Jäger verlorener Filmschätze – Cinefest zeigt dokumentarische Klassiker in Prag

Der Kandidat (Foto: Archiv Ponrepo)

Seit Donnerstag läuft das Festival des deutschen Film-Erbes in Prag. Das Internationale Cinefest ist auf seinem Gebiet einzigartig: Gezeigt werden vergessene Streifen und verloren geglaubte Perlen der europäischen Filmgeschichte. In diesem Jahr steht der Dokumentarfilm im Mittelpunkt.

Der Kandidat  (Foto: Archiv Ponrepo)
Der dokumentarische Film erlebte in den 1960er Jahren einen fundamentalen Wandel. Es entwickelten sich Proteste wie die Friedens-, Anti-Atom- und Öko-Bewegung. Für Kunst und Medien tat sich eine neue Form der Gegenöffentlichkeit auf. Piratenradios, alternative Zeitungsprojekte oder Videogruppen entwickelten sich: Bottom Up statt Top Down. Unter dem Motto „Gegen?Öffentlichkeit!“ zeigt das Prager Kino Ponrepo nun einen Querschitt des Protestfilms aus den vergangenen Jahrzehnten. Hans-Michael Bock ist vom Centrum für Filmforschung aus Hamburg. Der Filmhistoriker erklärt, wie es zu dem Thema kam:

„Der zeitliche Rahmen ist natürlich Wahnsinn, das sind 60 Jahre in Westdeutschland, Ostdeutschland und so weiter. Wir haben uns auf diesen einen Abschnitt konzentriert und wir fragten uns: Was setzte eigentlich 1960 ein? Neue Technik, leichtere Kameras, Videotechnik und so weiter. Und wie hat sich damals sowohl das Filmemachen, als auch die Rezeption des Films verändert?“

Cinefest wird präsentiert vom Hamburgischen Centrum für Filmforschung und dem Berliner Bundesarchiv. Hans-Michael Bock:

Kino Ponrepo | Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International
„Wir versuchen die ideale Mischung zu finden zwischen bekannten Klassikern und Wiederentdeckungen. Gemeinsam mit unserem Mitveranstalter, dem Bundesarchiv, können wir solche Filme zeigen. Das Archiv hat extra dafür die Streifen technisch aufgearbeitet und jetzt können sie wieder vorgeführt werden, obwohl sie vielleicht seit Jahrzehnten vergessen waren.“

Das Filmfest versteht sich zwar als Forum für Cineasten, Filmhistoriker, Archivare und Techniker, filmhistorisches Vorwissen ist jedoch kein Muss. Mit einer kurzen Einführung wird jeder Besucher an das Thema herangeführt.

Das eigentliche Festival samt Kongress fand bereits im September letzten Jahres in Hamburg statt. Aus den knapp 26 Filmen, die dort gezeigt wurden, gibt es eine handverlesene Auswahl von sieben Dokumentationen in Prag:

„Die Kinos wählen jeweils für ihr Publikum die Filme aus oder wählen Filme, die sich auf ihr Archiv stützen. Wir von CineGraph haben den Kinos auch gesagt: Wir schreiben da nichts vor, sondern wir geben sozusagen den großen Rahmen. Und die Kinos kennen ihr Publikum besser, als dass wir da irgendetwas durchdrücken wollen.“

Sans Soleil  (Foto: Archiv Ponrepo)
Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Präsentiert wird ein Querschnitt durch das Zeitalter des Protests. Neben dem Anti-Strauß-Film „Der Kandidat“ gibt es noch weitere Streifen, auf die sich die Besucher freuen dürfen:

„Sans Soleil von Chris Marker gilt als Klassiker des Essay-Films, also eines Films ohne Story. Es ist ein sehr emotionaler Film und filmhistorisch gehört er im Programm definitiv zu den Highlights.“


Am Freitagabend ist übrigens Karel Vachek beim Cinefest zu Gast. Er gehört zu den wichtigsten tschechischen Dokumentarfilmern nach der Samtenen Revolution. Der Film „Nový Hyperion - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ entstand im Umfeld der ersten demokratischen Wahlen im Sommer 1990 und bringt zahlreiche Dissidenten, Künstler und Politiker auf die Leinwand. Im Anschluss können die Zuschauer dem Regisseur Fragen stellen.

Noch bis Montag läuft das Cinefest im Kino Ponrepo in Prag. Weitere Informationen finden sich unter www.cinefest.de sowie unter www.bio-ponrepo.cz

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