Jiří Frejka – Das tragische Schicksal eines talentierten Regisseurs
Vor 63 Jahren, am 27. Oktober 1952, starb der „Dichter des tschechischen Theaters“. So bezeichnete man seinerzeit den Regisseur, Theatertheoretiker und Hochschulpädagogen Jiří Frejka. In der Zwischenkriegszeit zählte er zu den herausragenden Künstlern der tschechischen Avantgarde. Trotzdem wurde sein Name später jahrzehntelang in Schweigen gehüllt. Der Grund dafür ist bestimmt nicht darin zu suchen, dass sich Frejka mit 48 Jahren das Leben nahm.
„An dieser Schule schlossen sich Schüler zu einem Verein zusammen. Mit Theatervorstellungen, literarischen Programmen und anderen Aktivitäten präsentierten sie sich auch öffentlich. Außerdem arbeiteten die Schüler des Realgymnasiums in der Křemencová-Straße mit Gymnasiasten im Prager Stadtteil Žižkov zusammen. Unter ihnen war zum Beispiel Jaroslav Seifert, der spätere Träger des Literaturnobelpreises. In all diesen Aktivitäten lagen die Wurzeln des späteren Künstlerverbands ´Devětsil´.“
Die Schule in der Křemencová-Straße verließ Frejka allerdings bald wieder. Eduard Burget:„Für Frejka war das Realgymnasium keine passende Schule. Dort wurden sowohl Fächer aus den exakten wie auch aus den humanistischen Wissenschaften unterrichtet. 1919 wechselte Frejka auf ein klassisches Gymnasium.“
Einer seiner Mitschüler František Smažík. Er erinnerte sich später an Frejka, Zitat:
„Die Mathematik und die Physik hasste er. Dagegen waren die literarischen Fächer sowie die Psychologie und Philosophie sein Steckenpferd. In Latein, Griechisch, Tschechisch und Deutsch gehörte er zu den Klassenbesten. Einmal mussten wir einen Abschnitt aus Homers Odyssee übersetzen. Von Frejka konnte man aber kein einziges Wort abschreiben. Er überführte das Griechische direkt in tschechische Hexameterverse.“
Lehrjahre am Nationaltheater
Nach dem Abitur versuchte sich Frejka breites Wissen an verschiedenen Hochschulen anzueignen. Zuerst versuchte er es mit Ästhetik und Geschichte an der Karlsuniversität, doch nach zwei Semestern sattelte er um auf Theaterwissenschaften am Konservatorium. Auch dort fand Frejka nicht, was er sich erhoffte. So wandte er sich schließlich an den Schauspiel-Chef am Prager Nationaltheater, Karel Hugo Hillar, und bat ihn, den Proben beiwohnen zu dürfen. Seinem Wunsch wurde letztlich entsprochen. Und das sollte sich für ihn als die beste Ausbildung erweisen, sagte Frejka später.Am 5. Oktober 1920 wurde in Prag der Künstlerverein „Devětsil“ gegründet. Unter seinen Mitgliedern – es waren in erster Linie bedeutende Avantgarde-Künstler, vor allem Schauspieler, Literaten, Musiker und Maler –fand sich auch Jiří Frejka. 1925 gründete er gemeinsam mit den Theaterleuten Jindřich Honzl und E.F. Burian das „Osvobozené divadlo“(„Befreites Theater“). Die Bühne entwickelte sich schnell zum Stammhaus des Künstlervereins Devětsil. Inspirationen holte man sich zum Beispiel aus der europäischen Dada-Bewegung. Später überwog der Einfluss der genuin tschechischen Strömung des Poetismus. Zuzana Sílová forscht am Institut für Theaterwissenschaften an der Prager Akademie der Musischen Künste.
„Neben Karel Hugo Hillar, Emil František Burian und Otomar Krejča zählt Frejka meiner Meinung nach zu den bedeutendsten Regisseuren des 20. Jahrhunderts – nicht nur hierzulande, sondern auch auf europäischer Ebene. Im Unterschied zu den genannten Theatermachern verbanden sich in Frejka zwei Traditionen des tschechischen Theaters, die ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert haben. Im 20. Jahrhundert nannte man sie ‚Avantgarde‘ und ‚klassisches bürgerliches Drama‘. Hierzulande hatten wir das Glück oder Pech, dass die Mehrheit der Theaterschaffenden jeweils nur auf einem der beiden Gebiete tätig war. Jiří Frejka ging nach seinem vom Avantgarde-Theater geprägten Start zu Hillar ins Nationaltheater. Dort konnte er seine vorherigen Erfahrungen und sein Talent, das ihn schon als Schüler zum komödiantischen Theater geführt hatte, mit den Bedürfnissen der großen offiziellen Theaterbühne zu einem absolut organischen Ganzen verbinden.“Markenzeichen: Originalität, Dynamik und Poesie
Kritiker schätzten an Frejkas Inszenierungen vor allem die Originalität, die Dynamik, eine gewisse innere Spannung, aber auch das Poetische. 1945 setzte der Kultusminister Zdeněk Nejedlý eine neue kommunistische Verwaltung im Nationaltheater ein. Frejka musste gehen, obwohl er im selben Jahr zum Mitglied der KPTsch wurde. Damit begann die letzte Etappe seines Lebens. Frejka durfte zwar noch fünf Jahre als Direktor des Städtischen Theaters in den Prager Weinbergen arbeiten. Doch dabei war er dem beständigen Druck des neuen politischen Regimes ausgesetzt. Seine Regieführung sei nicht sozialistisch, hieß es. Neue Erkenntnisse zum Schaffen von Frejka wie auch zur gesellschaftlichen Entwicklung in den 1950er Jahren brachte das Buch „Frejkas Versteckspiele im Treppenhaus“. Herausgegeben wurde es im April dieses Jahres zum Anlass von Frejkas 111. Geburtstag. Zuzana Sílová ist eine der Mitautorinnen:„Wir haben viele historische Fakten zusammentragen. Sie stammen aus Dokumenten, die ein ganz sachliches Zeugnis über Frejka und seine Zeit ablegen. Wir wollten nicht fabulieren. Es geht einfach um äußerst harte Fakten, die große Aussagekraft besitzen und für sich sprechen.“Das Buch beinhaltet fünf Studien verschiedener Autoren. Im Blickpunkt stehen zwei Inszenierungen von „Versteckspiel im Treppenhaus“, einem in Versen verfassten Stück des Dichters Vítězslav Nezval. Frejka studierte es als eines seiner ersten Stücke für das Nationaltheater ein. Die Wiederaufnahme fand in den 1950er Jahren im Theater von Karlín statt. Zuzana Sílová:
„Im Juni 1950 wurde das ‚Städtische Theater in den Weinbergen' umbenannt zum ‚Theater der Tschechoslowakischen Armee´. Frejka hoffte, wenigstens als Regisseur bleiben zu können. Stattdessen wurde er gefeuert. Damals setzte sich Jan Werich gemeinsam mit Beamten des Prager Magistrats für Frejkas Anstellung im Operettentheater im Prager Stadtteil Karlín ein. In den folgenden zwei Jahren musste sich Frejka unter sehr harten Bedingungen auf die Regie von Musik- und Unterhaltungskomödien umstellen. Seine letzte Inszenierung war das Stück ‚Schovávaná na schodech‘ (Versteckspiel auf der Treppe). Die Premiere fand im Juni 1952 statt. Ungefähr vier Monate später beging Frejka Selbstmord.“
“Mein ganzes Leben war ungücklich“
Jiří Frejka starb am 17. Oktober 1952. Kurz zuvor, im August 1952 hatte er einen Brief an die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei verfasst:„Ich scheide, weil eine Clique von Verrätern eine Hetzkampagne gegen mich betreibt. Ich bin mir sicher, dass mein geschändetes Andenken einmal bereinigt wird… Ich bitte die kommunistische Partei, der ich seit 1945 mit aller Kraft gedient habe, sich dafür einzusetzen, dass mein Sohn Jiří zu einem guten Bürger meines geliebten Heimatlandes wird, eine Ausbildung bekommt und nicht in Armut leben muss. Ich bin bereits zugrunde gerichtet worden. Dafür schäme ich mich, doch ich habe keine Kraft mehr. Jiří Frejka.“
Frejka ließ keinen Zweifel daran, wie es damals um das Verhältnis zwischen Politik und Theater bestellt war, sagt Zuzana Sílová:„Die herrschende Staatspartei hat von der Kunst verlangt, in den Dienst der Ideologie zu treten. Frejka wehrte sich sein Leben lang dagegen. Im persönlichen und gesellschaftlichen Leben fand er bestimmte Räume, in denen er sich zeitweilig sicher fühlte. Im Beruf und in der Kunst hat er jedoch nie aufgegeben.“
Frejkas Tragödie setzte sich nach seinem Tod noch weiter fort. Am 9. Juli 1953 starb sein Sohn nach einer missglückten Blinddarmoperation. Frejkas Frau Dagmar schrieb kurz darauf dem Freund der Familie und Paten ihres Sohnes, Václav Trégl, Zitat:
„Mein ganzes Leben war unglücklich. Trotzdem habe ich allen Schicksalsschlägen tapfer die Stirn geboten. Der Schwerste wurde mir jetzt versetzt. Mit dem Tod meines Kindes haben mich nun meine Stärke und Tapferkeit und auch der Wille verlassen.“Kurz darauf nahm sich Dagmar Frejková das Leben. Gemeinsam mit ihrer Mutter vergiftete sie sich mit Gas.