Aus dem Rundfunkstudio nach Europa: „Wild Tides“ siegen bei Czeching 2014
Die Wild Tides sind eine Prager Band, die seit drei Jahren besteht. Und sie sind der frische Gewinner des Wettbewerbs, der unter dem Namen „Czeching“ vom Tschechischen Rundfunk im vergangenen Jahr ausgeschrieben wurde. In unserem heutigen MusikCzech jetzt mehr zu dem Projekt Czeching und zum Sieger.
„Sechs Mitglieder einer Fachjury nominieren jeweils eine tschechische Band, die ihrer Meinung nach die Chance hat, sich im Ausland durchzusetzen. Für jede Band wird ein repräsentativer Song ausgewählt.“
Diese sechs Songs werden im Radio gespielt. Die erwähnte Jury aus Musikpublizisten debattiert in mehreren Live-Sendungen über die Stücke und bestimmt einen Gewinner.„Daraufhin geben wir den Gewinnern Raum in unseren Sendungen. Wir machen für sie eine Aufnahme, produzieren mit dem Material dann eine EP und verschicken diese an europäische Radiosender, die zur European Broadcasting Union (EBU) gehören. Wir wollen damit die Band in den europäischen Äther bringen, ihre Songs sollen in europäischen Radios gespielt werden. Dadurch könnte es dazu kommen, dass jemand auf die Band aufmerksam wird und sie zu einem Konzert oder zu einem Interview einlädt. Wir wollen also einer tschechischen Band dabei helfen, nicht nur in den europäischen Äther, sondern auch auf den europäischen Markt zu kommen.“
Keine Absicht, sondern nur ein Zufall ist, dass alle sechs Bands der diesjährigen Auswahl auf Englisch singen. Die Jury entschied sich dann für den Song „Longing“ der Wild Tides. Die Band ist vom Musikpublizisten Petr Turek nominiert worden:„Die Wild Tides sind eine Band aus dem Prager Stadtteil Letná. Sie sind ein Trio aus zwei Gitarren und dem Schlagzeug. Ich habe sie ausgewählt, weil sie am besten die Kriterien erfüllen, die ich an eine Band stelle: Wenn man die Wild Tides zu einem Konzert einlädt, dann kommt da die ganze freche Kultur des Rock´n´Roll mit. Sie sind eine Art Gang, die Band hat großes Charisma. Die Jungs achten darauf, dass ihre Musik genügend Drive hat. Sie sind ziemlich frech, ihre Ansagen für die Songs sind sehr beißend– und sie würden das auch auf Englisch rüberbringen. Außerdem wissen sie sich auch zu präsentieren, auf Face Book, mit dem Merchandising und über Videoclips. Das klappt auch recht gut, deswegen haben sie schon einige Konzerte in Deutschland und in Holland absolviert. Die Band spielt Rock- und Punk-Musik von den 1950er bis 1970er Jahren. Ich habe den Song ‚Longing‘ von ihrer EP ‚I only miss you, when you’re gone’ ausgewählt. Diese EP repräsentiert die heutige etwas ruhigere Phase der Band, nicht den Surf-Punk ihrer Anfänge.”
Allerdings war der Sieg dieser Band beim Czeching nicht so eindeutig. Die tschechische Jury vergab an die Band Manon Meurt aus Rakovník nur drei Punkte weniger als an die Wild Tides. Außerdem belegte Manon Meurt den ersten Rang in einer öffentlichen Hörer-Umfrage und erhielt auch die beste Bewertung durch die internationale Jury. Den Regeln des Wettbewerbs zu Folge gilt die Bewertung der ausländischen Jury nur als wertvolles Feedback. Entscheidend ist das Urteil der tschechischen Jury. Und dieses hieß Wild Tides, auf Deutsch etwa also Wilder Wellenschlag. Die Band wurde 2011 vom Gitarristen Jakub Kaifosz gegründet. Seine Mitspieler sind Jan Táborský alias Vegy an der zweiten Gitarre und Michal Dovec am Schlagzeug. In relativ kurzer Zeit spielten die Wild Tides zahlreiche Konzerte in ganz Tschechien, aber auch in der Slowakei, in Holland und in Deutschland. Die Live-Auftritte sind auch die Stärke der Band. Kritiker schätzen an den Wild Tides die authentisch wirkende Energie. Die Band hat bisher drei EPs, eine Single und ihr Debüt-Album „Hung Loose“ herausgegeben. Die Musiker selbst geben zu, nicht allzu viel Wert auf Proben zu legen. Das betrifft auch die Aufnahme von fünf Songs, die im Rahmen des Projekts Czeching im Herbst im Studio des Tschechischen Rundfunks realisiert wurde. Jakub Kaifosz:„Wir haben für die heutige Studio-Session gestern eine Probe gemacht. Michal und Vegy hatten mit einer Ausnahme die Songs noch nie gehört. Ich denke, das sagt etwas über die Band aus und darüber, wie Musik funktionieren sollte. Meiner Meinung nach lässt sich historisch belegen, dass die besten Alben der Rockgeschichte immer dann entstanden sind, wenn die Musiker ohne konkrete Pläne ins Studio gingen und ihre Songs in einem Rutsch aufgenommen haben. Ich mag keine Bands, die wie Maschinen klingen. Diese schließen sich für ein Jahr irgendwo ein und basteln dann herum: Die Musik enthält dann keine Emotionen mehr und auch nichts Aufregendes.“ Nachdem die Wild Tides bei Czeching gesiegt haben, wird nun Iva Jonášová an ihrer Seite stehen:„Für mich ist das immer eine große Unbekannte, die auch mit etwas Stress verbunden ist. Es ist aber eine schöne Arbeit. Ich bekomme das Votum der Jury auf den Tisch und erfahre den Namen der Band, mit der ich ein halbes Jahr lang zusammenarbeiten soll. Ich weiß nicht, ob auch die Band an der Kooperation interessiert ist und was es für sie bedeutet, dass sie vom Tschechischen Rundfunk die Chance bekommt, sich im Ausland zu präsentieren. Glücklicherweise hat dies sowohl im Vorjahr geklappt als auch diesmal mit den Wild Tides. Mein Abenteuer beginnt damit, dass ich die Band anrufe und sie über ihren Sieg benachrichtige. Ich sage ihr, sie sei derzeit die tschechische Nachwuchs-Band mit den meisten Chancen im Ausland. Dann folgen die Aufnahme einer EP, lange Interviews mit den Bandmitgliedern, die wir im Radio senden, aber auch kleinere Promo-Materialien. Wir schicken dann ein ganzes Paket an europäische Radiosender. Im Januar präsentieren wir das Projekt Czeching und die Siegesband bei der Showcase-Konferenz Eurosonic in Holland. Daran nehmen Vertreter aller öffentlich-rechtlichen Sender Europas teil, daher können wir dort der Band auf ihrem Weg in den europäischen Äther helfen.“
Iva Jonášová erzählt zum Schluss von ihrer Arbeit mit den drei Musikern der Band:„Um eine Band zu pushen, erfinden die Medien in der Regel eine Story rund um die Band. Im Fall der Wild Tides könnte man mir vorwerfen, die Story erfunden zu haben, damit sie möglichst skandalös klingt. Sie ist aber keine Erfindung. Die Wild Tides sind wirklich Punks und sind jederzeit für eine Überraschung gut. Nachdem wir das Album fertigproduziert hatten, ist der Frontmann für drei Monate zu einer Heilung verschwunden. Ich nehme an, dass er im Februar wahrscheinlich voller Power mit einem neuen Album und einer neuen Tournee zurückkommt. Ich war nach der Ausstrahlung der letzten Folge von Czeching etwas nostalgisch. Es war ein langer und schöner Weg vom ersten Telefonat, bei dem mich der Frontmann zum Teufel schickte, bis zur Entstehung des Albums, das ich immer mehr mag. Ich bin sehr stolz darauf und freue mich, dass es trotz aller Probleme so gelungen ist.“