Das Auge sieht die Welt – Werkschau des Malers Friedrich Feigl
Die Galerie der bildenden Künste in Cheb / Eger befasst sich systematisch mit den deutschsprachigen Künstlern, die in der Vergangenheit auf dem Gebiet des heutigen Tschechien gewirkt haben. Fast jedes Jahr wird eine Werkschau oder eine Gruppenausstellung zu diesem Thema gezeigt. Derzeit sind Bilder des deutsch-jüdischen Malers Friedrich Feigl zu sehen, der 1884 in Prag geboren wurde und 1965 in London starb. Ein Thema, das in der Luft lag, meint Marcel Fišer, der Direktor der Galerie der bildenden Künste in Eger. Friedrich Feigl sei nämlich bislang von den Kunsthistorikern wenig beachtet worden. Ein Gespräch mit Marcel Fišer.
„Friedrich Feigl gehört zu den bedeutendsten Vertretern der Avantgarde hierzulande. Er war allerdings ein untypischer Vertreter dieser Avantgarde, die mit dem Gebiet des heutigen Tschechiens verbunden ist. Er wendete sich nämlich nicht dem Kubismus zu, wie dies für seine tschechischen Malerkollegen üblich war, zum Beispiel für Emil Filla oder Bohumil Kubišta. Feigls Werk ist eher in einem expressionistischen Geist gehalten, was mit dem Umstand zu tun hat, dass Friedrich Feigl Deutscher war. Die hiesigen deutschen Künstler orientierten sich vorwiegend an der modernen Kunst der deutschsprachigen Länder.
Friedrich Feigl war eines der Gründungsmitglieder der Künstlervereinigung Die Acht, tschechisch Osma. In dieser Gruppe hatten sich tschechische, deutsche und jüdische Künstler zusammengeschlossen, die sich für die Moderne begeisterten. Worum ging es den Künstlern dieser Gruppe?
„Die Gruppe Osma war die erste radikale Vereinigung der böhmischen Avantgarde. Sie entstand als Reaktion auf die neuen künstlerischen Strömungen im damaligen Europa, zum Beispiel auf das Werk Edvard Munchs oder den Expressionismus der Dresdner Gruppe Die Brücke. Die Künstler der Vereinigung Die Acht wollten diese zeitgenössischen europäischen Strömungen nach Böhmen bringen. Die internationale Avantgarde aber war ein übernationales Phänomen. Und die Mitglieder der Gruppe Die Acht vertraten den Standpunkt, wenn der Begriff des Nationalen bei der Avantgarde in anderen Ländern keine Rolle spiele und es gleich sei, ob der Künstler ein Spanier oder ein Franzose sei, dann sollte man das auch in der einheimischen Kunst so halten.“Wann wurde die Künstlervereinigung Die Acht gegründet?
„Die Gruppe Osma entstand im Jahr 1907.“
Friedrich Feigl ging aber einige Jahre später nach Berlin, wo er von 1911 bis 1933 lebte. Welchen Künstlerkreisen hat sich Friedrich Feigl in Berlin angeschlossen und wie manifestiert sich die Berliner Zeit in seinem künstlerischen Werk?„Friedrich Feigl knüpfte bald Beziehungen zu den progressivsten Berliner Künstlern. Er arbeitete zum Beispiel auch mit dem berühmten Galeristen und Verleger Paul Cassirer zusammen. Interessant ist, dass er in Berlin vor allem als Buchillustrator großen Erfolg hatte. Seine Illustrationen gehören zu den besten der damaligen Zeit. Er begann sich also in Berlin intensiv mit der Graphik zu beschäftigen und arrangierte seine graphischen Blätter zu mehreren Alben, die er in Berlin herausbrachte.
Sie sagten bereits, dass Friedrich Feigl ein umfangreiches graphisches Werk geschaffen hat, das war einer seiner Schwerpunkte, doch er war sehr vielseitig.
„Wir haben uns bemüht, dieses breite Spektrum auch in unserer Auszustellung zu veranschaulichen.“
„Diese breite Streuung der Techniken und Mittel ist in der Tat bezeichnend für Friedrich Feigl. Wir haben uns bemüht, dieses breite Spektrum auch in unserer Auszustellung zu veranschaulichen. Dabei sind sowohl klassische Gemälde in Öl als auch zahlreiche Zeichnungen vertreten, die teilweise sehr eindrucksvoll und auch großflächig sind, sodass sie wirklich Bildcharakter haben. Wir heben in der Ausstellung zudem auch die graphischen Alben Friedrich Feigls hervor.“
Friedrich Feigl hat sich in den 1920er und 1930er Jahren in zahlreichen Werken künstlerisch mit der biblischen Heimat der Juden, Palästina, auseinandergesetzt, unter anderem in seinem Graphikalbum „Orient“. Wie hat Friedrich Feigl diese ersehnte Heimat der Juden in Palästina dargestellt?„Die jüdische Thematik war für Friedrich Feigl sehr wichtig, und zwar schon in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als er sich der zionistischen Bewegung annäherte, die eines ihrer Zentren in Prag hatte. Feigl illustrierte sogar einen Sammelband, der anlässlich des zionistischen Weltkongresses 1921 in Karlsbad erschien. Der Künstler befasste sich in den 1920er Jahren immer wieder mit biblischen Motiven und malte einige sehr ausdrucksvolle biblische Landschaften, die ein wenig an Oskar Kokoschkas Darstellungen Jerusalems erinnern. Er bildete die Landschaft Palästinas sehr expressiv, zugleich aber auch realistisch ab, was übrigens für sein gesamtes Werk kennzeichnend war.“
„Feigl geht in seinem gesamten Schaffen von der Wirklichkeit aus, er hat sich die radikalen Deformationen und formalen Experimente nie zu eigen.“
Diese Bilder sind im nächsten Raum ausgestellt. Lassen Sie uns hinübergehen und eines beschreiben, das besonders ausdrucksvoll oder typisch für diese Schaffensphase und diese Thematik ist… Also hier stehen wir nun vor dem Ölgemälde „Rebekka und Elieser beim Brunnen“ aus dem Jahr 1926, einer Leihgabe des Jüdischen Museums in Prag.
„Dieses Gemälde ist in dem für Feigl typischen figurativen Stil gehalten. Es ist mit kräftigen schwarzen Konturen versehen, was mit der wichtigen Rolle der Zeichnung in Feigls Gesamtwerk zusammenhängt. Zugleich sind die Farben übertrieben grell, um die von der Sonnenglut erhitzte Landschaft Palästinas auszudrücken. Doch büßt Feigls Darstellung anderseits die Bindung an die Realität nicht ein. Deshalb trägt die Ausstellung auch den Titel ‚Das Auge sieht die Welt‘. Feigl geht in seinem gesamten Schaffen von der Wirklichkeit aus, er hat sich die radikalen Deformationen und formalen Experimente nie zu eigen gemacht, die wir etwa aus dem Kubismus und der abstrakten Kunst kennen.“
Nach der Rückkehr aus Berlin nach Prag wurde Friedrich Feigl 1934 zum Vorsitzenden des Prager deutschen Vereins Prager Sezession gewählt. Was war das für ein Verein?„Das war der größte und repräsentativste Verein der deutschen bildenden Künstler, die im tschechischen Milieu wirkten. Die Gründung dieses Vereins hatte Max Kopf angeregt, ein anderer bedeutender deutsch-böhmischer Künstler der Zwischenkriegszeit. Als Feigl aus Berlin nach Prag zurückkehrte, wurde er als führender deutscher Künstler hierzulande wahrgenommen, er war auch schon im reifen Alter, deshalb hat man ihn an die Spitze des Vereins Prager Sezession gewählt.“
Friedrich Feigl war nicht freiwillig nach Prag zurückgekehrt, sondern aufgrund dessen, dass die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht gekommen waren. Und er floh ein zweites Mal vor den Nationalsozialisten ins Ausland, und zwar 1939 nach Großbritannien. Er wanderte mit der diplomatischen Unterstützung seines Freundes Oskar Kokoschka aus und blieb dann bis zu seinem Tod im Jahre 1965 in London. Wie gestaltete sich das künstlerische Wirken Friedrich Feigls in dieser letzten Lebensphase?
„Feigls Werk weist Züge einer durchgehenden Kontinuität auf. Das gilt auch für diese letzte Phase, in der wir ähnliche Motive und einen ähnlichen Stil finden wie in den vorausgehenden Schaffensperioden. Feigl malte Landschaften aus London und dem Umland, aber auch Bilder zu jüdischen Themen, Porträts. Besonders dabei Porträts seiner Freunde aus dem Umkreis des Museums Ben Uri, das die jüdische Emigration um sich vereinigte.“Feigl schuf auch mehrere Porträts seiner Frau Margarete, die er in Berlin kennengelernt hatte. War sie mit ihm zusammen nach London ausgewandert?
„Es ist Feigl geglückt, zusammen mit seiner Frau Margarete nach London zu gehen, anders als den übrigen Mitgliedern seiner Familie. Drei Geschwister von Friedrich Feigl wurden in Konzentrationslagern ermordet, nur sein Bruder Hugo, ein namhafter Prager Galerist, konnte sich durch die Emigration in die USA retten.“Hat sich Friedrich Feigl künstlerisch auch mit der Thematik des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust auseinandergesetzt?
„Diese Problematik ließ Friedrich Feigl beiseite, ich habe das Gefühl, dass er sie verdrängte. Feigl brach auch alle Brücken nach Berlin und Prag ab, er versuchte sich in London zu etablieren und ein neues Leben aufzubauen.“
Der Kurator der Ausstellung „Das Auge sieht die Welt“ ist Nicholas Sawicki. Können Sie unseren Hörern Nicholas Sawicki kurz vorstellen?
Der von Marcel Fišer, dem Direktor der Galerie der bildenden Künste in Eger, erwähnte Ausstellungskatalog ist noch in Arbeit und soll in etwa einem Monat erscheinen, dann aber in Tschechisch und in Deutsch. Die Werkschau Friedrich Feigls „Das Auge sieht die Welt“ ist noch bis zum 25. September zu sehen.
„Nicholas Sawicki wirkt in den Vereinigten Staaten, doch er interessiert sich bei seiner wissenschaftlichen Tätigkeit besonders für die tschechische Kunst. Sawicki hat etwa ein Jahr lang in Prag studiert und spricht gut Tschechisch. Er hat über die Künstlervereinigung Die Acht ein Buch herausgebracht. Deshalb haben wir ihn gefragt, ob er nicht dieses Thema für uns bearbeiten möchte, und Nicholas Sawicki hat nicht nur diese Ausstellung, sondern auch eine Publikation dazu gestaltet.“