nun nicht mehr Prager Shinken heißen dürfen. So schlimm sei das aber auch nicht, und die Vorteile des Prädikats seien deutlich größer, erklärt der Fleischer. Besonders bei der Vermarktung im Ausland:

Foto: erikzen,  CC BY-NC-ND 2.0
„Natürlich finden wir das Prädikat der garantiert traditionellen Spezialität auch deshalb gut, weil es den Prager Schinken für unsere Geschäftspartner im Ausland interessanter macht. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt, aber für die Beliebtheit des Schinkens in der Welt ist das auf jeden Fall eine gute Sache. Jeder Hersteller will heutzutage nämlich nur das Beste produzieren und nicht nur Tonnen von Fleisch zu einem möglichst günstigsten Preis auf den Markt werfen.“

Rezeptur statt geografische Herkunft

Insbesondere Produkte aus Italien hätten in der Vergangenheit Probleme gemacht, meint Korejs. Dort wurde nämlich auch getrockneter Schinken als Prager Schinken verkauft, obwohl das natürlich mit dem ursprünglichen Produkt so gut wie gar nichts gemein habe. Doch nicht Rom hatte die Anerkennung des Prager Schinkens als „Garantiert traditionelle Spezialität“ lange verzögert, sondern Bratislava. Petr Korejs kann die Hintergründe nur erahnen:

Jan Katina  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Warum die Kollegen vom slowakischen Verband der fleischverarbeitenden Industrie da so dagegen waren, das kann ich mir nur schwer erklären. Tatsächlich ist es aber gerade bei unseren Nachbarn so, dass dort Produkte entstehen, die nach den jetzigen Standards einfach nicht Prager Schinken heißen dürften. Sie haben mit dem ursprünglichen Prager Schinken nichts zu tun.“

Dass der Prager Schinken nun eine „Garantiert traditionelle Spezialität“ ist, heißt aber nicht, dass er nur in Prag hergestellt werden darf. Dazu Jan Kratina vom tschechischen Metzgerverband:

„Neben den ‚Garantiert traditionellen Spezialitäten‘ kennt die Europäische Union noch weitere Prädikate, die tatsächlich die regionale Herkunft eines Produkts hervorheben. Bei der ‚Garantiert traditionellen Spezialität‘ geht es hingegen um die Rezeptur. Das heißt, dass auch ein Metzger beispielsweise in Italien den Prager Schinken herstellen darf, sofern er die traditionellen Verfahrensweisen anwendet.“

Petr Korejs hätte sich über den Status einer regionalen Spezialität mehr gefreut. Und das nicht nur für den eigenen Betrieb:

„Natürlich würden wir lieber einen regionalen Schutz des Prager Schinkens sehen. Wir sind nun mal hier in der Region der größte Hersteller und hätten so eine bessere Stellung auf dem Markt. Und es würde den Wert des Produkts insgesamt steigern. Ein Vorteil wäre das vor allem für kleinere Traditionsunternehmen, die den Prager Schinken hier schon seit Generationen herstellen.“

Auf jeden Fall muss sich Petr Korejs aber keine Sorgen ums Geschäft machen, vor allem jetzt nicht in der Zeit vor Ostern. Denn gerade zum Osterfest ist und bleibt der Prager Schinken ein unangefochtener Kassenschlager.