Regierungsgespräche beginnen – Sozialdemokraten wollen Sobotka als Premier
Nach den vorgezogenen Neuwahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus hatte ein Machtkampf die Sozialdemokraten gelähmt. Am Wochenende erzielte nun der derzeitige Parteivorsitzende Bohuslav Sobotka einen Sieg auf ganzer Linie –und begann sofort mit Sondierungsgesprächen zur Regierungsbildung.
Am Wochenende tagte der sozialdemokratische Exekutivausschuss, das ist das wichtigste Gremium zwischen den Parteitagen. Schon am Freitag hatten die Rebellen um Sobotkas Stellvertreter Michal Hašek ihre Ämter in der Parteispitze niedergelegt. Am Sonntag dann bestätigte der Exekutivausschuss den Parteivorsitzenden im Amt und kürte ihn zum Kandidaten für den tschechischen Premier. Die Sozialdemokraten wollen mit der Partei Ano und den Christdemokraten über eine Koalition verhandeln. Sobotka möchte bereits bis Weihnachten Klarheit haben:
„Wir haben die Ambition, noch vor Ende des Jahres dem Staatspräsidenten einen Regierungsvorschlag zu unterbreiten. Bis dahin sollen sowohl die Verhandlungen über die Ämter im Abgeordnetenhaus beendet sein als auch über die Zusammenstellung der kommenden Regierung.“Das ist durchaus ambitioniert. Denn die anderen beiden Parteien schwankten zuletzt, ob sie überhaupt eine Koalition mit den Sozialdemokraten eingehen wollen. Alternativ könnten sie auch eine Minderheitsregierung der ČSSD tolerieren. Deswegen traf sich Sobotka bereits am Sonntagabend mit Ano-Parteichef Andrej Babiš zu einem Sondierungsgespräch.
„Wir haben uns nicht über die Regierung unterhalten, sondern über das Abgeordnetenhaus, über neue Gesetze und über die Prioritäten beider Seiten“, fasste Babiš danach zusammen.Zu den Prioritäten der Ano-Partei gehört, möglichst bald das Gesetz über den Staatsdienst zu verabschieden. Dieses Gesetz soll verhindern, dass jede Regierung die Staatsbediensteten vollständig austauscht. Eine solche Regelung wird seit längerem von Brüssel gefordert. Kniffliger sein dürfte hingegen das Thema Nummer eins bei den Sozialdemokraten: Es ist die Rückgabe des Eigentums an die Kirchen. Denn dazu gibt es bereits ein Gesetz. Abgeschlossen wurde es noch von der liberal-konservativen Regierung Nečas. Die ČSSD findet jedoch, dass die Kirchen darin zu umfangreich für die Enteignungen aus kommunistischer Zeit entschädigt werden – und sie will das Gesetz revidieren.
Unter den beiden potenziellen Koalitionspartnern sind die Meinungen jedoch gespalten. Ano-Chef Babiš signalisierte zwar Gesprächsbereitschaft, doch der stellvertretende christdemokratische Vorsitzende Marian Jurečka gab sich hart:„Das bestehende Gesetz wurde vom Verfassungsgericht geprüft, und wir halten es in seiner jetzigen Form für gültig. Wir wollen daran nichts ändern.“
Die Kirchenrestitution ist indes nicht das einzige mögliche Streitthema. So wollen die Sozialdemokraten eigentlich auch wieder die Steuerprogression einführen, diese war von den beiden liberal-konservativen Vorgängerregierungen abgeschafft worden. Die Partei Ano ließ jedoch verlauten, dass sie weder die Körperschafts- noch die Einkommenssteuer erhöhen möchte.