Das Vertrauen der Bürger wiedergewinnen: Visegrád-Gruppe trifft sich zum Brexit
Seit vergangenem Freitag schrillen überall in der EU die Alarmglocken. Von Lissabon über Brüssel bis nach Warschau weiß niemand so wirklich, wie es nach dem Yes zum Leave der Briten weitergehen soll. Vor allem die Angst vor Alleingängen ist groß. Dennoch haben sich seit dem Wochenende die Chefdiplomaten der Gründerstaaten der EWG und nun der Visegrád-Gruppe getroffen.
„Jetzt hängt alles davon ab, ob wir, die anderen 27 Staaten der Europäischen Union, uns als willens und fähig erweisen, in dieser Situation keine schnellen und einfachen Schlüsse aus dem Referendum in Großbritannien zu ziehen. Diese würden Europa nur weiter spalten. Vielmehr hängt alles davon ab, ob wir willens und fähig sein werden, die Lage in Ruhe und Besonnenheit zu analysieren und zu bewerten. Auf dieser Grundlage sollen gemeinsam die richtigen Entscheidungen getroffen werden.“
Bevor aber eine gemeinsame Lösung gesucht wird, ist es doch wieder zu einer Grüppchenbildung gekommen. Gerade Deutschland hat sich zunächst auf den kleinen Kreis der EG-Gründerstaaten gestützt, noch bevor die Verhandlungen in großer Runde beginnen konnten. In Prag haben sich nun die Außenminister der Visegrád-Staaten getroffen, um die Situation nach dem Ja zum sogenannten Brexit zu beraten. Ihrem Treffen wohnten auch der deutsche Außenamtschef Frank-Walter Steinmeier und der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault bei.Der Tenor der Visegrád-Staaten klang dabei ähnlich dem der deutschen Bundeskanzlerin. Der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek betonte dabei:
„Wir sind uns in einem einig: Die Debatte um die Zukunft der EU muss auf einer gemeinsamen Ebene der 27 Mitgliedsstaaten verlaufen. Ich bin davon überzeugt, dass eine Schlüsselrolle dabei die politischen Spitzen der jeweiligen Staaten und der Europäische Rat haben werden.“Zaorálek betont die Bedeutung der einzelnen Mitgliedsländer bei den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich. Dabei wird die Haltung der Visegrád-Staaten deutlich, eher auf Distanz zu einem Bundesstaat Europa zu gehen. In den Ländern herrscht eine gewisse Angst, seine Bürger mit einem zu großen Konzept von Europa zu verschrecken. Lubomír Zaorálek:
Nach allem, was man verfolgen konnte, sei eine überhastete Vertiefung der EU-Integration die falsche Antwort, so der tschechische Außenminister. Aber auch sei es schlecht, so zu tun, als ob nichts geschehen sei.Der tschechische Chefdiplomat sieht eine besondere Rolle der Slowakei bei den kommenden zähen Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich. Immerhin übernehme das Nachbarland die EU-Ratspräsidentschaft im kommenden Halbjahr. Der slowakische Außenminister Miroslav Lajčak:
„Die Menschen, vor allem jetzt in Großbritannien, aber auch in den anderen Staaten der EU, haben es verdient zu wissen, worum es geht und worüber sie abstimmen. Diesen Prozess des Verstehens sollten wir endlich einleiten.“Der Slowake sieht zudem viel Arbeit auf die EU zukommen in der nächsten Zeit. Man solle sich in den Ländern gut überlegen, warum die Union immer mehr an Vertrauen bei den Bürgern verliert, so Lajčak. Wahrscheinlich treffe sie den Nerv der Menschen nicht mehr. Was aber auf keinen Fall sein darf, sei ein erhobener Zeigefinger.