Das Palais Lobkowicz – Ein Portrait der Deutschen Botschaft Prag
Es ist ein architektonisches Filetstückchen auf der Prager Kleinseite – das Palais Lobkowicz, seit 1973 das Gebäude der Deutschen Botschaft. Das barocke Bauwerk, nur 200 Meter Luftlinie von der Prager Burg entfernt, war im 18. Jahrhundert im Besitz der berühmten böhmischen Adelsfamilie Lobkowicz. Das Haus hat eine bewegte, über 300-jährige Geschichte. Aber besonders die Ereignisse vor gut 20 Jahren machen das Palais für Deutschland interessant. Im Jahr 1989 flüchteten tausende DDR-Bürger über Prag nach Westdeutschland und ebneten so den Weg zur deutschen Einheit – hier wurde Geschichte geschrieben. Keine Frage: Das Gebäude ist für die Bundesrepublik von großer Bedeutung. Aber was ist das Palais Lobkowicz für ein Ort? Wie arbeitet es sich da?
Heute haben die Freskenräume eine andere Funktion, erklärt er:
„Wir nutzen diese Räume hier zum einen, um Besuchergruppen zu empfangen. Mit denen diskutieren wir über Außenpolitik und über die deutsch-tschechischen Beziehungen. Deswegen ist dieser Raum für Gäste – der Vortragsraum. Der Raum zur Linken ist unser interner Besprechungsraum. Einmal pro Woche treffen sich hier alle Mitarbeiter der Botschaft zu einer Besprechung.“
Auch der Besprechungsraum ist bis auf den letzten Quadratzentimeter ausgemalt. Die Fresken verbinden orientalische mit asiatischen Motiven, an der Decke prangt ein Adler – typisch Barock: kitschig und überladen. Hinter einer kleinen, unscheinbaren Tür auf der linken Seite befinden sich diverse Büros – und eine Besonderheit, wie Ulrich Ernst verrät:„In einem Raum steht ein kleiner Fußballkicker. Und nach Feierabend spielen wir hier gelegentlich auch mal ein Fußballturnier. Der Botschafter spielt ziemlich gut. Es ist aber auch sein Kicker, muss man dazu sagen.“
Eine weitere Tür führt hinaus in den Garten. Auf grobem Kies geht es an einem kleinen Teich vorbei zur Orangerie, dem ehemaligen Gartenhaus des Palais. Hier ist der Service untergebracht, den wohl die meisten Menschen im Kopf haben, wenn sie an eine Botschaft denken: die Konsularabteilung. Das eckige Gebäude hat einen Terracotta-Anstrich. Durch den linken der drei großen Torbögen führen ein paar Stufen zu den Büroräumen. Hierher kommen Deutsche und Tschechen zum Beispiel dann, wenn sie Pässe oder Ausweise verloren haben oder Beglaubigungen benötigen. Leiter des Rechts- und Konsularreferats ist Alexander Dodt. Er genießt die Arbeit in seinem Büro.„Ich war vorher an einer anderen Vertretung tätig, etwas tiefer in Osteuropa. Wenn man die beiden Arbeitsplätze vergleicht, kann man nicht glauben, dass derselbe Arbeitgeber zwei solche Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. Prag ist sicherlich eine der schönsten Vertretungen, die Deutschland im Ausland hat. Und auch mein Arbeitsplatz wird vielleicht sogar der schönste sein, den ich bisher hatte.“
Besonders angetan hat es ihm der Blick durch die große Fensterfront der Orangerie. Hier, wo im Mittelalter die Bierbrauerei Strahov das Bild bestimmte, herrscht jetzt idyllische Ruhe in einem Englischen Garten. Der Kies-Weg schlängelt sich zwischen den Bäumen über den Rasen. Nach hinten steigt der Garten am Fuße des Laurenziberges leicht an. Neben der in Form geschnittenen Hecke steht ein bronzener Trabant auf vier Beinen. „Quo Vadis“ heißt die Skulptur des Prager Künstlers David Černý. Eine Inschrift verrät den Hintergrund des Kunstwerks:
„Zur Erinnerung an die vielen tausend Deutschen aus der DDR, die im Sommer und Herbst 1989 über die Botschaft in Prag den Weg in die Freiheit suchten und fanden.“Mit dem Rücken zum Zaun, über den die Flüchtlinge damals in den Garten gelangten, baut sich vor dem Besucher das vierstöckige Palais auf. Der Blick fällt direkt auf den halbrunden Balkon, den so genannten Genscher-Balkon. Am Abend des 30. September 1989, um kurz vor Sieben, richtete sich der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher von diesem Balkon an die DDR-Flüchtlinge:
"Wir sind zu Ihnen gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise..."
Das Ende seines berühmten Satzes ging damals im Jubel der Flüchtlinge unter. Ein Jubel, der bis dahin eine Seltenheit in der jüngeren deutschen Geschichte war. Mehrere Monate hatten die Flüchtlinge zuvor unter harten Bedingungen zu tausenden im Garten der Botschaft kampiert - jetzt durften sie endlich ausreisen. Ivana Vlnasová arbeitet seit 1985 als eine von vielen tschechischen Ortskräften in der Deutschen Botschaft. Sie ist im Sprachendienst tätig, übersetzt und dolmetscht den ganzen Tag. Im Herbst 1989 hatte sie aber andere Prioritäten.„Wir haben uns nur um die Flüchtlinge gekümmert. Wir haben Nahrungsmittel, Hygiene, Unterbringung und das tägliche Leben sichergestellt.“
Auf den Genscher-Balkon gelangt man durch den Kuppelsaal. Über drei Türen hängen Bilder zur Herkules-Sage, weswegen der Kuppelsaal auch Herkules-Saal genannt wird. Beethoven und Carl Maria von Weber sollen hier einst musiziert haben. Heute dient der Kuppelsaal vor allem Repräsentationszwecken. Regelmäßig werden bis zu 120 Gäste zu Reden, Empfängen oder Konzerten hierher eingeladen. Links neben dem Kuppelsaal schließt sich das wegen seines gewobenen Wandschmucks so genannte Gobelin-Zimmer an. Dahinter ein großer Speisesaal und diverse Repräsentationsräume. In seinem Büro rechts neben dem Herkules-Saal sitzt Botschafter Johannes Haindl. Er arbeitet nicht nur in der Deutschen Botschaft, er wohnt auch hier: direkt über dem Kuppelsaal, im obersten Stockwerk, das dem Palais nach einem Brand im Jahr 1768 aufgesetzt wurde.„Man wohnt nicht sein ganzes Leben lang in einem Palais und insofern ist das natürlich eine neue Erfahrung, hier in diesem Haus mitten in der Stadt zu wohnen. Ich habe einen herrlichen Blick von meiner Wohnung aus. Auf der einen Seite schaue ich auf die Burg, aus dem anderen Fenster schaue ich auf die Nikolauskirche, auf die Teynkirche und auf die Altstadt, die sich vor mir ausbreitet, und wenn ich aus den südlichen Fenstern gucke, dann sehe ich den Laurenziberg. Schöner kann man wirklich nicht wohnen“, so beschreibt Botschafter Johannes Haindl das Wohngefühl im Palais Lobkowicz.In seinem Arbeitszimmer vermischen sich Barock und Moderne: eine schwarze Ledercouch auf der einen, ein antiker Bücherschrank auf der anderen Seite. Johannes Haindl mag diesen Stilmix.
„Eine Botschaft – vor allem die offiziellen Empfangsräume – muss natürlich in gewisser Weise auch die Persönlichkeit desjenigen widerspiegeln, der darin amtiert. Insofern versucht man, eine kleine persönliche Note reinzubringen. Aber im Wesentlichen steht das Mobiliar fest. Und die Räume sind auch so schön, dass es wirklich keiner großen Veränderungen bedurfte, als ich hier eingezogen bin.“Zurück im Kuppelsaal: Auf dem Genscher-Balkon erinnert eine Gedenktafel an die Ansprache des Außenministers. Der historische Satz, dessen Ende im Jubel der Flüchtlinge unterging, ist hier eingraviert. Vom Balkon blickt man hinunter in den Garten. Ein idyllischer Ort, den auch der Botschafter zu schätzen weiß:
„Wenn das Wetter schön ist, nehme ich ein Buch, setze mich in den Garten heraus, in diesen herrlichen kleinen Park, und hoffe, dass mich keine Touristen fotografieren.“