„Heumanderl“ in Prag – Österreicherin ONA B. installiert für Skulpturenfestival
Seit Anfang Juni beleben Skulpturen oder Installationen von tschechischen und ausländischen Künstlerinnen und Künstlern mehrere Orte in Prag. Es sind insgesamt 20 Kunstwerke, die im Rahmen des Festivals „Sculpture Line“ gezeigt werden. So schwimmt ein sieben Meter langes Fragezeichen vom japanischen Künstler Junichiro Ishii beim Künstlerzentrum Mánes auf der Moldau, und imposante Pferde aus Bronze von Michal Gabriel galoppieren über die Piazzetta beim Nationaltheater. Im Hof des Palais Nostitz, in dem das Kulturministerium seinen Sitz hat, steht wiederum eine aus rot gestrichenen Holzstücken zusammengestellte Skulptur. Die österreichische Künstlerin ONA B. hat die Skulptur gefertigt und nennt sie: „Das Heu ist schon trocken in den Bergen“. Ein Interview mit der Künstlerin.
„Ursprünglich war das eine Landart-Installation, die auf einer großen Fläche entstanden ist. Es waren 400 Stück von diesen Heutrockengestellen, für die es viele Namen gibt wie ‚Heumanderl‘ und ‚Stangger‘. Diese Gestelle werden nicht mehr verwendet, weil alles maschinell geerntet wird. Früher war sie aber ein wichtiges Instrument: Das Gras wurde geschnitten, und das Heu wurde auf diesen Gestellen dann getrocknet. Bei einem Landart-Symposium in Finnland, zu dem ich eingeladen war, hat mich das sehr fasziniert. Mit tschechischen und finnischen Künstlern gemeinsam habe ich in einer Scheune diese Elemente entdeckt und gefragt, ob ich sie benutzen darf. Dann ist eine ganz große Idee entstanden, und ich habe die Installation zuerst auf einem großflächigen Areal gemacht und dann auch in New York und in Österreich. Jetzt habe ich daraus eine andere Skulptur entwickelt: nicht in der Fläche, sondern gebündelt. Es hat jetzt eine ähnliche Form wie so eine Ähre, eigentlich wie ein Heumanderl.“
Wussten Sie zuvor, wo die Skulptur stehen wird? Konnten Sie sich den Ort in Prag vorher anschauen?„Nein, das konnte ich nicht. Aber ich bin sehr flexibel. Für mich ist das auch interessant, wenn solch eine Sache, die eigentlich aus der Natur kommt, mal in der Stadt präsentiert wird und den Gegensatz zeigt von der Vergangenheit und der Jetzt-Zeit. Ich finde das total interessant, das hier machen zu dürfen. Zudem finde ich es wichtig, dass Leute dies sehen, die es gar nicht mehr kennen und nicht wissen, was es eigentlich ist.“
Wie kam es dazu, dass sie am Festival Sculpture Line teilnehmen?
„Ich wurde speziell dazu eingeladen. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass dieses Heumachen eine sehr alte Kulturtradition ist. Die Skulptur schafft eine Verbindung von der Vergangenheit zu heute, sodass man sagen kann, dass diese Installation von alten Zeiten erzählt.“
Sie sprechen auch wunderbar Tschechisch. Wie kommt das?„Meine Großmutter hat mit mir Tschechisch gesprochen, als ich klein war. Mein Großvater hat ebenfalls Tschechisch gesprochen. Wir sind eine Familie aus der Monarchie – es gab die Wiener Tschechen über viele Generationen hin. Es hat nie aufgehört, dass wir beide Sprachen gesprochen haben.“
Könnten Sie Ihren Künstlernamen ONA B. näher erklären?
„Ihn habe ich schon sehr früh während des Studiums als Künstlernamen gewählt, weil ich mich mit meiner tschechischen Herkunft verbunden fühle und außerdem ONA (zu Deutsch „SIE“, Anm. d. Red.) einen femininen Zugang zur Kunst repräsentiert. Und das „B“ – ich wollte vorne im Alphabet stehen, mit dem „A“ klingt es aber nicht so schön. Und ein „B“ oder ein anderer Buchstabe mit einem Punkt hat immer in der Zeitung Leute symbolisiert, die verdächtig sind. Die werden immer mit dem Vornahmen und dem abgekürzten Nachnamen geschrieben. Mir hat das gefallen, und ich stelle mich sozusagen in die Reihe der ‚Verdächtigen‘.“
Das Tor in den Hof des Kulturministeriums, wo die Skulptur von ONA B. steht, ist unter der Woche von 7 bis 20 Uhr geöffnet. Am Wochenende kommt man nicht in den Hof. Das Prager Festival Sculpture Line geht noch bis 30. September.