Der Geschichtensammler von Prag

Tomáš Princ (Foto: Martina Pavloušková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)
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Haben Sie sich schon mal gefragt, welche Lebensgeschichten hinter den Gesichtern stecken, die Ihnen täglich begegnen? Der Prager Tomáš Princ kennt bereits Hunderte von ihnen. In seinem Blog „Humans of Prague“ veröffentlicht er Fotos und Geschichten von Menschen, die ihm in der tschechischen Hauptstadt über den Weg laufen.

Tomáš Princ  (Foto: Martina Pavloušková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Über 580 Geschichten sind in seinem Blog „Humans of Prague“ veröffentlicht. Tomáš Princ hat eigentlich Geisteswissenschaften und Journalismus studiert. Anschließend war er als freiwilliger Helfer in Kenia und Südkorea, wo er Jugendlichen das Fotografieren und Englisch beibrachte. Auf fremde Menschen zuzugehen kostet ihn manchmal viel Überwindung:

„Es ist nicht einfach. Ich würde sagen, dass die Leute stehen bleiben, die dazu aufgelegt sind. Es gibt diejenigen, die interessiert sind und auch fragen, warum ich so etwas mache. Die anderen, die ohnehin kein Interesse haben oder nicht auf der Straße angesprochen werden wollen, lehnen es ab. Ich versuche also nicht, die Leute auf irgendeine Weise zu überzeugen. Es bleiben einfach die bei mir stehen, die schon, man könnte sagen, die Voraussetzungen mitbringen.“

Facebook-Seite “Humans of Prague”
Inspiriert von dem Blog „Humans of New York“ des Amerikaners Brandon Stanton lässt sich Tomáš durch die Gassen Prags treiben, täglich auf der Suche nach neuen Begegnungen. Seit 2013 postet Tomáš täglich auf seinem Blog und seiner Facebook-Seite. Zeitgleich gingen Blogs dieser Art weltweit viral durchs Netz. So gibt es “Humans of Berlin” “Humans of Paris” oder “Humans of India”. Jeder Blog hat jeweils mehr als 50.000 Facebook-Fans. Tendenz steigend.

Tomáš Princ spricht Passanten auf der Straße an und stellt ihnen eine simple Frage, wie „Über was hast du kürzlich nachgedacht?“ oder „Was war der Tiefpunkt deines Lebens?“. Die Antworten sprechen für sich. Für Tomáš ist es nicht selbstverständlich, dass die Menschen ihre intimsten Erlebnisse mit ihm teilen.

Facebook-Seite “Humans of Prague”
„Es ist ganz eigenartig. Auf den Straßen gehen sich die Menschen ja eigentlich aus dem Weg. Ich bin nach diesen eineinhalb Jahren selbst überrascht, dass es mir gelingt, diese Geschichten von den Menschen zu bekommen. Immer klappt es nicht, viele der Begegnungen bewegen sich auch am Rande von Peinlichkeit oder Misstrauen. Aber dann gibt es wieder die Situationen, wo sich die Menschen wirklich öffnen und Vertrauen haben. Darüber bin ich sehr froh. Es ist ein eigenartiges Gefühl.“, erzählt er.

Nicht jeder, der von Tomáš angesprochen wird, lässt sich darauf ein. Es kann passieren, dass der Fotograf zwei Stunden lang umherläuft und niemanden ablichtet. Wenn sich aber Menschen vor seine Linse trauen, könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Ob er sie anspricht oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

„Ich achte vor allem darauf, dass die Auswahl ganz zufällig zustande kommt. Es kann sein, dass mir jemand aus einer Seitenstraße entgegenkommt. Ich sehe ihn aus der Entfernung, weiß noch nicht, wer das ist, aber ich weiß bereits, dass ich ihn ansprechen werde. Dann gehe ich wieder durch eine geschäftige Straße, und es ist einfach die Kleidung oder das Gesicht, das mich anspricht. Aber ich kann gar nicht genau beschreiben, was es genau ist. Es kann ein Gesichtsausdruck sein, oder dass der Mensch etwas Ungewöhnliches macht, und sich dadurch ein wenig vom Straßentreiben abhebt. Oder einfach seine Kleidung.“

Blog “Humans of Prague”
Die Leser sind gerührt von den Geschichten. „Ich bewundere dich“, lautet ein Kommentar unter dem Foto einer Frau, die ihrem Mann die Hand hielt, als er starb. Unter einem anderen Eintrag heißt es: „Das Foto allein spricht Bände über die Kraft der Geschichte.“ Auf dem Foto ist ein älterer Mann zu sehen, der von seinem Leben in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs erzählt. Tomášs Wunsch wäre es, irgendwann einmal ein Bildband mit all seinen Fotos in den Händen zu halten. Bis es soweit ist, wird er weiter durch die Straßen Prags flanieren und Lebensgeschichten der Bewohner einfangen.


Den Blog gibt es hier: http://humansofprague.ihned.cz. Zur Facebook-Seite geht es hier entlang: https://www.facebook.com/praguehumans?fref=ts

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