„Sie sagten, ich solle mitkommen“ – Missionar Jašek über seine Inhaftierung im Sudan

Petr Jašek (Foto: Tschechisches Fernsehen)

Der christliche Missionar und Journalist Petr Jašek war 14 Monate im Sudan inhaftiert. Ende Februar konnte die tschechische Diplomatie seine Freilassung erwirken. Vergangene Woche hat der 52-Jährige erstmals dem Tschechischen Rundfunk ein langes Interview über seine Zeit im Gefängnis gegeben. Wir bringen daraus die interessantesten Ausschnitte.

Petr Jašek  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Anfang Dezember 2015 reiste Petr Jašek nach Khartum, in die Hauptstadt des Sudan. Er wollte dort Filmaufnahmen machen über die Verfolgung von Christen in dem mehrheitlich muslimischen Land. Der Tscheche ist Missionar. Er arbeitet für den US-amerikanischen Zweig der Hilfsaktion Märtyrerkirche. Besonders interessierte ihn der Fall eines Studenten, der bei einer Demonstration in Khartum durch Molotow-Cocktails verletzt worden war:

„Ich habe meine Reise vorab mit christlichen Vertretern aus dem Sudan abgesprochen. Sie willigten ein. Ich habe mir ein Touristenvisum für vier Tage besorgt, was sehr einfach war. Dafür reichten die Reservierung in einem Hotel und das Rückflugticket. Für jeden Tag hatte ich Interviews mit sudanesischen Christen abgesprochen. Wir haben uns meist an neutralen Plätzen getroffen, etwa in Cafés. In zwei Fällen war das aber anders. Ich bin auch zu einer Kirche gefahren, die teils zerstört war. Und dann habe ich den Studenten besucht, der bei einer Demonstration Verbrennungen erlitten hat. Ich habe fotografiert und ein Gespräch aufgenommen.“

„Mir tippte ein Mann auf die Schulter und sagte in gebrochenem Englisch, er sei von der sudanesischen Staatssicherheit.“

Außerdem überreichte Jašek die Erlöse einer Spendensammlung für den verletzten Studenten.

Nach den vier Tagen wollte der Missionar wieder abfliegen.

„Am 10. Dezember bin ich ganz normal am Flughafen zum Check-in-Schalter der kenianischen Fluggesellschaft gegangen. Ich sollte über Nairobi und Amsterdam nach Prag zurückfliegen. Mir wurden die Bordkarten für alle drei Flüge ausgehändigt. Dann habe ich mich umgedreht und wollte zur Passkontrolle gehen. In dem Moment tippte mir ein Mann auf die Schulter und sagte in gebrochenem Englisch, er sei von der sudanesischen Staatssicherheit, und ich solle mitkommen.“

Petr Jašek  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Zunächst dachte sich Petr Jašek allerdings nichts Schlimmes. Auch bei früheren Reisen war er schon das eine oder andere Mal befragt worden, was er denn im Land gemacht habe. Doch die Beamten wollten auch seinen Laptop, den Fotoapparat, die Kamera und sein Handy. Währenddessen war der Flug nach Nairobi schon längst gestartet.

„Durch die Verzögerungstaktik und den Umstand, dass sie praktisch keine Fremdsprache sprachen, wurde mir klar: Sie hatten mich in irgendeiner Weise festgenommen. Ich besitze legal drei Reisepässe. Wegen meiner häufigen Reisen liegt immer einer davon bei irgendeiner Botschaft, weil ich ein Visum beantragt habe. Ich reise also mindestens mit zwei Pässen. Als sie das sahen, war für sie klar, dass ich ein Spion sein müsste. Und das bedeutete für mich, dass sie mich wohl mitnehmen.“

Petr Jašek wurde seinen Aussagen nach 23 Stunden lang verhört. Die Ermittler seien den Umständen entsprechend korrekt gewesen, behauptet er. Dies konnte er von seinen Mitgefangenen jedoch nicht sagen:

„Ich erzählte von den Anschlägen in Paris. Da begannen sie Allahu akbar zu rufen.“

„Ich wurde in der ersten Nacht in eine Zelle gebracht, die für einen Gefangenen gedacht war, mit einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl. Wir waren dort aber, glaube ich, zu siebt. Ich erhielt keine Decke. Als ich mich beschwerte, hieß es, ich sei aus Tschechien und an den Winter gewöhnt. Man werde mir keine Decke geben. Am Morgen fragten mich meine Mitgefangenen aus. Sie wollten wissen, was es Neues in der Welt gebe. Mir fiel in dem Moment nichts Besseres ein, als sie zu fragen, ob sie von den Terrorangriffen am 13. November in Paris gehört hätten. Sie verneinten. Ich sagte ihnen, dass bei koordinierten Anschlägen von Islamisten an mehreren Orten in Paris über 120 Menschen getötet wurden. Kaum hatte ich fertiggesprochen, begannen sie alle Allahu akbar zu rufen. Mir war klar, dass ich ihnen keine weiteren Informationen geben sollte.“

Illustrationsfoto: sakhorn38,  FreeDigitalPhotos.net
Doch das sollte nur der Beginn sein.

„Zunächst begannen sie, immer weitere Forderungen zu stellen an mein Verhalten während ihrer Gebete. Ich habe gleich von Anfang an versucht, mich von ihnen in dem Moment fernzuhalten. Sie sagten, ich müsste hinter ihnen stehen, weil sie mich beim Gebet nicht anschauen dürften. Dann hieß es, ich sollte währenddessen aufs Klo gehen, das Teil der Zelle war. Das alles begann so weit zu eskalieren, dass sie mir befahlen, in die Kloschüssel zu schauen.“

Nach gut zehn Tagen ließ sich ein weiterer Mann in die Zelle verlegen, er gab sich als der Anführer der Mitinhaftierten aus. Der Mann war verurteilt, weil er Waffen aus dem Sudan nach Europa geschmuggelt haben soll.

„Als sie die Vorbereitungen für ein Waterboarding trafen, bekam dies der Aufseher mit.“

„Er war so eine Art Kapo und hat mich erst beleidigen lassen. Dann wurde ich geschlagen, was in Folter überging. Als Letztes planten sie, mich einem sogenannten Waterboarding zu unterziehen. Da wird man mit dem Rücken auf den Boden gelegt, bekommt ein Tuch vor den Mund, und es wird einem Wasser eingetrichtert. Mir sagten sie, dass würde geschehen, weil Tschechien der CIA ermöglicht haben soll, diese Folterpraktiken an Al-Qaida-Mitgliedern anzuwenden. Dabei war das eine Fehlinformation. Als sie bereits die Vorbereitungen für das Waterboarding trafen, bekam dies der Aufseher mit, den sie nicht gerne mochten und der mit ihnen nicht sympathisiert hat. Er öffnete die Zellentür und rief, ich sollte sofort meine Sachen packen. Er führte mich in eine benachbarte Zelle. Dort waren angenehmere Mitgefangene.“

Khartum  (Foto: Bertramz,  CC BY 3.0)
Petr Jašek war über ein Jahr lang in Haft. In dieser Zeit haben ihm besonders die Besuche durch tschechische Diplomaten geholfen. Sie haben seine Moral gestärkt:

„Meine Familie hatte ziemlich bald in meinem Hotel in Khartum angerufen und am Flughafen. Sie wusste, dass ich die Boarding-Karte abgeholt hatte, aber nicht ins Flugzeug eingestiegen bin. Es musste also auf dem Flughafen etwas geschehen sein. Sie informierten die tschechische Diplomatie, und die begann sofort zu verhandeln. Den Diplomaten gelang etwas für sudanesische Verhältnisse Unglaubliches: Sie konnten mich bereits nach elf Tagen Haft besuchen. Am 21. Dezember kam Herr Štěpán Sláma von der tschechischen Botschaft in Kairo, die sich auch um den Sudan kümmert.“

Jaromír Vejrych  (Foto: Archiv des Gymnasiums in Broumov)
Die Diplomaten brachten ihm halbwegs gute Nachrichten. Angeblich würde der Sudan die Gefangenen aus EU-Ländern nach drei Monaten wieder laufen lassen. Doch im Fall von Petr Jašek stellte sich dies als falsch heraus. Stattdessen begann im August vergangenen Jahres der Prozess gegen ihn und zwei einheimische Christen, die damals auch verhaftet worden waren. Die Anklage lautete unter anderem auf Spionage. Und die Zeitungen im Sudan schlachteten dies weidlich aus. Mittlerweile bekam Jareš meist Besuch vom Kulturattaché an der tschechischen Botschaft in Kairo, Jaromír Weirich.

„Als Herr Weirich mich am 5. September besuchte, habe ich ihm fast im Scherz gesagt: So wie wir in der Presse präsentiert werden, gehe ich von 20 Jahren Gefängnis aus. Er sagte, nein, im Sudan würden die politischen Gefangenen meist nur zu so viel verurteilt, wie sie bereits abgesessen haben.“

„So wie wir in der Presse präsentiert wurden, ging ich von 20 Jahren Gefängnis aus.“

Im Januar dieses Jahres kam das Urteil: 20 Jahre Haft. Ein Schock für die tschechische Diplomatie, und das führte wohl zu verstärkten Anstrengungen. Währenddessen hielt sich Petr Jašek vor allem an seinem Glauben fest:

„Weil ich Christ und ein gläubiger Mensch bin, habe ich alles in relativer Ruhe durchleben können. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn ich nicht Kraft hätte schöpfen können aus meinem Glauben und aus meiner Beziehung zu Jesus Christus.“

Petr Jašek  (Foto: Prokop Havel,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Am 26. Februar war es dann soweit: Der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek flog in den Sudan. Zuvor war wohl die Freilassung von Petr Jašek diplomatisch vorbereitet worden. Einige Tage vor der Ankunft Zaoráleks wurde der Inhaftierte bereits in eine Wohnung des Geheimdienstes überführt.

„Sie brachten mich zuerst zu einem Frisör. Denn ich hatte einen 20 Zentimeter langen Vollbart und meine Haare waren zu einem Zopf gebunden, nach den vierzehneinhalb Monaten Haft. Sie sagten, ich sollte meine Haare schneiden und mich rasieren lassen. Danach würde ich in eine Sauna gebracht, um mich frisch zu machen. Es war zu sehen, dass sie nichts dem Zufall überlassen wollten. Ich sollte wohl gesund und verjüngt aussehen trotz der langen Zeit der Haft.“

„Ich hatte einen 20 Zentimeter langen Vollbart und die Haare zu einem Zopf gebunden.“

Letztlich konnte Petr Jašek in der Regierungsmaschine zusammen mit Außenminister Zaorálek auf direktem Weg nach Prag zurückkehren. Am Flughafen gaben beide eine Pressekonferenz. Doch erst dann kam der Moment, auf den Jašek so lange gewartet hatte:

„Gegen Ende meiner Haftzeit hatte ich zwar die Möglichkeit, das ein oder andere Mal mit meiner Familie zu telefonieren. Aber einander ins Gesicht schauen zu können und sich zu umarmen – das war wohl der emotionalste Moment.“

Mittlerweile hat sich Petr Jasek auch in einem Prager Krankenhaus durchchecken lassen. Alle Tests seien hervorragend ausgefallen, sagt er. Aber wie sieht die Zukunft für den Missionar aus?

„Ich will mich nun vor allem erholen. In der nächsten Zeit werde ich auch erst einmal nirgendwo hinreisen. Ich möchte Zeit mit meiner Familie verbringen. Aber ich werde mit meinen Mitarbeitern in Kontakt bleiben und die Entwicklung verfolgen. Und nach einer gewissen Zeit werde ich wieder zu meiner Arbeit zurückkehren.“