„Deine Welt durch meine Augen“ – Neue Ausstellung von Pressefotograf Michal Novotný

Foto: Archiv von Michal Novotný

Im Altstädter Rathaus in Prag ist zurzeit die Ausstellung „Váš svět mýma očima“ (Deine Welt durch meine Augen) des tschechischen Pressefotografen Michal Novotný zu sehen. Gezeigt werden Bilder aus den vergangenen 20 Jahren, die er in 60 verschiedenen Ländern der Welt gemacht hat. Novotný ist mehrfach international ausgezeichnet worden, er arbeitet unter anderem für die New York Times, die Vanity Fair und die deutschen Wochenmagazine Stern und Focus. Grund genug, den Künstler und sein Werk in unserer Sendereihe „Kultursalon“ einmal näher vorzustellen.

Michal Novotný  | Foto: Tschechisches Fernsehen
Die Karriere von Michal Novotný begann kurz nach der politischen Wende in der Tschechoslowakei. 1991 reiste er per Anhalter nach Jugoslawien, wo er den gerade ausbrechenden Bürgerkrieg erlebte:

„Ich war damals so ein 18-jähriger Junge, der teils aus Sehnsucht nach Abenteuern, teils ohne darüber nachzudenken dort hingefahren ist. Weder habe ich damals gute Fotos gemacht, noch konnte ich überhaupt fotografieren. Hauptsächlich bin ich da hingefahren, um das auszuprobieren. 1989 hatte ich die Samtene Revolution erlebt, nun wollte ich wieder Teil der Geschichte sein beziehungsweise dort sein, wo Geschichte passiert. Das hat mir sehr gefallen, aber besonders gute Fotos habe ich dort nicht gemacht.“

Foto: TV Metropol
Als trotzdem eines seiner Bilder aus dem Krieg in einer Tageszeitung veröffentlicht wird, fängt Novotný Feuer. Er reist in den nächsten Krieg und dokumentiert die Ereignisse in Berg-Karabach. Eine Reportage von ihm über den Bürgerkrieg im Kaukasus erscheint in der renommierten tschechischen Wochenzeitschrift Respekt. 1995 bekommt er das Angebot, in der Redaktion der Zeitschrift Reflex zu arbeiten. Am Schreibtisch hält es Novotný jedoch nicht lange aus, das Schreiben reizt ihn nicht. Nach drei Jahren bricht er daher erneut als Fotograf in die Welt auf.

Foto: Tschechisches Fernsehen
„Ich habe eine kleine Statistik erstellt: Ich bin in etwa 60 Ländern auf der ganzen Welt gewesen, und mich interessiert immer die Geschichte der Menschen und ihre Kultur. Früher haben mich auch jene Orte interessiert, an denen etwas passiert. Ich habe immer CNN geschaut und jedes Mal, wenn ich jemanden mit einer Waffe gesehen habe, bin ich dorthin aufgebrochen. Das mache ich aber seit dem Krieg im Irak nicht mehr.“

Foto: Tschechisches Fernsehen
Als „klassischer“ Kriegsberichterstatter oder Fotograf sieht sich Novotný nicht, wie er betont:

„Ich bin überhaupt nicht der Typ von Fotograf, der, sobald er von einer Schießerei hört, dort hinläuft und schaut, wer auf wen schießt. Ich versuche eher, mit den normalen Menschen in den Krisengebieten zusammenzukommen.“

Im Prager Altstädter Rathaus sind nun Bilder aus den vergangenen 20 Jahren seiner Tätigkeit zu sehen. Leicht sei es ihm dabei nicht gefallen, die Fotos für die Ausstellung zu arrangieren, so Novotný:

Foto: Archiv von Michal Novotný
„Die ursprüngliche Idee bestand darin, die besten Aufnahmen der zurückliegenden 20 Jahre zu zeigen. Ich habe dann festgestellt, dass es interessanter ist, die Bilder nach bestimmten thematischen Blöcken zu ordnen. In diesen Blöcken finden sich einzelne Reportagen, aber ich musste erkennen, dass ich vor dem Jahr 2000 viele Bilder gemacht habe, die ich sehr gern mag, aus denen sich jedoch keine Serie bilden lässt. Also sind die Aufnahmen in der Ausstellung eher aus den letzten 13 Jahren. Es finden sich die verschiedensten Bilderserien, zum Beispiel über Blinde. Ich habe für eine Reportage den dritten Platz beim World-Press-Photo-Wettbewerb erhalten, für die ich Blinde in Liberia fotografiert habe. Die habe ich zusammen mit Bildern von Blinden aus einer Schule in Indien kombiniert, eine Reportage, die ich einige Jahre später gemacht habe. Ein völlig anderer Kontinent, aber die Schicksale der Menschen waren sich sehr ähnlich. Die Leute, die ich getroffen habe, waren sehr mutig unter den Bedingungen, in denen sie leben müssen.“

Foto: Archiv von Michal Novotný
In der Ausstellung sind auch Bilder von ukrainischen Straßenkindern aus Odessa zu sehen. Die meisten waren drogenabhängig und starben innerhalb von einem Jahr an Aids, Tuberkulose oder anderen Krankheiten. Novotný erinnert sich an seine Zeit mit den Straßenkindern:

„Interessant ist, dass die meisten Kinder dort keine Waisen sind. Sie haben Eltern, die sind aber häufig Alkoholiker oder Drogenabhängige und kümmern sich überhaupt nicht um ihren Nachwuchs. Die Kinder leben dann lieber auf der Straße, als in den örtlichen Heimen, die dort wirklich nicht die besten sind.“

Foto: Archiv von Michal Novotný
Auch für diese Reportage ist der Fotograf ausgezeichnet worden, 2007 erhielt er für die Bilderserie den Preis Best of Photojournalism in der Kategorie Alltagsleben. Novotný erzählt, wie er den Kontakt herstellt und an Motive gelangt:

„Meistens kontaktiere ich eine örtliche NGO (Nichtregierungsorganisation) oder lokale Journalisten. In der letzten Zeit hat mir auch Facebook sehr geholfen, zum Beispiel für die Reportage über Kinderarbeit in Bangladesch. Ich habe einige hundert Fans aus Bangladesch, und als ich auf Facebook schrieb, dass ich dort eine Reportage mache, haben mir sofort Dutzende Menschen zurückgeschrieben und wollten mir helfen. Ich spreche auch oft mit Unicef. Dort vermittelt man mir die Kontakte zu den örtlichen NGOs, die die Kinder betreuen.“

Foto: Czech Press Photo
Die Reportage über Kinderarbeit in Bangladesch ist ebenfalls im Prager Rathaus zu sehen, außerdem auch eine Bilderserie über die tschechischen Soldaten in Afghanistan. Die Fotos zeigen den Alltag der Ausbilder, sowohl während ihrer Arbeit mit den afghanischen Soldaten, als auch in ihrer Freizeit im Militärlager.

„Nach Afghanistan bin ich sehr häufig gefahren. Zum ersten Mal war das 2001, noch während des Falls von Kabul. Die Lage dort hat sich in der letzten Zeit aber leider verschlechtert, und man kann nicht mehr einfach herumreisen. Wenn ich alleine gereist bin, konnte ich mich meist nur auf den Militärbasen bewegen, wo die tschechischen Soldaten stationiert waren. Sie waren aber an vielen Orten, daher habe ich von Afghanistan insgesamt genug gesehen.“

Foto: Archiv von Michal Novotný
Die jüngsten Umstürze und Revolutionen in Tunesien, Libyen, Ägypten oder Syrien hat Novotný nicht mehr dokumentiert. Er ist gerade dabei, sich mit einem neuen Tätigkeitsfeld auseinanderzusetzen. Der Autodidakt lernt nun den Umgang mit der Filmkamera:

„Ich konzentriere mich in der letzten Zeit eher auf Dokumentarfilmprojekte. Hätte ich früher einen Bericht über eine Revolution auf CNN gesehen, wäre ich sofort nervös geworden. Ich hätte mir schnell ein Flugticke besorgt und meinen Chefredakteur angerufen, damit er mir Geld für die Reportage bereitstellt. Aber das mache ich in der letzen Zeit nicht mehr.“

Foto: Tschechisches Fernsehen
Reisen ist für Novotný aber weiterhin lebenswichtig. Nach vielen Aufenthalten in Südostasien, in Indien und Bangladesh zieht es ihn aber mehr in die Staaten der ehemaligen Sowjetunion und in die Mongolei oder nach Tibet. Konkrete Projekte will er nicht benennen, aber natürlich gibt es auch für ihn Orte, die er unbedingt noch besuchen will:

„Furchtbar gerne würde ich einmal in die Antarktis fahren, die Pinguine und Polarlandschaft fotografieren. Aber eigentlich ist mein Ziel eher, dass es mir gelingt, von dem zu leben, was ich mache, und mein Werk fortzusetzen. Ich mache fast nur Sachen, die mir Spaß bereiten. Das Reisen und Fotografieren macht mir Spaß, und das weiß ich sehr zu schätzen.“

Eine Begeisterung, die sich auf den eindrucksvollen Fotos von Michal Novotný erkennen lässt, egal ob sie aus Kriegsgebieten stammen oder aus dem Leben normaler Menschen überall auf der Welt.


Die Ausstellung „Váš svět mýma očima“ (Deine Welt durch meine Augen) ist noch bis zum 25. August zu sehen, täglich von 9 Uhr bis 18 Uhr, montags erst ab 10 Uhr. Die Bilder hängen im Rittersaal des Altstädter Rathauses, direkt neben der Touristeninformation.