„Vít Bárta begeht Wortbruch“ - Politologe Schuster über den verurteilten Poltiker
In der vergangenen Woche wurde mit Vít Bárta der wichtigste Politiker der mitregierenden Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV) verurteilt. Bárta erhielt wegen Bestechung von Parteikollegen 18 Monaten Haft auf Bewährung, ist aber gegen das Urteil in Berufung gegangen. Viele Beobachter gingen dennoch davon aus, dass sich Bárta – wie angekündigt - nun aus der Politik zurückzieht. Doch sie wurden eines Besseren belehrt: Bárta trat zwar als Fraktionsvorsitzender seiner Partei zurück und lässt auch seine Parteimitgliedschaft ruhen. Doch das Abgeordnetenmandat will er behalten. Und nicht nur das: Er hat angekündigt, im Herbst bei den Regionalwahlen im Kreis Plzeň / Pilsen als Spitzenkandidat für das Amt des dortigen Kreishauptmanns zu kandidieren. Über die jüngsten Entwicklungen rund um den Fall Bárta ein Interview mit unserem Mitarbeiter, dem Politikwissenschaftler Robert Schuster.
„Es kommt natürlich ganz auf die Perspektive an. Aus meiner Sicht der Dinge entspricht dies einem Wortbruch. Vít Bárta hatte vor dem Urteilsspruch ankündigt, dass er sich aus der Politik zurückziehen wird. Dies bedeutet meines Erachtens, dass er alle politischen Mandate niederlegt. Das bezieht sich auch auf das Mandat eines Abgeordneten, für das er bezahlt wird, aber das will Bárta scheinbar nicht. Die Konsequenz ist, dass er nun auch noch die letzten Sympathien verloren hat, sofern ihm überhaupt noch jemand Sympathien entgegengebracht hat. Zudem dürfte sich nun zeigen, dass Vít Barta als Abgeordneter weiterhin Einfluss auf seine ehemalige Partei haben wird, selbst wenn er seine Parteimitgliedschaft offiziell ruhen lässt. Für die Partei der öffentlichen Angelegenheiten selbst ist das natürlich keine gute Nachricht, denn ihre einzige Überlebenschance wäre, sich von Vít Bárta zu emanzipieren, sich loszulösen. Das wäre nur möglich, wenn dieser sein Abgeordnetenmandat niederlegen würde.“
Bárta will nun zum Kreishauptmann kandidieren. Warum hat er sich gerade Pilsen als sein weiteres politisches Schlachtfeld ausgesucht?„Ich denke, es gibt zwei Gründe. Er hat im Fernsehen gesagt, dass er den dort angeblich bestehenden Korruptionssumpf trockenlegen will, der auch mit dem Namen des tschechischen Justizministers Jiří Pospíšil verbunden sei. Pospíšil ist gleichzeitig ein wichtiger Regionalpolitiker der Demokratischen Bürgerpartei und war in Pilsen für seine Partei sogar viele Jahre lang Regionalchef. Aber ich halte den zweiten Grund für weitaus wichtiger: Pilsen ist von Prag aus, wo die wichtigste Schaltzentrale der tschechischen Politik liegt, sehr gut zu erreichen. In einer Stunde ist man dort und kann Wahlkampf machen. Aufgrund dieser Nähe zu Prag ist die Stadt also relativ attraktiv für Kandidaten. Gleichzeitig ist Pilsen noch nicht besetzt von anderen wichtigen Persönlichkeiten der tschechischen Politik. Bárta hätte auch nach Mittelböhmen gehen können, aber dort träfe er auf den amtierenden Kreishauptmann David Rath von den Sozialdemokraten - einen sehr starken Gegner. Auch Nordböhmen wäre eine Möglichkeit gewesen, aber dort will wiederum Jiří Paroubek, der frühere tschechische Premierminister, für den Posten des Kreishauptmannes kandidieren. Meines Erachtens hat sich Bárta deswegen für Pilsen entschieden. Wegen der Nähe zu Prag kann er dann sowohl den Wahlkampf in Pilsen führen, als auch seine frühere Partei leiten.“
Kann man diese Entscheidung von Bárta vielleicht auch so interpretieren, dass er sich ein anderes Spielfeld ausgesucht hat, weil er sich in Prag die Finger verbrannt hat?„Das wäre natürlich eine mögliche Erklärung. Aber er hofft ja, dass er im Berufungsverfahren freigesprochen wird, sich damit reinwaschen kann und dann wie Phönix aus der Asche wieder aufsteigt. Dann könnte er behaupten, dass er ja immer gesagt hat, ihn träfe keine Schuld. Und das wäre dann natürlich für den Regionalwahlkampf eine sehr gute Devise, damit könnte er sicherlich wuchern. Doch ich denke, da steht eher das genannte pragmatische Kalkül im Hintergrund.“
Die weitere Zukunft der Partei der öffentlichen Angelegenheiten ist ungewiss. Schon während der jüngsten Regierungskrise waren Tendenzen zu einer Spaltung der Partei deutlich. Kann man sagen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die VV-Partei auseinanderfällt und die Regierung somit in erneute Turbulenzen stürzt?„Man kann die nächste Regierungskrise schon jetzt vorhersehen. Es fragt sich nur, ob sie in einem, zwei oder drei Monaten kommt. Aber sie wird kommen. Und ich denke, dass bei den beiden übrigen Regierungsparteien, der Demokratischen Bürgerpartei von Premier Nečas und der Top 09 von Außenminister Schwarzenberg, schon langsam die Rechner gezückt werden. Man rechnet jetzt zusammen, wie viele Abgeordnete von der Partei der öffentlichen Angelegenheiten man bräuchte, um weiterregieren zu können. Die Mehrheit im Abgeordnetenhaus erreicht man mit 101 Abgeordneten. Die beiden übrigen Regierungsparteien kommen zusammen auf 93 Abgeordnete. Von den mehr als 20 Abgeordneten der Partei der öffentlichen Angelegenheiten müssten sie also mindestens 8 auf ihre Seite bekommen, um die Regierung über die restliche Zeit der Legislaturperiode bringen zu können.“