Cinefest: Das internationale Festival des deutschen Film-Erbes in Prag
Hamburg, Berlin, Wien, Zürich und Prag – diese Städte verbindet ein Festival, das Cinefest. Cinefest ist ein Festival für den speziellen Kinogeschmack, denn es werden nur historische Filme gezeigt. In diesem Jahr sind es ausgewählte Werke aus den Jahren 1940-50, also aus einem ganz bewegten und leidgeprägten Jahrzehnt. Wie Filmemacher sich diesen Themen gestellt haben, erfahren Sie nun in unserem Kultursalon von Iris Riedel.
Das Festival Cinefest existiert seit 2004 und ist ein gemeinsames Produkt des Hamburgischen Zentrums für Filmforschung „cinegraph“ und des Bundesarchivs. Bis zum Jahr 2004 haben diese beiden Institutionen gemeinsam schon 16 filmhistorische Kongresse organisiert. 2004 wurden die Kongresse dann um ein Festival für ein breiteres Publikum erweitert. Eine Besonderheit ist, dass das Festival nicht nur eine Retrospektive darstellt, sondern immer auf einem thematischen Schwerpunkt basiert, einem historischen, versteht sich. In diesem Jahr ist das Festival überschrieben mit dem Titel: „Schatten des Krieges – Innovation und Tradition im europäischen Kino 1940-1950“.
„Die Idee entstand, weil ja häufig die Filmgeschichte immer so geschrieben wird: Weimarer Republik, Drittes Reich und dann 1945/Stunde Null und danach. Wir haben aber gesagt, eigentlich ist es ja nicht so eine Zäsur gewesen, weil viele Filmemacher während des Krieges und auch danach Filme gemacht haben. Und wir haben uns dafür interessiert, das Jahrzehnt als Gesamtheit zu sehen.“
Von den insgesamt 31 Filmen, die in Hamburg gezeigt wurden, hat das Nationale Filmarchiv in Prag fünf für die Vorführung im Prager Ponrepokino ausgewählt, dem Kino des Filmarchivs. Auf tschechischer Seite hat der Filmwissenschaftler Milan Klepíkov das Festival unter seine Fittiche genommen. Er hat zehn Jahre in Nürnberg gelebt, und in Sachen deutsche Filme kennt er sich aus. Klepíkov beschreibt, was die Filme, die zwischen 1940 und 1950 entstanden sind, auszeichnet.„Man kann die Kontinuitäten sehen. Es verändert sich zwar die politische Sichtweise nach dem Krieg, aber natürlich werden die Filme von denselben Leuten gemacht, die schon in den Dreißigern und Vierzigern zum Film gekommen sind. Man sieht also, dass das Handwerk gleich geblieben ist und auch der Stil meistens der gleiche ist. Nur die Sichtweise ändert sich für uns, zum Teil vollkommen.“
Ein gutes Beispiel sei der Film „Liebe 47“ von dem Regisseur Wolfgang Liebeneiner, sagt Klepíkov.
„Das ist der Film, den wir am Montag zeigen. Wolfgang Liebeneiner war in den dreißiger Jahren ein sehr hoffnungsvoller und talentierter Regisseur. Er wurde als einer der wenigen, die nicht emigriert sind, zu einem Star-Regisseur hochgezüchtet. Und weil er keinen richtigen Hetzfilm gemacht hat, war es für ihn nicht unmöglich, noch einmal eine zweite Karriere anzufangen. Zuerst musste er einen langen Weg von Verhören und Prozessen gehen. Aber er hat es durchstanden und konnte danach Filme drehen – und sogar einen ziemlich kritischen wie ‚Liebe 47’.“
„Liebe 47“ basiert auf Wolfgang Borcherts Erzählung „Draußen vor der Tür“. Am Anfang des Films begegnen sich zwei Menschen in den Trümmern des Hamburger Hafens. Beide wollen ihrem Leben ein Ende setzen, weil sie alle Menschen, die ihnen nah waren, verloren haben. Sie erzählen sich ihre Geschichten und beschließen am Ende füreinander da zu sein.Dieser Film wirkt sehr sentimental auf den Zuschauer. Aber typisch für das Jahrzehnt der 40er waren eigentlich heitere Filme, erläutert Erika Wottrich.
„Ganz viele Filme haben sich darauf konzentriert, ein fröhliches Bild zu zeigen und sich nicht so sehr mit der Zeitgeschichte auseinanderzusetzen, weil die Menschen genug davon hatten und das nicht auch noch auf der Leinwand sehen wollten, was sie eigentlich schon tagtäglich erlebt haben. Und wir haben natürlich auch mehr die Filme untersucht, die sich mit den Themen auseinandersetzen, die in den 40er Jahren eben so wichtig waren: Krieg, Vertreibung, Holocaust und Besatzung.“
Ein weiterer besonderer Film, der auch in Prag gezeigt wird, ist das Werk „In jenen Tagen“ von Regisseur Helmut Käutner. In ihm lässt der Autor die Kriegsjahre noch einmal Revue passieren, aber aus der Sicht eines Autos. Es erzählt von den Menschen, die mit ihm gefahren sind, und dass das bei Weitem nicht alles Schurken waren. Es ist ein hoffnungsvoller Film, in einer Zeit, in der die Menschen die Gräuel, die geschehen sind, nicht fassen konnten.„In dem Film spielen eben viele Leute mit, die aus ganz verschiedenen Ecken kommen. Da sind dann Schauspieler, die eher dagegen gekämpft haben oder Kommunisten waren, und Schauspieler, die auch während der Nazizeit gespielt haben. Das ist natürlich sehr interessant, die alle in einem Film zusammenzuführen.“
Das ist sicher eine mutige und fruchtbare Maßnahme, aber macht es wirklich aus heutiger Sicht Spaß, einen solch alten Film anzuschauen, der knistert und flimmert? Ein Film aus einer Zeit, wo es an allem mangelte, also auch an entsprechender Ausrüstung und Studios? Vielleicht gerade deshalb, denn man musste aus der Not eine Tugend machen. So hat man zum Beispiel das erste Mal eine Szene im fahrenden Auto nicht im Studio gedreht. Der Kameramann wurde auf die Motorhaube geschnallt, und dann wurde Gas gegeben.
„Es macht ja auch deshalb Spaß, weil es unsere Geschichte ist. Man lernt ja sehr viel über unsere Gesellschaft und Kultur, wie die Menschen damals gedacht haben und was sie für Hoffnungen hatten.“
Der historische Film hat jedenfalls sein Publikum gefunden, es ist zwar klein, aber ausgesucht, auch im Prager Ponrepokino, meint Klepíkov.
„Das Publikum, das zu allen unseren Filmen kommt, ist ein Kennerpublikum. Das Ponrepo ein kleines Kino mit 117 Plätzen. Wir rechnen damit, dass die Leute, die zu uns kommen, schon ein gewisses Vorwissen haben, über die Geschichte allgemein und über die Filmgeschichte.“Wer sich selbst einmal in die Film-Zeitmaschine im Prager Ponrepokino, dem Kino des Nationalen Filmarchivs, setzen möchte, der hat noch bis zum Mittwoch, den 14. Januar Gelegenheit dazu. Aber das NFA wirft nicht nur in den Tagen des Cinefest den Filmprojektor an, es lohnt sich auch sonst einmal den leicht verstaubten und antiken Charme des Kinos zu genießen.