Initiative-Chef Bona: Freuen uns, dass wir mögliche Neugründung des DFC Prag angestoßen haben
Am vergangenen Samstag wurden 25 Jahre deutsche Wiedervereinigung gefeiert. Aber egal ob zu Zeiten des geteilten Landes oder davor und danach während eines einheitlichen Staates – der Nationalsport der Deutschen war und ist der Fußball. Und die erste deutsche Meisterschaft reichte sogar über die Staatsgrenzen hinaus, denn mit dem DFC Prag bestritt vor 112 Jahren ein Verein aus Böhmen das erste Finale. An diesen Titelkampf anno 1903 wurde erst vor drei Wochen mit einer von Freizeitkickern organisierten Neuauflage des Endspiels erinnert.
Herr Bona, heute (am 13. September 2015, Anm. d. Red.) wurde das Erinnerungsspiel an das Finale der ersten deutschen Fußball-Meisterschaft zwischen dem VfB Leipzig und dem DFC Prag ausgetragen. Wie schätzen Sie dieses Spiel ein? Wie waren die Bedingungen? Wie zufrieden sind Sie generell?
„Die Bedingungen waren hervorragend. Mit dem Sportplatz des Vereins Aritma Prag hatten wir eine Superanlage: ein Top-Rasen, eine tolle Tribüne, alles hier ist sehr gepflegt. Und auch das Publikum war ausgezeichnet. Die Mannschaften haben ebenfalls ein tolles Spiel gemacht, wenn man bedenkt, dass beide Teams in der heutigen Formation noch nie vorher zusammengespielt haben. Die Mannschaft, die den DFC repräsentiert hat, ist ohnehin das erste Mal zusammengetroffen. Wir reden also von zwei Teams, die überhaupt nicht eingespielt waren. Unsere Mannschaft von der Darmstädter Initiative 1903 e.V., die den VfB Leipzig repräsentierte, hat im 2-3-5-System gespielt, also das zeitgenössische Spielsystem aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Unser Gegner aber hat ein aktuelles System interpretiert. Das Ergebnis täuscht allerdings ein bisschen über die spielerische Stärke beider Teams hinweg. Es ist wohl nur deshalb so hoch ausgefallen, weil die Prager Mannschaft letztlich auf ihren unerfahrenen Ersatztorwart zurückgreifen musste. Ich denke, hätte an seiner Stelle ein wirklich geschulter, guter Tormann zwischen den Pfosten gestanden, dann wäre die Begegnung richtig knapp und vielleicht sogar unentschieden ausgegangen. Ansonsten aber sind wir sehr zufrieden, denn unsere Aktionen dienen einem gemeinnützigen Zweck. Der Verein, der am jeweiligen Tag gewürdigt wird, soll durch das Erinnerungsspiel ein bisschen Publikation erfahren und nach Möglichkeit auch in die überregionalen Medien kommen. Denn es ist doch so, dass die Vereine der ersten Stunde im deutschen Fußball heute allenfalls noch in der Regionalliga spielen oder aber, wie zum Beispiel der DFC Prag, manchmal schon gar nicht mehr existieren. Von daher hat es mir umso mehr Spaß gemacht, heute hier mit unserem Traditionsteam angetreten zu sein. Vor allem, wenn ich höre, dass es Bestrebungen gibt, den DFC Prag nach 76 Jahren wieder ins Leben zu rufen. Und zwar Bestrebungen sowohl auf tschechischer wie auch auf deutscher Seite. Das ist natürlich ein riesengroßer Lohn unserer Arbeit. Wir selbst können uns zwar nichts dafür kaufen, doch die Bestrebungen, die wir mit angestoßen haben, das ist schon großartig.“Wie kam es zur Gründung eurer Darmstädter Initiative 1903 e.V.? Wie ist die Idee dazu entstanden? Haben Sie von Anfang an den Gedanken verfolgt, die erste deutsche Meisterschaft quasi nachzustellen?„Nicht direkt. Dazu muss ich sagen: Als gebürtiger Leipziger habe ich natürlich den Leipziger Fußball auch ein Stück weit im Fokus. Ich bin schon über Jahre hinweg Anhänger des 1. FC Lok Leipzig beziehungsweise des VfB Leipzig. Meine Kontakte zur Vereinsführung sind relativ gut, und so kam es, dass wir im Jahr 2012 auch eine sehr gut besuchte Veranstaltung mit 1000 Zuschauern hatten. Das war schon grandios. Nur, was mich immer geärgert hat, war die Tatsache, dass der VfB beziehungsweise in persona der 1. FC Lok Leipzig sich immer dafür feiert, erster deutscher Fußballmeister wie auch Rekordmeister vor dem Krieg zu sein, aber dann im Nachgang nichts dafür tut. Die Traditionspflege ist sehr mau. Es gibt weder ein vereinseigenes Museum noch einen auf diese Erfolge verweisenden Gedenkstein. Lediglich auf dem Briefbogen wird hervorgehoben: VfB Leipzig – erster deutscher Meister. Das kann aber nicht alles sein. Ich habe daher vor Jahren mal im Lok-Forum nachgefragt, ob man interessiert sei, an die Anfänge in besonderer Form zu erinnern. Aufgrund der aktuell tristen Situation (der 1. FC Lok Leipzig spielt heute in der Oberliga Nordost) gab es dann auch viel Begeisterung im Vorstand und die Rückendeckung der Fans im Verein für unser Vorhaben. Deshalb konnten wir gar nicht anders, als wirklich etwas zu machen. Wir haben unser Ziel dann auch konsequent verfolgt. 2010 haben wir uns schließlich in Hamburg, an der Austragungsstätte des ersten Finals von 1903, getroffen. Dort ist auch das erste Denkmal zur Erinnerung an die erste deutsche Meisterschaft aufgestellt worden.“
Die Idee ist also in Leipzig entstanden. Der Sitz eurer Initiative aber ist – wie es auch im Namen zum Ausdruck kommt – die südhessische Stadt Darmstadt. Das bedeutet, eure Initiative ist eine gesamtdeutsche Organisation. Woher kommen eure Mitglieder, und wie ist das Ganze zusammengewachsen?„Es ist richtig, der Sitz unserer Initiative ist in Hessen, denn wir sind beim Amtsgericht Darmstadt als gemeinnütziger Verein eingetragen. Die Sportler, die uns bei der Tätigkeit des Vereins unterstützen, kommen in der Tat aus ganz Deutschland. Es ist Leipzig vertreten, ebenso Berlin, Nürnberg, Karlsruhe, Heilbronn, Bad Hersfeld und natürlich der Darmstädter Raum. Also wir kommen von überall her. Aber das ist gerade das Schöne: Zu unseren Spielen kommen wir sternfahrtähnlich zusammen, es gibt kein Training vorher, man kennt sich aber, und das schweißt von Mal zu Mal immer mehr zusammen. Das ist toll, und es funktioniert.“
Warum ist die Traditionspflege so wichtig? War der Deutsche Fußball-Bund (DFB) von Anfang an auch begeistert von eurer Idee? Der Anfang war ja eure Gründung im Jahr 2010, als der DFB sein 110-jähriges Jubiläum feierte. Von wem werdet ihr noch unterstützt?„Unsere Partner in diesem Jahr sind zum einem das Bundesministerium des Inneren, das uns schon seit Jahren sehr gut unterstützt. Zum Ministerium gibt es wirklich sehr gute Kontakte. Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds hat sich dieses Projekts angenommen, zumindest in diesem Jahr. Ein weiterer Partner ist der DFB, allerdings auch ein schwieriger Partner, muss ich sagen. Der monetäre Fokus liegt da natürlich woanders als bei der eigenen geschichtlichen Aufarbeitung. Das muss man einfach so kritisch sagen. Andererseits aber dürfte man in der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt / Main recht glücklich darüber sein, dass es ein paar solch ´Fußball-Bekloppte´ wie uns gibt, die die Fußballhistorie am Leben erhalten und das Ganze zudem noch ein Stück weit seriös verbreiten. Das machen wir im Jahresturnus, und diese Arbeit von uns wird durchaus geschätzt. Von daher können wir uns mittlerweile auch darauf verlassen, dass unsere Aktivitäten publiziert werden über den DFB, dessen Internetseiten und die angeschlossenen Medien. Wir hoffen, dass dann vielleicht auch mal die ein oder anderen Fördergelder einlaufen.“
Ihr werdet also mittlerweile als die Initiative wahrgenommen, die die deutsche Fußballhistorie auch offiziell pflegen darf…„…genauso ist es. Es bleibt indes beschämend, dass der Deutsche Fußball-Bund, der wesentlich andere Mittel zur Verfügung hat, sich dieses Themas nicht wirklich annimmt - also weder erste deutsche Meisterschaft noch überhaupt Gründung des DFB. Am 28. Januar 1900 wurde der Deutsche Fußball-Bund in Leipzig gegründet. Man verspürt aber unter den Fans immer wieder eine bestimmte Abneigung des DFB gegenüber dem Fußball-Osten. Das ist einfach so. Der Fokus liegt da ganz woanders, das sieht man auch am Beispiel des Fußballmuseums, was jetzt im Entstehen ist. Das geht nach Dortmund, wo es bereits ein Fußballmuseum gibt. Es könnte doch auch in der Gründungsstadt des DFB in Leipzig angesiedelt werden. Oder aber in Frankfurt / Main, auch wenn es dort ebenso schon ein Museum gibt. Dennoch sage ich: Wir sind froh, dass man uns in Frankfurt wahrnimmt, und Fakt ist auch, dass wir vom DFB unterstützt werden. Und darum geht es letzten Endes.“
Bona: „Für uns war es toll, mal genau an der Stelle zu sein, wo wirklich die Kicker der ersten Stunde das erste Meisterschaftsfinale austrugen.“
Eine Frage zu den Traditionsspielen, die eure Initiative schon an mehreren Orten ausgetragen hat: Habt ihr dabei auch Dinge in Erfahrung bringen können, die man vielleicht so noch nicht gekannt hat? Zumal ihr mit vielen interessanten Leuten zusammengekommen seid. Gab es bei euren Auftritten bei den „First Six“ des deutschen Fußballs eventuell Anlässe, über die man sagen könnte: Allein deshalb hat sich die Anreise schon gelohnt!
„Definitiv. Also in Hamburg war es zum Beispiel so, dass wir zunächst eine geografische Recherche betreiben mussten, um überhaupt erst einmal diesen alten Exerzierplatz im Stadtteil Altona ausfindig zu machen, auf dem das erste Finale ausgespielt wurde. Das soll heißen: Am Tag unserer Denkmalweihe in Hamburg waren wir wirklich an dem Platz, auf dem am 31. Mai 1903 die Kugel rollte und der VfB Leipzig Deutscher Meister wurde. Der erste Ausflug dahin war indes für uns beschämend, denn als wir dort ankamen, war dort rein gar nichts, was auf dieses Finale verwies. Seit dem 3. September 2011 steht dort jetzt ein Denkmal, auf das wir auch sehr stolz sind. Wir hoffen zudem, dass die Stadt Hamburg das Ganze noch ein bisschen weiter verfolgt. Für uns war es toll, mal genau an der Stelle zu sein, wo wirklich die Kicker der ersten Stunde das erste Meisterschaftsfinale austrugen. Das ist einfach ein tolles Gefühl.“
Ihr seid eine gemeinnützige Initiative, aber was macht ihr eigentlich, wenn ihr nicht Fußball spielt? Ihr seid doch sicher alle beruflich tätig? Wann trefft ihr euch, wann trainiert ihr zusammen? Oder trefft ihr euch nur zu den Spielen? Wie funktioniert euer Vereinsleben?„Das Vereinsleben kann man eigentlich recht kurz beschreiben: Wir kommen überwiegend zu den Spielen zusammen, und das jeweils im Jahresturnus. Aber es ist auch so, dass sich ein Großteil der Spieler aus dem Raum Hessen auch schon einmal öfter trifft und dann auch mit anderen Vereinen etwas vereinbart. Zum Beispiel mit dem Karlsruher FV als deutschem Altmeister, den wir schon mit unserer Begegnung im Jahr 2013 unterstützt haben. Wir haben zum Beispiel im vergangenen Jahr das Altherren-Turnier des KFV personell unterstützen können. Auch zu all den anderen Vereinen, bei denen wir bereits gespielt haben, gibt es Kontakte und mittlerweile auch einige Freundschaften. Das heißt, unser Jahresprogramm ist auch dahingehend ausgerichtet, diese Vereine weiterhin zu unterstützen. Es soll also keine Eintagsfliege sein, sondern eine gewisse Kontinuität geben, damit auch die Medien und das Umfeld weiter über diese Vereine berichten. Denn es sind zumeist Regionalclubs, die freuen sich über jedwede positive Berichterstattung.“
Also wenn es hier in Prag auch einmal mit dem DFC weitergehen sollte, könntet ihr euch dann auch vorstellen, nochmals an die Moldau zu kommen?„Definitiv! Wir planen überdies eine Folgeveranstaltung im Jahr 2016 in Magdeburg, wo wir unsere Denkmalserie zur ersten deutschen Meisterschaft mit einer finalen Aktion abschließen. Zu dieser Veranstaltung soll auch eine Jugendmannschaft aus Prag anreisen, um dort an einem Nachwuchsturnier teilzunehmen. Das haben wir auch so beim DFB bereits angesprochen.“