Nečas: „Großes Interesse an weiterer Gestaltung der EU durch Großbritannien“
Am Dienstag, einen Tag nach den Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum des Élysée-Vertrags, trat der britische Premier David Cameron vor die Kameras. Er hielt eine lang erwartete zur Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union. Die Tschechische Republik hat in der Vergangenheit oftmals die kritischen britischen Positionen zur EU geteilt und betrachtet das Vereinigte Königreich als seinen engsten Verbündeten innerhalb Europas. Grund genug, die Reaktion der tschechischen Regierung auf Camerons Rede wiederzugeben.
„Wir teilen die Meinung, dass Europa flexibler und offener werden muss sowie sich stärker um das Vertrauen seiner Bürger bemühen sollte. In vielerlei Hinsicht hängt die britische Position mit der großen Reserviertheit der Briten gegenüber der Europäischen Union zusammen. Eine gewisse Skepsis und Reserviertheit ist aber nicht nur ein Problem der britischen öffentlichen Meinung, schauen wir nur einmal auf die Umfragen in Tschechien. Andererseits haben wir großes Interesse an einer erhöhten Konkurrenzfähigkeit der EU im globalen Wettbewerb und vor allem an der Vollendung des freien Binnenmarktes. Dies sollten die Hauptfelder der europäischen Integration sein. Darin sind unsere Interessen sehr ähnlich.“
Tschechien und Großbritannien kämpfen schon länger vehement für mehr Marktliberalisierung. Camerons Forderungen nach mehr Reformen und auch nach der Rückgabe von Kompetenzen an die Mitgliedsländer unterstütze er durchaus, erklärte Nečas. Allerdings gab er zu bedenken:„Die Meinungen über die weitere europäische Integration gehen auseinander. Einige wollen eine tiefere und engere Integration erreichen. Andere wollen ein flexibleres Modell, unter der Berücksichtigung, dass es jetzt schon verschiedene Meinungen gibt und die heutige Europäische Union eigentlich schon ein Europa der variablen Geometrie ist.“
Diese Variabilität drücke sich dadurch aus, so Nečas, dass nur einige Länder den Euro haben, nur manche Staaten dem Schengen-Abkommen beigetreten sind und die EU-Mitglieder auch unterschiedlich an der Außen- und Sicherheitspolitik mitarbeiten. Die Europastrategie der tschechischen Regierung baut genau auf dieser Variabilität auf. Prag favorisiert wechselnde Koalitionen verschiedener Staaten, um seine Interessen durchzusetzen.Daher wünscht sich Nečas auch keinen Austritt der Briten aus der EU, denn damit würde Tschechien einen seiner stärksten Partner für seine Strategie verlieren:
„An einem Austritt Großbritanniens aus der EU haben wir überhaupt kein Interesse. Ganz im Gegenteil, wir haben ein großes Interesse daran, dass das Vereinigte Königreich auch zukünftig ein Teil der Europäischen Union ist und ein aktiver und wichtiger Spieler bei der weiteren europäischen Integration bleibt.“Ein Kommentator der Tageszeitung Mladá Fronta Dnes interpretiert diesen Wunsch: Da bislang die drei Großmächte Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Diskussion über die weitere Ausrichtung der Europäischen Union dominieren, würde sich Tschechien ohne die Briten den deutsch-französischen Wünschen einer tieferen Integration alleine gegenübersehen.