Tschechische Regierung tritt zurück: Premier Sobotka verkündet überraschend Ende der Koalition

Bohuslav Sobotka (Foto: ČTK)

Kurz vor den Wahlen ist es in der tschechischen Regierung zu einem Knall gekommen. Auf einer Sonderpressekonferenz verkündete Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) den Rücktritt der Regierung. Grund dafür seien die Skandale von Finanzminister, Vizepremier und Ano-Parteichef Andrej Babiš.

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
Fast hätte es die derzeitige Regierung geschafft, was seit der Wende kaum einer anderen gelungen war: eine ganze Legislaturperiode durchzuhalten. Am Dienstag kam schließlich doch noch der Knall, nur rund fünf Monate vor den regulären Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Das Ende der Koalition aus Sozialdemokraten, Partei Ano und Christdemokraten wurde am Dienstag klar, als Premier Bohuslav Sobotka außerplanmäßig vor die Kameras trat:

„Es ist meine Entscheidung als Regierungschef. Als Vorsitzender der Regierung reagiere ich auf die derzeitige Situation, die der Vizepremier und Finanzminister verursacht hatte. Meiner Meinung nach sollte Andrej Babiš nicht mehr Finanzminister sein.“

Andrej Babiš  (Foto: ČTK)
Er löse das Kabinett auf und werde den Antrag auf Entlassung der Minister noch in dieser Woche Präsident Miloš Zeman vorlegen, so Sobotka. Dann soll sich auch entscheiden, ob die Wahlen zum Abgeordnetenhaus wie geplant am 20. und 21. Oktober stattfinden sollen. Möglich sind auch vorgezogene Wahlen, Premier Sobotka würde dies begrüßen. Zeman wollte den Rücktritt der Regierung bisher nicht kommentieren, ob er den Vorschlag Sobotkas annimmt ist deshalb bisher unklar. Erst jüngst hatte der Präsident personelle Veränderungen in der Koalition abgelehnt

Grund für das Ende der Regierung sind die unternehmerischen Skandale des Chefs der zweitstärksten Regierungspartei, Andrej Babiš. In den vergangenen Tagen hatte sich der Ton zwischen Sobotka und Babiš verschärft, da der Finanzminister nicht die Hintergründe des Kaufs von Ein-Kronen-Schuldscheinen für sein ehemaliges Unternehmen Agrofert erklären wollte. Sobotka geht davon aus, dass dieses Vorgehen nicht legal gewesen ist. Unternehmer konnten auf Initiative des damaligen Finanzministers Miroslav Kalousek (Top 09) beliebig viele Schuldscheine ihres Unternehmens zu je einer Krone kaufen, ohne dass dadurch Steuern fällig geworden wären. Zudem wird Andrej Babiš Betrug mit EU-Fördergeldern vorgeworfen beim Bau des Luxus-Ressorts „Storchennest“. Nach den zahlreichen Streitereien wolle er Babiš nicht zum Märtyrer machen, so Sobotka.

Andrej Babiš hat sich für eine Fortsetzung der Koalition bis zu den regulären Wahlen ausgesprochen. Den Premier bezeichnete er in einer Stellungnahme als Feigling.

Milan Štěch  (Foto: Jan Bartoněk,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die Reaktionen auf den Schritt des Premiers sind bisher gespalten. Aus den Reihen der Sozialdemokraten kam vor allem Verständnis. So schrieb Senatspräsident Milan Štěch, dass die verkrampfte Situation gelöst werden musste. Bei der Partei Ano zeigte man sich kurz nach der Pressekonferenz von Sobotka eher verwundert. Es sei ein letztes Aufbäumen von Premier Sobotka, so Parteivize Jaroslav Faltýnek.