Münchner Ausstellung: Prag – Literaturstadt zweier Sprachen, vieler Mittler

Ausstellungsplakat

Kronlandmetropole der k. u. k Monarchie, Hauptstadt der Tschechoslowakei, Protektoratsstadt des Dritten Reiches – all das war Prag in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dieser geschichtliche Wandel, vor allem aber die deutsch-tschechisch und jüdische Nationalitätenmischung war es, die Prag ein besonderes mitteleuropäisches Gepräge gegeben hat. Wie das literarische Leben zwischen diesen Polen aussah, dass zeigt eine neue Ausstellung des Adalbert Stifter Vereins in München. Christian Rühmkorf sprach mit der Ausstellunsgmacherin Anna Knechtel.

Am 18. Juni eröffnet der Adalbert-Stifter-Verein in München, die Literaturausstellung mit dem Titel „Praha-Prag 1900–1945. Literaturstadt zweier Sprachen, vieler Mittler“. Frau Knechtel, was ist über die deutschen und tschechischen Kulturmittler zu erfahren – wer waren sie und was haben sie geleistet?

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„Wir haben zu acht deutschen und tschechischen Persönlichkeiten aus dem Prager Kulturleben jeweils eine Tafel mit Informationen zu ihrem Leben und zu ihrem zumeist schrifstellerischen Werk erstellt. Dabei haben wir uns hauptsächlich auf den Aspekt des Vermittelns, beziehungsweise des Übersetztens, konzentriert. Wir haben es aber nicht ganz so eng gefasst. Bei Milena Jesenská, die als Freundin von Franz Kafka in die Geschichte und Literaturgeschichte einging, haben wir zum Beispiel auch den Aspekt beachtet, dass sie als Fluchthelferin und auch durch ihre Reportagen aus dem nord-böhmischen Grenzgebiet praktisch zwischen Deutschen und Tschechen vermittelt hat.“

Geht es in der Ausstellung nur um Literaten, die Bücher vom deutschen Original ins Tschechische übersetzt haben, oder gilt das auch umgekehrt - um die tschechische Literatur der deutschen Sprachnation nahe zu bringen?

„In unserer Ausstellung gibt es Übersetzer, die aus beiden Sprachen in beide Sprachen übersetzen, zum Beispiel Friedrich Adler oder Max Brod. Max Brod hat zum Beispiel Karel Čapeks ‚Die Sache Makropulos’ übersetzt. Oder Otto Pick: Sein tschechischer Lieblingsautor war Fraňa Šrámek, den er fast komplett ins Deutsche übersetzt hat. Alle haben sich auch an Anthologien beteiligt und zum Beispiel 1916 für die ‚Aktion’, eine expressionistische Zeitschrift, tschechische Lyrik ins Deutsche übersetzt. Das ist sehr beidseitig. Es gibt bis in die dreißiger Jahre hinein und – zu unserer Überraschung - auch noch während der Protektoratszeit sehr viele Übersetzungen in beide Sprachen.“

Ihre Einschätzung - wie groß war die Nähe, literarische Nähe, der deutschen und tschechischen Sprachnation in Prag wirklich?

„Es heißt so oft, Prag sei zwar eine Stadt zwar von Deutschen und Tschechen gewesen, aber diese beiden hätten ihre eigenen sozialen Gefüge gehabt und wären kaum miteinander in Berührung gekommen. Das ist auch größtenteils so gewesen, aber eben nicht nur. Und dieses ´nicht nur´ wollten wir mit dieser Ausstellung thematisieren. Auf dem Feld der Literatur gab es sehr wohl Überschneidungen. Man erkennt nicht nur Verbindungen zwischen Übersetzern und ihren Autoren, sondern auch, dass die wiederum mit anderen verbunden waren. Das war wirklich ein Gefüge, ein Netz von Beziehungen, das natürlich nicht besonders groß war und nicht die ganze Stadt oder die ganzen literarischen Szenen ergriffen hat. Und ein sehr interessanter Aspekt: Die Vermittler waren ganz oft jüdischer Herkunft. Sie hatten es besonders schwer, sich entweder als Tschechen oder als Deutsche zu bezeichnen und haben auch oft explizit gesagt, dass sie sich als Brückenbauer verstehen. Das hat sich natürlich auch in den Übersetzungen niedergeschlagen.“

Anna Knechtel
Frau Knechtel, wie sehen die weiteren Stationen dieser Ausstellung aus? Geht sie noch auf Reisen?

„Ja, diese Ausstellung ist eine Wanderausstellung. Wir sind in Verhandlungen mit Literaturhäusern und Ausstellungsräumen in mehreren Städten in Deutschland, auch in Österreich, in Wien. Möglicherweise können wir sie auch in die Schweiz bringen. Aber das Wichtigste ist uns natürlich, dass eine Station in Prag sein wird, und das soll dann auch die Endstation sein. Wir hoffen, dass die Ausstellung, die jetzt schon zweisprachig ist, letztendlich dann in Prag bleiben wird. Sie wird deswegen ganz zum Schluss dorthin kommen, und das ist dann leider möglicherweise erst in zwei Jahren.“