Deutsche Firmen entdecken den Einkaufsmarkt Tschechien
Deutschland ist zwar Tschechiens wichtigster Handelspartner. Das heißt aber nicht, dass alles bereits ausgelotet und vergeben wäre. Deswegen haben CzechTrade und der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik vor kurzem tschechische und deutsche Firmen geladen – zu Geschäftsgesprächen beim sogenannten Sourcing Day.
„Ich habe heute hier sechs Gespräche. Eines habe ich bereits absolviert, mit Vertretern der Firma Kroenert. Sie waren sofort interessiert und haben gleich hier eine Anfrage an uns geschickt.“
Denip stellt Blecherzeugnisse her, und das per Lasertechnik. Die Kroenert GmbH wiederum ist ein Maschinenbauunternehmen und erstmals in Pilsen dabei. Arne Zühlke verantwortet den Bereich Verkauf:„Wir haben eigentlich von unserem Standort Hamburg aus nicht den richtigen Zugang zum tschechischen Markt. Wir möchten hier einfach neue Lieferanten kennenlernen. Wir sehen uns verschiedene Warengruppen an, die immer wieder für uns interessant sind. Dazu gehören Fertigungsteile, Drehteile und Frästeile – diese Produkte werden typischerweise sehr viele Firmen in Tschechien herstellen können. Deswegen haben wir gesagt, dass das Land für uns als Einkaufsmarkt interessant ist.“
So viele Teilnehmer wie noch nie
Bereits zum sechsten Mal wurde der tschechisch-deutsche Sourcing Day in Pilsen veranstaltet. Verantwortlich dafür ist die staatliche Handelsagentur CzechTrade, konkret das Büro in Düsseldorf unter der Leitung von Adam Jareš.„Das ist heute eigentlich eine Rekordveranstaltung. Wir haben hier Einkäufer von 16 ziemlich namhaften deutschen Firmen, die mit etwa 80 tschechischen Lieferanten sprechen. Das ergibt rund 250 terminierte Gespräche. Für die Teilnahme am Sourcing Day haben sich rund 150 Lieferanten beworben, es dürfen aber nur jene teilnehmen, die auch von einem deutschen Einkäufer für ein Gespräch ausgewählt wurden“, so Jareš.
Mit Bedacht gewählt ist auch der Veranstaltungsort Pilsen. Keine 70 Kilometer sind es nach Deutschland – eine strategisch gute Lage, betont Jareš. Beim Rathaus der Stadt hört man dies mit Freude. Der stellvertretende Oberbürgermeister Pavel Kotas macht daher auch seine Aufwartung im Wissenschaftlich-Technischen Park:„Wir sind sehr stolz darauf, dass die Veranstaltung gerade im Wissenschaftlich-Technischen Park ausgerichtet wird. Das ist schließlich ein erfolgreiches Projekt der Stadt Pilsen und wird gerne für Konferenzen solcher Art genutzt. Aus unserer Sicht haben die Sourcing Days zudem eine Bedeutung für die regionalen Firmen. Wir haben in der Stadt und im Kreis einige wichtige Arbeitgeber aus jenen Bereichen, die sich für die Kooperation mit Deutschland anbieten.“
Stichwort Kooperation. CzechTrade arbeitet zum zweiten Mal mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik zusammen. Im vergangenen Jahr hatte der BME drei Firmen zum Sourcing Day gebracht, diesmal waren es zehn.„Als Bundesverband spüren wir, dass viele Unternehmen wieder Osteuropa als Sourcing-Markt wahrnehmen. Das liegt unter anderem daran, dass die Lohnkosten in China angestiegen sind, aber auch weitere Charakteristika den Markt in der Volksrepublik nicht mehr so attraktiv erscheinen lassen. Deswegen wollen viele Unternehmen hier verstärkt einkaufen“, sagt Lisa Immensack als zuständige Projektmanagerin beim BME.
Osteuropa ersetzt China
Zum zweiten Mal ist auch die Stabilus GmbH aus Koblenz dabei. Das weltweit agierende Unternehmen beliefert vorrangig die Autoindustrie, wichtigstes Produkt sind Gasfedern sowie ein elektromechanischer Spindelantrieb für den Kofferraum. Auf dem tschechischen Markt sucht Stabilus unter anderem Zulieferer für die Maschinen in seinen Werken, aber auch Lieferanten für die Serienprodukte. Christoph Trembaczowski, Einkaufschef des Unternehmens, lobt die Veranstaltung in Pilsen:„Wir haben letztes Jahr Lieferanten gefunden, mit denen wir bereits aktiv zusammenarbeiten. Die Erfahrungen sind gut. In Tschechien werden Zusagen gehalten, das ist uns sehr wichtig. Die Qualität der Produkte ist ähnlich wie in Deutschland. Und mich als Einkäufer interessiert letztlich dann auch der Preis.“
Einen konkreten Preisvergleich wagt Christoph Trembaczowski zwar nicht angesichts der verschiedenartigen Waren. Aber auch er verweist auf die niedrigeren Lohnkosten gegenüber Deutschland und auf billigeres Rohmaterial.Beim Sourcing Day in diesem Jahr hat Stabilus erneut einige mögliche Partner aus Tschechien gefunden. Doch die Arbeit fange erst an, sagt Trembaczowski.
„Das heißt, wenn wir wieder zurück sind in Koblenz, werden wir uns mit den Kollegen aus den verschiedenen Fachabteilungen zusammensetzen und das Ganze diskutieren. Die Lieferanten, die wir dann als sinnvoll erachten, werden wir freigeben. Ein solcher Freigabeprozess ist in der Automobilindustrie Standard. Gefordert werden unterschiedliche Dokumente, von Geheimhaltungsvereinbarungen bis zu Referenzanfragen. Wenn der Lieferant dann passt, geben wir ihn als Serienlieferanten frei – beziehungsweise er ist dann für Anfragen freigegeben und kann bei neuen Projekten mitberücksichtigt werden.“
Autoindustrie steht im Vordergrund
Laut dem Einkaufschef dauert der Freigabeprozess im Schnitt drei Monate. Das hänge aber auch ab von den Referenzen.
Obwohl es eine große Schnittmenge gibt zwischen den deutschen Einkäufern und den tschechischen Zulieferfirmen: Manchmal lässt sich nicht alles erfüllen. Die Kroenert GmbH hat eine breite Palette angefragt, darunter die Montage ganzer Produktionsanlagen weltweit. Die ersten Gespräche dazu verliefen aber noch nicht erfolgreich, wie Arne Zühlke gesteht:
„Wir haben hier schon zwei Gespräche geführt, bei denen wir gesagt haben, dass die Firmen das grundsätzlich könnten. Die Firmen sind allerdings eher klein und hier im lokalen Markt gut etabliert. Ob das aber die Firmen sind, um ins Ausland zu gehen? Der eine sagt zum Beispiel, wenn er in Deutschland sei, dann hole er sich deutsches Personal hinzu. Da hätten wir dann keinen großen Vorteil mehr.“
Wohl die richtigen Angebote gemacht hat hingegen Jiří Pour. Er leitet den Auslandsverkauf bei der Karsit Holding aus Jaroměř / Jermer in Ostböhmen. Die Firma fertigt Metallteile für die Autoindustrie – VW, Škoda oder Audi gehören bereits zum Abnehmerkreis. Demnächst könnte auch noch ein renommierter Heiztechnikkonzern hinzukommen, so Jiří Pour:„Es handelt sich um die Firma Viessmann. Von ihr liegt bereits eine konkrete Anfrage vor. Mit den Vertretern werde ich jetzt über einen Lieferauftrag verhandeln und über den Preis.“