Vom Brexit zum Czexit? Tschechen stehen eher positiv zur EU
Am Donnerstag könnte sich die Zukunft der Europäischen Union entscheiden: Die Briten geben in einem Referendum ihre Stimme ab für oder gegen den Verbleib in der Gemeinschaft. Doch nicht nur auf der Insel ist die Abstimmung ein heißes Thema. Auch auf dem Kontinent wächst die Spannung. Wie denken also die Tschechen über den sogenannten Brexit? Und wäre auch ein Czexit möglich?
„Den gemeinsamen Markt zu verlassen, ist meiner Meinung nach ein großer Fehler. Auch die Migrationskrise ist dadurch nicht zu lösen, wenn die Arbeitslosigkeit steigt oder genauso die Steuereinahmen und Sozialausgaben sinken. Das sind alles Risiken, die wir mit einem Austritt aus der Union auf uns nehmen. Und wir sollten sie nicht auf uns nehmen.“
Von einem sogenannten Brexit wäre jedoch nicht nur das Vereinigte Königreich betroffen. Die Angst vor einem Domino-Effekt in anderen Mitgliedsländern ist groß. Davor warnt auch der deutsche Außenamtschef Frank-Walter Steinmeier:„Sollte es wirklich dazu kommen, dass Großbritannien ausscheidet, dann werden sich die Europäische Union und deren Integrationsprozesse in einer tiefen Krise befinden.“
Könnte das britische Beispiel aber auch in Tschechien Schule machen? Gilt doch das Land durch den ehemaligen Präsidenten Václav Klaus als Hochburg der Euroskeptiker. Aktuelle Umfragen im Auftrag des Tschechischen Rundfunks zeichnen jedoch ein anderes Bild von Tschechien.
Was den Brexit betrifft, würden diesen nur 22 Prozent der Befragten unterstützen. Daniel Prokop hat die Umfrage für das Meinungsforschungsinstitut Median durchgeführt:Für den Verbleib des Vereinigten Königreichs seien vor allem gebildete Großstädter, sagt der Soziologe. Für den Brexit würden demnach eher Tschechen ohne Abitur stimmen, die auf dem Land wohnen.
Die Tschechen befürchten vor allem die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU. Ein großer Exportmarkt würde wegfallen. Zudem sähe man sich um die Möglichkeit gebracht, in Großbritannien arbeiten, studieren oder leben zu können, meint Daniel Prokop. Diese Angst verbindet viele Menschen in den östlichen Ländern der EU. Die britischen Inseln sind ein beliebtes Ziel für Auswanderer vor allem aus diesen Staaten. Nach Schätzungen leben und arbeiten rund 40.000 Tschechen auf der anderen Seite des Ärmelkanals. Aus Ungarn und insbesondere Polen sind es noch viel mehr.
Auch ein eigener Austritt aus der Europäischen Union steht in Tschechien nicht wirklich zur Debatte. Einen „Czexit“ würden zurzeit rund 59 Prozent der Befragten ablehnen. Laut Daniel Prokop liegt die Motivation der Tschechen zum Verbleib nicht an ihrer Liebe zur EU. Die Tschechen seien ohne Frage traditionell EU-skeptisch, so Prokop. Doch seien sie ebenso pragmatisch und sähen die EU als Notwendigkeit an. Das betrifft vor allem die Freiheiten und die wirtschaftlichen Vorteile innerhalb der Union.Doch die Diskussion um den Brexit macht auch den Tschechen deutlich: Die EU sollte ihre Strukturen hinterfragen. Das zumindest sieht Helena Langšádlová von der konservativen Top 09 so, der laut Median-Umfrage EU-freundlichsten Partei in Tschechien:
„Durchaus ist die Frage angebracht, ob die europäische Integration tief genug ist in einigen Bereichen. Aber auch, ob denn von europäischer Seite gewisse Bereiche reguliert werden müssen, die bei den einzelnen Staaten besser aufgehoben wären.“