Cinefest in Prag wirft Schlaglicht auf die Arbeit der Kameraleute
Derzeit läuft in Prag das 19. Cinefest. Bereits 2008 fand das aus Hamburg stammende „Internationale Fest des deutschen Film-Erbes“ zum ersten Mal seinen Weg in die tschechische Hauptstadt. Im Folgenden mehr zum Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe und zu den Änderungen.
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ ist einer von insgesamt 13 Filmen, die beim diesjährigen Cinefest in Prag zu sehen sind. Die Literaturverfilmung wurde 1975 gedreht, Hauptdarsteller sind Angela Winkler, Mario Adorf und Jürgen Prochnow. Dieser wie alle anderen Beiträge werden im Kino Ponrepo gezeigt.
Das Internationale Festival des deutschen Film-Erbes wurde bereits am 3. April gestartet und läuft bis 27. April. Hans-Michael Bock ist Vorstandsvorsitzender von CineGraph, dem Hamburgischen Centrum für Filmforschung e.V. und Mitveranstalter des Cinefests. Gegenüber Radio Prag International sagt er:
„Wir gehen einer Grundregel nach. Es soll keine Perlenkette der größten Kunstwerke dargeboten werden. Wir wollen stattdessen einen Bogen aus interessanten Filmen der Geschichte spannen. Diese sollten an ihren Schnittpunkten politische, technische, künstlerische und auch personelle Entwicklungen verknüpfen und damit als gute Beispiele dienen. Deswegen haben wir mit ‚Peeping Tom‘ jetzt auch einen englischen Film gezeigt, der einen britischen Regisseur hat. Aber er wurde von einem in Prag in geborenen Kameramann gedreht, der auch stark im deutschen Film gearbeitet hat. Und der Hauptdarsteller ist deutsch. Das ist eine Mischung. Unser Motto ist also eher Filmeuropa als der deutsche Film.“
Mit dreieinhalb Wochen Dauer geht die aktuelle Ausgabe des Festivals deutlich länger als ihre Vorgänger. Daher kommen die Besucher in den Genuss von mehr Filmen als in den letzten Jahren. Ansonsten war das Cinefest meist zwischen fünf und zehn Tage lang.
„Das ist eine Entscheidung unserer Prager Partner. Wir geben sozusagen das Thema vor und machen eine große Auswahl, die wir dann jeweils im November in Hamburg zeigen. Daraus wählen sich dann unsere Partner wie das Deutsche Historische Museum in Berlin oder das Ponrepo in Prag ihre Favoriten aus. Seit Jahren bedenken sie dabei auch, was für ihr jeweils lokales Publikum interessant sein könnte. Und dieses Mal haben sie das eben auch ausgedehnt“, erläutert Hans-Michael Bock.
Bekannte Werke und Entdeckungen
Erika Wottrich ist die Geschäftsführerin von CineGraph. Schon lange steht sie dem Cinefest treu an der Seite. Durch ein Praktikum innerhalb ihres Studiums der Medienwissenschaften kam Wottrich 1997 erstmals in Kontakt mit CineGraph. Das Centrum lege vor allem Wert darauf, vergessenen Filmschaffenden und ihren Arbeiten wieder zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, sagt sie:
„Wir versuchen immer beim Cinefest, bekannte und unbekannte Filme zu koppeln. Die bekannteren Filme sind dafür da, die Leute etwas aufmerksamer werden zu lassen. Aber wir versuchen auch immer Entdeckungen zu zeigen – und zwar, indem wir Filme aus den Archiven herausholen und sie wieder im Licht der Leinwand strahlen lassen.“
Einer der unbekannteren Filme, die gezeigt werden, ist der Tonfilm „Brand in der Oper“ aus dem Jahre 1930. Für Fritz Arno Wagner war es seine letzte Arbeit als Kameramann vor seinem Wirken an dem Klassiker „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ von Fritz Lang.
In dem Streifen sticht vor allem die damals berühmte tschechische Sängerin Jarmila Novotná hervor. Für die Menschen in den 1930ern war es sehr außergewöhnlich, Musik und Gesang im Kino zu hören.
Die entfesselte Kamera
Das aktuelle Cinefest beschäftigt sich mit der Kamera im Wandel der Zeit. Konkret lautet der Titel: „Gekurbelt, entfesselt, bunt, digital. Kameratechnik und Filmkunst in der deutschen Kinematografie“. Erika Wottrich legt den Besuchern dabei die Stummfilme ans Herz, da diese heutzutage nur selten zu sehen sind. Besonders sollte dabei auf die Kameraführung geachtet werden.
„Die Tricks waren viel schwieriger, sehr viel aufwendiger als heute. Das ist ganz spannend. Dadurch kann der Betrachter auch sehen, dass schon damals in der Stummfilmzeit immer der Wunsch nach der Entfesselung der Kamera bestand. Die Entfesselung wurde dann später mit der Steady Cam gemacht. Heute geschieht dies mit den kleinen Handkameras beziehungsweise den Handykameras. Dahinter steht eigentlich der Wunsch, dieses Freie, dieses Fliegende der Kamera zum Vorschein zu bringen. Und das ist auch schon in den Stummfilmen sichtbar. Deshalb auch sehr die Empfehlung, sich Stummfilme anzugucken“, so Wottrich.
Ein Gast bei der aktuellen Ausgabe des Cinefests ist der deutsche Kameramann Axel Block. In den letzten Jahren habe er die Filme von Margarete von Trotta fotografiert, sagt Bock. Seine letzte Arbeit für sie war 2015 mit dem Film „Die abhandene Welt“. Neben seiner Tätigkeit als Kameramann hat er vor ein paar Jahren auch ein Buch über den Einfluss der Kameramänner auf den Film in der Weimarer Republik geschrieben. Es heißt „Die Kameraaugen des Fritz Lang“. 2021 wurde er für sein Buch beim deutschen Cinefest mit dem Willy-Haas-Preis ausgezeichnet. Hans-Michael Bock weiß mehr:
„Ende des Monats, am 24. und 25. April, wird Axel Block den Film ‚Die Liebe der Jeanne Ney‘ zeigen. Der Regisseur war G.W. Pabst, und die Kamera führte Fritz Arno Wagner. Es handelt sich um einen der weniger bekannten Filme. Und am nächsten Tag wird Axel Block aus der heutigen Sicht dieses Werk analysieren und deutlich machen, was so ein alter Film auch für ihn in seiner heutigen Arbeit bedeutet.“
Erika Wottrich macht allerdings noch darauf aufmerksam, dass Axel Block nicht nur als Experte und Vortragender zum Festival kommt, sondern auch als Filmschaffender:
„Die Kameraarbeit von Axel Block kann man bei dem Historienfilm ‚Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen‘ begutachten. Regie führte Margarete von Trotta. Axel Block wird natürlich auch vor Ort sein.“
„Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“ ist aus dem Jahr 2009. Besetzt ist der Film mit Barbara Sukowa als Hildegard. In weiteren Rollen sind Heino Ferch und Hannah Herzsprung zu sehen. Der Historienfilm beschäftigt sich mit dem Leben der Benediktinerin und späteren Äbtissin in ihrem andauernden Kampf mit der katholischen Kirche. Gelebt hat Hildegard von Bingen von 1098 bis 1179. Der Film ist am Dienstag, 25. April, um 20.30 Uhr im Ponrepo zu sehen.
Das Cinefest in Prag läuft im Kino Ponrepo noch bis zum 27. April. Organisiert wird es von CineGraph und dem Berliner Bundesarchiv. Die nächste Vorstellung ist am Dienstag, 18. April, dann wird „Sylvester. Tragödie einer Nacht“ gezeigt. Weitere Information zum Programm in Prag bieten (auf Tschechisch) die Website des Kinos Ponrepo (www.nfa.cz) und (auf Deutsch) die Website des Cinefests (www.cinefest.de).