Hungersteine in der Elbe: Tschechien kämpft mit dem Wassermangel
Wer an den vielen Teichen in Südböhmen vorbeifährt, kann es eigentlich kaum glauben: Tschechien ist ein ungemein trockenes Land. Zahlreiche Gemeinden leiden an Wassermangel und der regenarme Sommer dieses Jahr hat die Lage sogar noch verschärft. An der schwindend niedrigen Elbe sind nun sogar Relikte aus vergangenen Zeiten aufgetaucht, die eigentlich auf schlechte Zeiten hinweisen.
„In diesem Jahr war die Lage schlimmer als sonst, da der Grundwasserspiegel weit tiefer lag. Viele Menschen hier, die vergangenes Jahr noch fließend Wasser hatten, haben dieses jetzt nicht mehr. Ende Juli sollte alles schon wieder in Ordnung sein und im August hieß es dann ‚bald haben wir wieder Wasser‘. Jetzt ist September und ich bin gespannt, ob das Wasser im Laufe des Monats noch kommt.“
Und dort, wo es Wasser gibt, ist es meist von sehr schlechter Qualität, wie jüngste Untersuchungen in dem Gebiet zeigten.Kobylí Hlava ist nur einer von mehreren Orten in Tschechien, die zurzeit an massivem Wassermangel leiden. Das hat auch einen Grund, sagt Jan Hodovský. Er ist Generaldirektor der Wasserverwaltung in Mähren:
„Die Tschechische Republik ist bildlich gesehen das Dach Europas. Der größte Teil des Wassers fließt schlichtweg aus dem Gebiet Tschechiens ab. Wenn wir verantwortungsvoll wirtschaften wollen, auch mit Hinblick auf kommende Generationen, müssen wir das Wasser stärker im Land halten. Und das nicht nur in Stauseen, sondern ebenso im Boden.“
Hodovský ist sich aber wie andere auch bewusst, dass dies vor allem Deutschland nicht gefallen kann. Immerhin sitzt Tschechien am Schalthebel für den Elbwasserstand und kann bei Bedarf das Elbwasser abzweigen oder ganz zurückhalten. Auch die Dresdner Regionalausgabe der deutschen Bild-Zeitung ätzte bereits im vergangenen Jahr in Richtung Prag. „Tschechen, rückt die Elbe raus!“, hieß es in einem ihrer Titel. Die Deutschen würden sich in dieser Lage aber nicht anders verhalten und genauso vorrangig zunächst auf die Versorgung der eigenen Bürger schauen, so Hodovský.
In einem Dürrejahr wie 2016 gibt es jedoch auch an der Elbe nicht viel Wasser, das man für sich nutzen könnte. Das belegen Relikte im Flussbett der Elbe beim nordböhmischen Děčín / Tetschen, die unlängst wieder aufgetaucht sind – die sogenannten Hungersteine. Es handelt sich dabei um Felsen, die bei außerordentlich niedrigen Wasserständen freigesetzt werden. Die Bewohner von Děčín ritzen dann seit jeher die Jahreszahl ein, in der der jeweilige Tiefstand erreicht wurde. Doch auch Elbschiffskapitäne verewigten sich in den Steinen, wenn sie an einer Stelle auf Grund liefen. Die Hungersteine deuteten in der Geschichte immer auf Dürre und schlechte Zeiten hin. Deswegen steht auch auf dem bekanntesten Exemplar, das sich in der Nähe der Tyrš-Brücke in Děčín befindet, folgendes unter der Jahreszahl 1800 geschrieben: „Wenn du mich siehst, dann weine!“Kurzfristig sei eine Besserung der Lage in Tschechien nicht in Sicht, so Taťána Míkova, Chefmeteorologin beim Tschechischen Fernsehen. Sie hoffe deswegen auf den Winter:
„Um es in Zahlen auszudrücken, es fehlen uns in Tschechien zurzeit im Schnitt rund 200 Liter pro Quadratmeter. Falls diese nun auf einmal als Regen herunterkommen würden, brächte das aber gar nichts. Das ganze Wasser würde nicht in den Boden sickern und sofort über die Flüsse verschwinden. Nötig wäre eine Schneedecke von etwa zwei oder drei Metern, die den Winter über langsam abtaut.“