Schluss mit dem Provisorium: Der Veitsdom bekommt eine neue Orgel

Foto: ČT24

Seit Jahrhunderten thront der Veitsdom über Prag, und unfertig wirkt er heute äußerlich gar nicht mehr. Im Inneren fehlt der Kathedrale auf dem Hradschin jedoch ein wichtiges Element: eine standesgemäße Orgel. Das soll sich bald ändern. 14 Orgelbauer aus ganz Europa konkurrieren derzeit um den Auftrag für eines der größten Instrumente in Tschechien.

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Es ist nicht so, dass der Veitsdom keine Orgel hätte. Zum Nationalfeiertag in dieser Woche waren Werke vom Komponisten Jakub Jan Ryba zu hören. Doch zufrieden ist man in Prag mit dem Instrument schon lange nicht mehr. Štěpán Svoboda kümmert sich als Chef-Organologe um die Kircheninstrumente der Prager Erzdiözese.

„Die derzeitige Kathedrale verfügt über ein Instrument, doch das war als Übergangslösung gedacht. Es hängt mit der Baugeschichte des Doms zusammen. An der Wende zum 20. Jahrhundert wurde beschlossen, den Dom im neugotischen Stil zu erweitern. Bestandteil dieses Anbaus war auch ein neuer Chor, in dem eine große Orgel ihren Platz finden sollte – vergleichbar mit den Orgeln in den Kathedralen anderer Länder in Europa und auf der Welt.“

Die Orgel von 1929 ist ein Provisorium

1929 wurde die Erweiterung schließlich abgeschlossen. Auch der erste tschechoslowakische Staatspräsident Masaryk war anwesend, als das nationale Prestigeprojekt eingeweiht wurde. Doch aus der großen, schönen Orgel direkt über dem Haupteingang wurde nichts – auch aus finanziellen Gründen.

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„Stattdessen wurde ein Instrument eingebaut, das eigentlich als Provisorium konzipiert war und in einem Seitenchor seinen Platz fand, im sogenannten Wohlmuth-Chor. Dieses Instrument steht dort bis heute. Es ist kleiner, es hat nur drei Manuale und etwa 60 Register, und es reicht nicht aus, um die ganze Kathedrale – sowohl den alten als auch den neuen Teil – mit Tönen zu erfüllen. Und aus diesem Grund bauen wir im Westchor eine neue Orgel.“

Štěpán Svoboda  (Foto: ČT24)
Zu den 650 Orgeln, um die sich Štěpán Svoboda kümmert, soll dann ein echtes Meisterstück hinzukommen. Maßgeblich hinter der Entscheidung stehen die Hüter der tschechischen Kronjuwelen, die sogenannten „klíčníci“. Dazu zählen: der Staatspräsident, der Premier, die Vorsitzenden beider Parlamentskammern, der Erzbischof von Prag, der Dekan des Veitsdoms und die Bürgermeisterin von Prag.

„Vor zwei Jahren kam dieser Domrat zu dem Schluss, dass es Zeit sei für ein neues Instrument. Der Rat hat dann die Erzdiözese, verkörpert von Bischof Dominik Duka, überzeugt, dieses Projekt nun zu realisieren. Das heißt, man muss ausschreiben, sucht einen Orgelbauer, und dann baut man das Instrument.“

Dominik Duka  (Foto: ČT24)
In diesem Jahr haben die Vorbereitungen an Fahrt aufgenommen. Im April kam der Domrat in der St.-Veitskathedrale zusammen, und Erzbischof Dominik Duka unterstrich noch einmal, warum es nach dem Baubeginn im Auftrag von Kaiser Karl IV. im Jahr 1344 nun Zeit ist für die Orgel:

„Ich denke, die Entscheidung, einen neuen Orgelbau für die Kathedrale zu initiieren, ist wichtig, weil es schon der fünfte Anlauf ist. Eigentlich sollte man ja nicht auf ausgetretenen Wegen gehen. Der erste Versuch datiert aus der Zeit der Erweiterung durch den Architekten Kamil Hilbert – er ist nicht gelungen. Auch der zweite Plan wurde nicht realisiert, Gott sei Dank, können wir heute sagen, denn es war der Plan von Reinhard Heydrich. Dann gab es Anstrengungen des Nachkriegspräsidenten Edvard Beneš und des damaligen Erzbischofs Berán, auch nicht verwirklicht, und auch nicht der letzte aus der Zeit des Prager Frühlings. Wir als Träger der Schlüssel für die Kronjuwelen haben also die wichtige Rolle, dieses Erbe zu erfüllen und den Bau dieser Kirche für den Vater der Nation zu einem symbolischen Abschluss zu bringen.“

“Die Qualität misst sich nicht an der Zahl der Tasten und Pedale – der künstlerische Wert steht im Vordergrund.“

Dafür braucht es Geld. Ein Stiftungsfonds wurde gegründet – eingegangen sind bislang etwa zehn Millionen Krone – von Privatleuten und Firmen. Organologe Svoboda rechnet mit Gesamtkosten von etwa 80 Millionen Kronen (knapp drei Millionen Euro). Die größte tschechische Kirche muss aber nicht die größte Orgel erhalten, und in Metern lässt sich hier schon gar nicht messen:

„Die Größe eines solchen Instruments berechnet sich zum Beispiel nach der Anzahl der Tasten oder der Anzahl der Pedale. Das ist aber kein Maßstab für die Qualität des Instruments. Für uns ist eher der künstlerische Wert von Bedeutung. Natürlich wird die Orgel groß, damit sie der Größe der Kirche gewachsen ist und auch die Darbietung von Werken mit symphonischem Charakter ermöglicht. Aber auf der anderen Seite muss es nicht die größte Orgel in Böhmen werden.“

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Derzeit läuft nun die Ausschreibung für den Bau des Instruments. Die Zeitung Mladá fronta dnes vermeldete am Wochenende fast ein wenig konsterniert, dass sich unter den 14 Bewerbern kein tschechischer Orgelbauer befindet. Warum, erklärt Štěpán Svoboda.

„Es ist relativ einfach – der Innenraum der Kathedrale ist unglaublich groß. Keine der heute noch existierenden tschechischen Firmen hatte bislang die Möglichkeit, so ein großes Instrument zu bauen. Sie würde also eine Art Prototyp errichten – das kann gut gehen, muss aber nicht. Darum haben wir uns an Orgelbauer im Ausland gewandt, von denen wir wissen, dass sie in den letzten Jahren große Instrumente für große Räume gebaut haben.“

“Wir stehen unter Zeitdruck. 2018 feiern wir den 100. Jahrestag der Staatsgründung, und die Orgel sollte dann wenigstens teilweise fertig sein.“

Im Spiel sind nun fünf deutsche Firmen, vier Schweizer und auch Bewerber aus Großbritannien, Österreich, Frankreich, Spanien und den Niederlanden. Die Entscheidung, wer die Orgel für den Veitsdom bauen darf, muss schon bald fallen. Štěpán Svoboda:

„Wir stehen unter einem gewissen Zeitdruck. Im Jahr 2018 feiern wir hier den 100. Jahrestag der tschechoslowakischen Staatsgründung, und es wäre schön, wenn die Orgel zu diesem Zeitpunkt wenigstens irgendeinen Ton von sich gäbe. Es steht auf jeden Fall fest, dass der Bau eines solchen Instruments Jahre dauert. Ich denke, abgeschlossen wird der Orgelbau eher im Jahr 2019 oder 2020. Aber wir strengen uns an, damit das Instrument 2018 wenigstens schon teilweise zu hören sein wird.“

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Die bisherige Orgel von Josef Mälzer bleibt dem Veitsdom weiterhin erhalten und wird dann als Zweitinstrument genutzt. Der große Stolz wird aber die neue Orgel, die dann endlich mit den großen Orgeln der Welt mithalten kann, sagt Štěpán Svoboda.

„Natürlich muss solch ein schönes und großes Instrument auch genutzt werden. Und das nicht nur zu den Pflichtterminen bei Gottesdiensten und Feierlichkeiten, sondern auch für Konzerte. Jeden Sommer gibt es im Veitsdom ein Orgelfestival. Selbstverständlich ist das neue Instrument dann die Grundlage für die Erweiterung des Repertoires, auch Weltkompositionen können dann zu Gehör gebracht werden.“


Mehr Informationen zur neuen Orgel finden sich im Internet unter www.svatovitskevarhany.com.

Autor: Annette Kraus
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