Filmbrücke Hamburg-Prag: cinefest ehrt Regisseur Werner Nekes

Werner Nekes im Dokumentarfilm „Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern“

Nach zweijähriger Corona-Pause läuft in Prag derzeit wieder das cinefest, das internationale Festival des deutschen Film-Erbes. Einer der drei Programmteile ist dem 30-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Prag und Hamburg gewidmet. In der Stadt im Norden Deutschlands ist das Festival eigentlich beheimatet. Und von dort wird immer eine kleine, aber feine Auswahl an Filmen an die Moldau geschickt. Das runde Jubiläum, das eigentlich schon 2020 begangen werden sollte, ist Anlass für eine Hommage an den Regisseur und Avantgarde-Künstler Werner Nekes.

Die Werke des deutschen Experimentalfilmers Werner Nekes (1944-2017) fordern den Zuschauer. Bei einer seiner ersten Vorführungen 1966 in einem Studentenclub wollte das Publikum den Regisseur deswegen sogar verprügeln, und Nekes musste die Flucht ergreifen. Schon bald darauf wurde er aber mit internationalen Preisen geehrt. 1969 gab es unter anderem den Bambi für sein Gesamtwerk, das bis dahin vor allem Kurzfilme umfasste.

Nekes war zudem ein leidenschaftlicher Sammler von Artefakten der Filmgeschichte sowie Apparaten zur optischen Täuschung. Anlässlich einer Ausstellung dieser Gegenstände traf die Regisseurin und Fotografin Ulrike Pfeiffer mit dem Künstler zusammen. Ihr Dokumentarfilm „Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern“ wird neben drei eigenen Arbeiten des Filmemachers beim Prager cinefest gezeigt. Im Café des Festivalkinos Ponrepo habe ich mich mit Ulrike Pfeiffer zum Gespräch getroffen.

Frau Pfeiffer, bitte beschreiben Sie Werner Nekes mit drei Worten!

Altonaer Museum | Foto: Carsten Möller,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

„Künstler. Sammler. Und irgendwie ist er immer ein Kind geblieben.“

Wie sind Sie auf ihn gestoßen?

„Ich habe ihn 2005 im Altonaer Museum in Hamburg persönlich kennengelernt. Dort gab es auf einer ganzen Etage eine sehr große Ausstellung von ihm. Der Titel lautete ‚Schaulust. Sehmaschinen, optische Theater und andere Spektakel‘. Das hörte sich sehr interessant an. Ich hatte vorher davon gehört, dass Nekes schwierige Filme macht. Einige hatte ich auch gesehen, sie aber gefühlsmäßig nicht wirklich nachvollziehen können. Dann zeigte also das Museum einen großen Querschnitt seiner Sammlung. Nekes hat 40.000 Gegenstände aus sechs Jahrhunderten gesammelt. Das sind kinematografische Objekte zur Vorgeschichte des Kinos und zur optischen Wahrnehmung überhaupt. Dazu gehören auch Bücher, also nicht nur Geräte und alte Kameras, wie man vielleicht denken könnte. Spannend war vor allem die Zusammensetzung der einzelnen Objekte.“

Was macht Nekesˈ Filme so schwierig?

„Inspiriert durch seine Sammlung und Forschungen hat Nekes Ideen entwickelt, die dank seiner Kenntnis der technischen Möglichkeiten des Films umgesetzt wurden. In einem Zauberladen in Bilbao hat er einst ein simples Objekt namens Thaumatrop entdeckt. Dabei handelt es sich um eine Scheibe, auf der zum Beispiel ein Vogel auf der einen Seite abgebildet ist und ein Käfig auf der anderen Seite. Dreht man die Scheibe schnell, sitzt der Vogel im Käfig. Es geht also um die Trägheit der Wahrnehmung, und darauf basieren im weitesten Sinne auch alle seine Filme.“

Wie sind Sie dazu gekommen, über den Regisseur einen Dokumentarfilm zu drehen?

Metropolis Kino in Hamburg | Foto: Daynarama,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED

„Parallel zu der Ausstellung im Altonaer Museum gab es eine Werkschau seiner Filme im Metropolis Kino in Hamburg. Zunächst passte das für mich nicht zusammen – hier das Historische, dort die avantgardistischen Filme. Je mehr ich davon aber gesehen und mich damit beschäftigt habe, desto interessanter wurde es. Wenn diese beiden Gegensätze aufeinandertrafen, dann war das wie ein Funke und eine Erleuchtung für mich. Und mir fiel ein, dass das ja keiner weiß, was ich jetzt hier entdeckt habe. Als Mitarbeiterin konnte ich mir die Ausstellung lange anschauen und mich den Filmen widmen. All das wollte ich einfach gern festhalten. Nekes war damals schon ein bisschen krank. Und ich fand, es könne nicht sein, dass kaum jemand diesen tollen Menschen kennt, der das alles entdeckt und sein ganzes Leben der Erforschung der Filmsprache gewidmet hat.“

Was werden Ihr Film und Werner Nekes dem tschechischen Publikum sagen?

Werner Nekes im Dokumentarfilm „Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern“ | Foto:  mindjazz pictures

„Da bin ich ein bisschen überfragt. Ich persönlich schätze aber den tschechischen Film sehr. Er ist immer interessant, auch die Machart. Und es gibt zudem so tolle Trickfilme. Darum denke ich, dass das Interesse für Nekes hier sehr hoch sein kann. Wer sich näher mit ihm beschäftigt, wird ganz viel Spaß haben. Um noch einmal zu seiner Sammlung zurückzukommen: Nekes hat ja nicht als Wissenschaftler oder Historiker gesammelt, sondern als Künstler. Teilweise gibt es da Objekte, von denen ist nur die Schachtel schön und der Inhalt zweitrangig. Aber die Kombination von alldem – Nekes hatte Erfahrung und wusste genau, was das alles bedeutet – macht die Sammlung so wertvoll. Deshalb ist es schade, dass man sie im Augenblick nicht zu sehen bekommt. Sie wurde verkauft und befindet sich nun an drei Orten in Deutschland: am Deutschen Filminstitut und Filmmuseum in Frankfurt, am Filmmuseum Potsdam und an der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität Köln. Wie das nun weitergeht, kann ich nicht sagen. Aber die Einrichtungen wollen gemeinsame Ausstellungen organisieren. Ich glaube, sie sind bisher noch in der Phase der Archivierung.“

Sie sagen, dass Sie tschechische Filme mögen. Gibt es Ihrem Empfinden nach bestimmte Charaktereigenschaften, die diese auszeichnen?

„Sie sind immer intelligent, raffiniert gemacht, lustig, bunt und stark. Und sie sind auch fein gedreht. Ich bin totaler Fan, ohne das aber richtig begründen zu können.“

Beim cinefest in Prag werden drei Filme von Werner Nekes gezeigt: „Hurrycan“, „Uliisses“ und „Kelek“. Können Sie sie kurz umschreiben?

„‚Uliisses‘ war für Nekes einer der wichtigsten Filme. In diesem hat er seine ganzen Techniken, die er schon in einzelnen, kürzeren Filmen verwendet hatte, als ein Konzentrat versammelt. Wer Nekes gar nicht kennt, sollte zumindest diesen Film sehen. Denn daraus kann man schließen, was er sonst noch gemacht hat. Mein Dokumentarfilm bietet eher Ausschnitte aus kürzeren Werken, weil diese besser vermittelbar sind. In ‚Kelek‘ gibt es dagegen sehr lange Einstellungen – daraus Auszüge zu nehmen, wäre für meinen Film schwierig gewesen. Aber ich zeige die unterschiedlichen Techniken in mehreren Ausschnitten von zwei Minuten. Das heißt, das sind nicht nur angenehme 30 Sekunden. Nach zwei Minuten fängt der Zuschauer hingegen schon an zu denken. Nekes hat nämlich keine Filme gemacht, die man einfach konsumieren kann. Konsumieren hat für ihn nichts mit Denken zu tun. Er wollte aber das Denken anregen. Und das tut Nekes durch seine Filme zu 100 Prozent.“

Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern“ sowie die drei Filme des Regisseurs werden am 7., 8. und 12. April im Prager Kino Ponrepo gezeigt. Ulrike Pfeiffer führt ihren Dokumentarfilm am Donnerstag selbst ein. Das cinefest läuft mit einem weiteren Programmschwerpunkt zu deutsch-niederländischen Filmbeziehungen noch bis zum 13. April.

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