Fußball-Affäre: Verhalten des FK Bohemians Prag unkorrekt und imageschädigend

Fußball ist ein attraktiver Sport. Besonders wenn Mannschaften aus einer Region oder einer Stadt beim so genannten Derby aufeinander treffen, ist für Emotionen und gute Unterhaltung zumeist gesorgt. Wenn aber ein solches Derby aus kaum nachvollziehbaren Gründen plötzlich nicht zustande kommt, dann ist der Ärger vorprogrammiert. Genau diese Situation ist jetzt im tschechischen Clubfußball eingetreten.

Vor einem halben Jahr haben wir darüber berichtet, welch groteske Formen die unverhohlene Feindschaft zwei Prager Fußballclubs angenommen hat. Beide Vereine tragen den Namen Bohemians: der FK Bohemians Prag, der seinen Sitz im Randviertel Střížkov hat, und Bohemians 1905, der im citynahen Stadtteil Vršovice zu Hause ist. Schon damals beim Hinrundenspiel zwischen beiden Vereinen hatten die Verantwortlichen der Bohemians-Elf aus Střížkov gedroht, künftig zu diesen Derby-Spielen nicht mehr anzutreten. Střížkov erkenne den Verein Bohemians 1905 nicht als rechtmäßiges Mitglied des Böhmisch-Mährischen Fußballverbandes an, so die Begründung.

Karel Kapr  (Foto: ČTK)
Die Spielverweigerung haben die Verantwortlichen um Clubchef Karel Kapr nun vor anderthalb Wochen wahr gemacht. Zum Rückrundenspiel im Stadion Ďolíček, der Heimstätte der 05er, war die Elf aus Střížkov zwar angereist, doch auf Weisung von Clubboss Kapr ist sie nach dem Warmmachen zur Partie selbst nicht aufgelaufen. Ein Schlag ins Gesicht für alle Fußballfans, ein Affront gegen die Arbeit des emsigen Fernsehteams, das die Begegnung übertragen wollte, und ein klarer Verstoß gegen die Spielordnung der Liga und die Statuten des Fußballverbandes. Ganz zu schweigen von dem riesigen Imageschaden, den der tschechische Vereinsfußball ein weiteres Mal erlitten hat. Dieser schwere Fehltritt der Grün-Weißen aus dem städtischen Randbezirk hatte natürlich Konsequenzen:

Dem Fußballklub Bohemians Prag werde kein Punkt zuerkannt und das Spiel werde mit 0:3 zu seinen Ungunsten gewertet, erklärte der Leiter des Bereichs Spielbetrieb beim Verband, Ivo Lubas. Diese Wertung am grünen Tisch geriet allerdings schon einige Stunden später zu einer Randnotiz, denn da verkündete der Vorsitzende der Disziplinarkommission des Verbandes, Jiří Golda:

Jiří Golda  (Foto: ČTK)
„Wir bestrafen Bohemians Prag mit dem Abzug von 20 Punkten und einer Geldbuße in Höhe von sechs Millionen Kronen. Zudem muss der Club für den entstandenen Schaden aufkommen. Herrn Karel Kapr belegen wir mit einer Geldstrafe von 300.000 Kronen und einem zweijährigen Verbot, im Fußballsport in irgendeiner Funktion tätig zu sein.“

Die drastischen Strafen der Disziplinarkommission haben zur Folge, dass der Bohemians-Verein aus Střížkov de facto schon als erster Absteiger in die zweite Liga feststeht. Viel hat nicht gefehlt, und der Club wäre sogar auf direktem Wege in eine untere Spielklasse verbannt worden, so Golda:

„Wir haben lange auch darüber diskutiert, Bohemians Prag vom Spielbetrieb der ersten Liga auszuschließen. Letzten Endes haben wir uns aber für den Abzug von 20 Punkten entschieden, und zwar aus einem ganz plausiblen Grund: Wenn wir Bohemians vom Spielbetrieb ausgeschlossen hätten, dann hätten wir auch alle Ergebnisse, die der Verein bisher erzielt hat, annullieren müssen. Das hätte dann ein völlig neues Tabellenbild ergeben – mit weit reichenden Folgen so kurz vor Ende der Punktspiele in der Gambrinus Liga.“

Ivo Lubas  (Foto: ČTK)
Aber auch so sind die Folgen nicht gering. Neben dem bereits erwähnten Imageschaden für den tschechischen Fußball insgesamt gerät vermutlich auch die Gambrinus Liga in eine unangenehme Situation. Die Verantwortlichen des FK Bohemians wollen nämlich alle Strafen anfechten und in Berufung gehen. Die erste Instanz, bei er sie das versuchen wollen, ist die Berufungskommission des Verbandes. Die aber ist zerstritten und somit nicht handlungsfähig, eine neue Kommission soll erst im Juni gewählt werden. Was dies letztlich bedeuten kann, dazu der Vizechef des Fußballverbandes Jindřich Rajchl:

„Es ist theoretisch möglich, dass wir nach dem letzten Spieltag noch nicht wissen, wie die Abschlusstabelle der Liga tatsächlich aussehen wird. Das ist erst der Fall, wenn die neue Berufungskommission entschieden hat. Dagegen lässt sich nichts machen, denn das Prozedere ist vorgeschrieben, man kann es nicht umgehen.“

Aber nicht nur wegen des Nichtantretens zum Derby mit Bohemians 1905 hat der Club aus Střížkov gerade in jüngster Zeit für viel Wirbel gesorgt. Mitte März behauptete dessen umstrittener Chef Karel Kapr öffentlich, dass der Ligakontrahent aus Olomouc / Olmütz die Spieler seiner Mannschaft im Mai vergangenen Jahres bestochen habe. Für eine Bestechungssumme von 300.000 Kronen sollte das Bohemians-Team das letzte Punktspiel der Saison 2008/09 gegen Olmütz absichtlich verlieren, um dem Club aus Mähren damit die Teilnahme an der Qualifikation zur Europaliga zu sichern. Das Geld habe Petr Drobisz, der Torwart der Olmützer, übergeben; vier seiner Spieler könnten das bezeugen, erklärte Kapr.

Seitdem dieser Vorwurf im Raum steht, hat die Disziplinarkommission des Verbandes unentwegt versucht, Licht in das Dunkel zu bringen. Doch bisher ohne Erfolg. Beide Seiten beharren auf ihrem Standpunkt: Bohemians hält den Bestechungsvorwurf aufrecht, Olmütz bestreitet energisch, diese Straftat begangen zu haben. Was fehlt, sind konkrete Beweise. Die wollte Kapr längst erbringen, doch stattdessen verwischt er jede Spur. Das angebliche Bestechungsgeld, die 300.000 Kronen, hat er mittlerweile auf ein Konto des Verbandes eingezahlt. Die Polizei beklagte, das Geld nun nicht mehr nach möglichen Fingerabdrücken hin untersuchen zu können. Vom Verband war Kapr mehrfach aufgefordert worden, seine Beweise endlich vorzulegen. Der Initiator der ganzen Affäre ließ aber nur verlauten:

„Leider arbeitet die Polizei immer noch an dem Fall. Von daher bin ich weder in der Lage noch bereit, gegenüber der Disziplinarkommission auszusagen.“

Kapr & Co. scheinen also in der von ihnen bereits merkwürdig spät losgetretenen Affäre gar nicht für Aufklärung sorgen zu wollen. Auch aus diesem Grund werde an der jetzt ausgesprochenen Strafe nicht mehr gerüttelt, sagte der Chef der Disziplinarkommission, Jiří Golda:

„Wir werden diese Strafe ganz bestimmt nicht mehr zurücknehmen. Bohemians Prag verhält sich in dieser Affäre nicht korrekt. Der Club hat den Vorwurf der Bestechung erst nach einigen Monaten erhoben und arbeitet auch jetzt nicht mit uns zusammen. Auch wenn nun vielleicht doch noch einige Belege für den Vorwurf auftauchen sollten, die Strafe bleibt bestehen. Wir stehen zu unserer Entscheidung.“

Jetzt bleibt den Verantwortlichen des Fußballverbandes und allen Fans im Land nur noch zu hoffen, dass alle anderen Entscheidungen, die den Sport betreffen, letztlich auf dem grünen Rasen fallen. Spätestens am 15. Mai will man schließlich wissen, wer der neue Meister und wer der zweite Absteiger ist.

Autor: Lothar Martin
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