Olympia ohne NHL-Profis: Ernüchterung in Tschechien

Jaromír Jágr (Foto: ČTK)

Seit Beginn dieser Woche ist es definitiv: An den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang werden keine Eishockeyspieler aus der nordamerikanischen Profiliga NHL teilnehmen. Diese Entscheidung der NHL-Oberen wurde weltweit vorwiegend mit Enttäuschung aufgenommen. Auch im eishockeybegeisterten Tschechien war das nicht anders.

Jaromír Jágr  (Foto: ČTK)
Die olympischen Turniere im Eishockey wurden von 1920 bis 1994 stets ohne die größten Stars aus Kanada und den USA ausgetragen. Denn sie spielten in der NHL, die für sich in Anspruch nahm und nimmt, die beste Liga der Welt zu sein. Als solche stellte sie ihre eigenen Interessen über die der internationalen Eishockeygemeinde und schenkte Olympia kaum Beachtung. Für viele der europäischen Top-Cracks, die mittlerweile auch in Übersee spielten, stand eine olympische Teilnahme daher ebenfalls nicht zur Debatte. So etwa für den tschechischen Superstar Jaromír Jágr:

„Als ich mit 18 Jahren in die NHL ging, rechnete ich damit, dass ich niemals an einer WM oder an den Winterspielen teilnehmen werde. Doch auf einmal ergab sich diese Gelegenheit.“

Das war im Jahr 1998, nachdem die Verantwortlichen der NHL ihre Meinung geändert hatten. Alle vier Jahre ein Turnier der Weltbesten, das könnte dem Prestige des Eishockeys und der Vermarktung ihrer Liga gut zu Gesicht stehen, hofften sie. Daher wurde der olympische Wettkampf in Nagano zum Jahrhundertturnier stilisiert – und ausgerechnet Außenseiter Tschechien gewann es damals.

Martin Ručinský  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Neben Jágr und Torwart-Legende Dominik Hašek gehörte auch Martin Ručinský zu den damaligen Olympiasiegern. Der heutige Manager der tschechischen Nationalmannschaft nahm noch an zwei der weiteren vier Olympiaturniere teil, bei denen auch NHL-Profis starteten.

„Alle, auch die Fans, halten es mittlerweile für selbstverständlich, dass die NHL-Spieler bei Olympia starten. Doch so selbstverständlich ist das nicht. Es war der gute Wille der NHL-Bosse, dass sie die Spieler dafür freigestellt haben“, so Ručinský.

Knapp ein Jahr vor dem Turnier in Pyeongchang haben die Bosse diese Tür nun zugeschlagen. Der tschechische Nationaltrainer Josef Jandač hatte mit solch einer Entscheidung gerechnet. Andererseits hatte er bis zuletzt gehofft, dass sie nicht kommen möge.

Josef Jandač  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Ich habe vor allem wegen der Fans gehofft, denn für sie spielen wir Eishockey. Und natürlich auch wegen der besten Spieler der Welt. Denn ihre Teilnahme ist die Voraussetzung, dass hochwertiger Sport geboten wird“, sagt der Nationaltrainer.

Nun aber werden die Stars ihr Können nicht bei den Spielen unter Beweis stellen dürfen – und es so auch nicht der Weltöffentlichkeit zeigen. Darüber ist ebenso der tschechische Profi Tomáš Hertl von den San José Sharks sehr enttäuscht. Seiner Meinung nach gibt es wohl keinen Spieler, der einen Start bei Olympia ablehnen würde, so Hertl. Als Gründe für den Beschluss der NHL-Verantwortlichen wird häufig genannt, dass sich die Spieler unnötig verletzen könnten, die Unterbrechung des Ligabetriebs wegen Olympia finanzielle Einbußen nach sich ziehe und Pyeongchang als Austragungsort der Spiele einfach zu unattraktiv sei. Martin Ručinský hat dazu jedoch seine eigene Theorie:

Foto: Petr Kadeřábek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Die Kanadier wollten 1998 unbedingt gewinnen. Sie wollten sich vor aller Welt beweisen. Das hat nicht geklappt, sie haben jedoch festgestellt, dass dieses Turnier eine hervorragende Sache ist. Jetzt haben sie ihre Meinung wohl geändert. Sie haben bei Olympia dreimal gewonnen, und ihre Motivation ist nun anscheinend nicht mehr so groß.“

Dafür sehen andere Nationen ihre Chancen nun steigen. Auch die tschechischen Fans träumen im sozialen Netz schon wieder vom Olympiasieg. Trainer Jandač aber dämpft diesen Optimismus:

„Natürlich war die Dominanz der Teams aus Übersee, besonders von Kanada, bei den letzten Turnieren enorm. Durch die Absage der NHL steigen möglicherweise unsere Chancen, aber nicht nur unsere, sondern auch die anderer Mannschaften.“

Autor: Lothar Martin
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