Was kommt danach? Rätselraten um angekündigten Regierungsrücktritt
Ein halbes Jahr vor den Wahlen hätte dies niemand für möglich gehalten, doch die aktuelle Regierungskoalition bricht vorzeitig auseinander. Denn Premier Bohuslav Sobotka hat den Rücktritt seines Kabinetts angekündigt. Nun rätseln alle, wie es in den kommenden Monaten weitergehen soll.
„Ich kann als Ministerpräsident nicht länger die Verantwortung dafür tragen, dass jemand Finanzminister und Vizepremier ist, der des Steuerbetrugs verdächtigt wird. Deswegen wähle ich die einzige mögliche Lösung und das bedeutet, dass die Regierung ihren Rücktritt einreicht.“
Schon seit Monaten schwelt ein Streit zwischen Premier Sobotka von den Sozialdemokraten und Vizepremier Andrej Babiš von der liberal-populistischen Partei Ano. Es geht um Abermillionen steuerfreien Schuldscheinen, die Babiš Ende 2012 seinem eigenen Unternehmen abgekauft hatte. Dies geschah kurz vor einer Gesetzesänderung, die das „Steuer-Schlupfloch“ schließen sollte. Kritiker halten die Transaktion für einen Missbrauch des Systems, Babišs Agrofert-Holding hätte demnach die Schuldscheine im Nominalwert von jeweils einer Krone gar nicht herausgegeben dürfen. Diese Vorwürfe lehnt der Unternehmer und Vizepremier jedoch ab, wie er am Dienstag noch einmal wiederholte.
„Ich lehne die Kampagne des Premiers gegen mich entschieden ab. Er hat mich als seinen größten Feind ausgewählt und denkt sich nun ständig irgendwelchen Unsinn über meine unternehmerische Tätigkeit aus. Ich habe gemäß den Gesetzen gehandelt und als einziger Politiker meine Steuererklärungen aus 20 Jahren veröffentlicht“, so Andrej Babiš.Der Streit dreht sich nicht allgemein um Ano als zweitstärkste Partei im Kabinett. Deswegen hätte Sobotka auch eine andere Lösung wählen können: einfach den Finanzminister abberufen. Doch der Regierungschef sagte am Dienstag, er befürchte, dass sich Babiš dann zum Märtyrer machen würde.
Die Frage nun lautet: Wie geht es weiter? Für Oktober sind reguläre Wahlen zum Abgeordnetenhaus angesetzt. Eine Selbstauflösung des Parlaments und vorgezogene Neuwahlen wünscht sich keine der drei Regierungsparteien. Die Tendenz geht dahin, dass das Kabinett – vielleicht leicht verändert – auch nach seinem Rücktritt die Geschäfte weiterführt. Die Verfassung lässt das zu. Radek Vondráček ist Abgeordneter der Partei Ano und Vizevorsitzender des Abgeordnetenhauses:
„Eine Regierung, die nach ihrem offiziellen Rücktritt weitermacht, ist eine reelle Lösung. Dann würden die wichtigsten Vorhaben noch umgesetzt. Diese Regierung hat das zwar nicht verdient, weil sie noch lange wegen ihrer Erfolge gelobt worden wäre. Doch diese Lösung kann ich mir vorstellen.“Auch die Sozialdemokraten als stärkste Partei halten diese Variante für möglich. Darauf hat sich am Mittwochmorgen ihre Führungsspitze geeinigt. Eine grundlegende Bedingung gebe es jedoch, sagte der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Roman Sklenák:
„Für uns wäre nicht zu akzeptieren, wenn Andrej Babiš weiterhin in der Regierung säße. Dem würden wir nicht zustimmen.“Die Christdemokraten – und damit der kleinste Koalitionspartner – haben deswegen vorgeschlagen, dass einfach die beiden Streithähne einem möglichen neuen Kabinett fernbleiben: Sobotka und Babiš.
Zuvor muss Sobotka aber noch den Rücktritt der Regierung einreichen. Ursprünglich hatte er dies für spätestens Freitag dieser Woche angekündigt. Die neuesten Meldungen des Sozialdemokraten-nahen Nachrichtenportals Novinky.cz lauten aber nun anders. Demnach will der Premier frühestens Mitte Mai diesen Schritt vollziehen. Und zuvor soll er sich wohl noch mit Präsident Zeman treffen.
Dieser kann entweder den Rücktritt annehmen oder ihn sogar ablehnen. Im ersten Fall hat Zeman drei Möglichkeiten: Er betraut Premier Sobotka mit einer Umbildung des Kabinetts, er beauftragt einen anderen Politiker aus der Koalition damit, oder er ernennt ein sogenanntes Expertenkabinett.
Das hat Miloš Zeman bereits im Sommer 2013 gemacht, und vielen ist dies unangenehm in Erinnerung geblieben. Denn die Interimsregierung des damaligen Premiers Rusnok erhielt nachfolgend keine Mehrheit im Parlament.