Vom Messias zum „Feigling“: Hašeks Rücktritt als Fußballchef löst Bestürzung aus

Ivan Hašek (Foto: ČTK)

Der tschechische Fußball treibt weiter in unruhigen Gewässern. Nach einer 16-jährigen Amtsperiode dreier Verbandsvorsitzender, die den hiesigen Fußballsport in seinen Grundfesten erschüttert und herabgewirtschaftet haben, wurde vor zwei Jahren ein genereller Neuanfang versucht. Dazu glaubte man mit dem international renommierten Trainer und sportlich untadeligen Ex-Nationalspieler Ivan Hašek den richtigen Mann für die Führungsspitze gefunden zu haben. Nach den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit sollte die Vollversammlung des inzwischen in Fußball-Assoziation der Tschechischen Republik (FA ČR) umbenannten Verbandes eigentlich als erste Klippenüberbrückung unter dem Kommando des Kapitäns und Steuermanns Hašek gefeiert werden. Doch der vermeintliche Aufwind blieb aus, weil Hašek urplötzlich den Anker warf und überraschend von Bord ging.

Ivan Hašek  (Foto: ČTK)
„Die Mission des Verteidigers Hašek ist heute zu Ende. Hiermit trete ich als Vorsitzender der Fußball-Assoziation der Tschechischen Republik zurück.“

Mit diesen Worten überraschte, ja schockierte der 47-jährige Jurist Ivan Hašek zum Ende der Vollversammlung am Sonntag in Prag die teilnehmenden Delegierten des Verbandes, die Journalisten und die langjährigen Beobachter der tschechischen Fußballszene. Alle Anwesenden hatten nach der Versammlung, die ungewöhnlich straff und nahezu reibungslos verlaufen war, eigentlich eine abschließende Dankesrede des Verbandschefs erwartet. Doch dann ließ Hašek die gerade zitierten Worte fallen und begründete seinen Schritt anschließend vor den Medien wie folgt:

Generalversammlung der Fußball-Assoziation der Tschechischen Republik  (Foto: ČTK)
„Von Anfang an hatte ich mich innerlich nur für eine zweijährige Amtszeit entschieden, und ich entschuldige mich dafür, wenn ich das damals nicht so klar gesagt und stattdessen fabuliert habe, dass ich auf eine vierjährige Amtszeit vorbereitet sei. Aber wenn ich das gesagt hätte, dann hätte ich nicht die Arbeit verrichten können, die ich während dieser zwei Jahre getätigt habe. Und ich hätte die Verbandspitze auch nicht dorthin führen können, so wie sie sich heute auf der Vollversammlung des Verbandes präsentiert hat, nämlich als ein einheitliches Gebilde, das weiß, was es will.“

Dalibor Kučera  (Foto: Archiv von Dalibor Kučera)
Mit anderen Worten: Ivan Hašek, den man vor zwei Jahren wie einen Messias gerufen und nach seiner Inthronisierung schon als Retter des tschechischen Fußballs gefeiert hatte, war zwar einerseits bereit, hohe Verantwortung zu übernehmen, andererseits aber nur für eine Übergangszeit von zwei Jahren. In diesen zwei Jahren wollte Hašek dem tschechischen Fußball ein neues Gesicht geben, ihn strukturell und wirtschaftlich stabilisieren sowie für Gönner und Investoren wieder attraktiv und glaubhaft machen. Seiner eigenen Überzeugung nach ist ihm das auch gelungen. Dies käme insbesondere im neuen Verbandsnamen, den verabschiedeten neuen Statuten und der neu installierten Verbandsführung zum Ausdruck, so Hašek. Sein Mitstreiter, der Vizevorsitzende Dalibor Kučera, bestreitet Hašeks Meinung nicht, doch auch er ist schon ein wenig enttäuscht darüber, dass sein Chef nicht weitermachen wird:

„Ich wusste über seinen Schritt bescheid und noch am Abend vor der Vollversammlung haben wir versucht, Ivan umzustimmen. Nichtsdestotrotz, menschlich kann ich ihn verstehen. Ivan Hašek hat für den tschechischen Fußball wirklich ein großes Stück Arbeit geleistet, und als Persönlichkeit wird er nur sehr schwer zu ersetzen sein.“

Noch mehr erschüttert über den Ausstieg der noch vor zwei Jahren gefeierten Ikone aber sind die Delegierten des Verbandes auf der mittleren und unteren Ebene sowie auch die Sport-Journalisten. Letztere lassen kaum ein gutes Haar am ansonsten sehr geschätzten Fußballexperten Hašek. Mehrere Blätter bezeichneten Hašek am Montag als „Feigling“ oder als „falschen Messias“, der das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt habe. Der Fußballexperte des Tschechischen Rundfunks, Jan Kaliba, vertritt eine ähnliche Meinung:

Club Al Ahli  (Foto: Archiv des Klubs)
„Ich will ungern mit Worten spielen, und die Bezeichnung Feigling halte ich für zu extrem. Auf der einen Seite lässt sich Hašeks Entscheidung von menschlicher Seite aus durchaus nachvollziehen, und ich weiß auch nicht, wie stark ihn dabei seine Familie beeinflusst hat. Das jedenfalls wäre ein starkes Motiv für seine Entscheidung. Auf der anderen Seite aber hat er sich für vier Jahre zu dieser Funktion verpflichtet, und da ist sein Schritt nichts anderes als eine Flucht vor der Arbeit. Und das macht man nicht.“

Ivan Hašek wird übrigens ab dem 1. Juli wieder als Trainer beim arabischen Spitzenclub Al Ahli arbeiten.

Autor: Lothar Martin
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