Václav Havel, Premierminister Ladislav Adamec und KP-Funktionäre am Verhandlungstisch
Ende November 1989: Kaum zehn Tage sind vergangen seit der brutalen Niederschlagung der friedlichen Studentenproteste am 17. November. Seither gehen jeden Tag Zehn-, ja Hunderttausende Menschen auf die Straßen der Tschechoslowakei, um gegen das kommunistische Regime zu protestieren. Die tschechoslowakische Regierung unter der Leitung von Premierminister Ladislav Adamec verhandelt derweil mit Václav Havel und Vertretern des Bürgerforums („Občanské fórum“) über das Ende der kommunistischen Ein-Parteien-Regierung. Mit dabei ist Václav Havels Assistent Valdimír Hanzel mit seinem Tonbandgerät. Weil es damals kaum passende Bänder gibt, muss Hanzel alle seine Musikaufnahmen überspielen. Die Kassetten sind bis heute erhalten geblieben. Das Material wurde vor wenigen Tagen zu ersten Mal vom Tschechischen Rundfunk gesendet. Jitka Mládková und Daniel Kortschak haben die Aufnahmen für Radio Prag aufbereitet.
Am 28. November 1989 fand am Sitz der föderalen tschechoslowakischen Regierung ein Treffen seine Fortsetzung, das wenige Tage zuvor nicht einmal der kühnste Visionär für möglich gehalten hätte: Der erklärte Staatsfeind Nummer eins, Václav Havel, und seine Mitstreiter sitzen mit Premierminister Ladislav Adamec und KP-Funktionären am Verhandlungstisch. Havel legt für das Bürgerforum die Ausgangsposition fest:
„Heute würden wir gerne... na, was heißt wir würden gerne... Wir unterbreiten Ihnen einen Vorschlag, der, wie wir glauben, dem entspricht, was das Volk mit seinen Demonstrationen zum Ausdruck bringen will. Wir vertreten die Öffentlichkeit nicht, weil uns jemand gewählt hat. Aber wir verstehen uns als Sprachrohr dieser Leute. Also, unserer Auffassung nach sollten Sie, Herr Adamec, heute dem Präsidenten ihren Rücktritt erklären. Wir gehen davon aus, dass Sie der Präsident dann mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen wird. Das sollte er gleich heute tun, und im Interesse des Volkes nicht lange überlegen.“
Doch Premierminister Ladislav Adamec dachte nicht an Rücktritt, er stellte stattdessen eine Regierungsumbildung in Aussicht. Adamec befürchtete, Präsident Husák könnte einen anderen Regierungschef ernennen.
„Meine Herren, ich bin für ein rechtmäßiges Vorgehen. Niemand kann von mir verlangen, dass ich die Vorschriften missachte. Ich stimme mit vielem überein, was hier gesagt wurde. Aber wenn Sie von mir übereiltes Handeln fordern, dann sage ich: Ohne mich. Ohne mich!“, so Adamec. An dieser Stelle versucht Václav Havel, dem Premier ins Wort zu fallen. Dieser kontert scharf:
„Entschuldigung, ich bin noch nicht fertig! Ohne mich! Auch wenn Sie glauben, dass ihre Ansicht allgemein gültig ist, verhandle ich hier noch mit anderen Gruppen. Sie sind nicht allein. Diese Leute haben auch ein Recht dazu. Ersetzen wir nicht das Diktat der einen Partei durch die Alleinherrschaft einer anderen.“Nach eine weiteren heftigen Debatte versprach Adamec schließlich, bis 3. Dezember eine Regierungsumbildung auszuarbeiten. Tatsächlich wurde diese Regierung auch am 3. Dezember angelobt, doch sie hielt sich nur vier Tage im Amt. Immer noch hatten die Kommunisten im Kabinett das Übergewicht, und die Bevölkerung äußerte ihren Unmut in weiteren Massenprotesten. Am 7. Dezember erklärte Adamec seinen Rücktritt. Am 10. Dezember ernannte Staatspräsident Gustáv Husák die „Regierung der Nationalen Verständigung“ unter Premier Marián Čalfa und trat unmittelbar im Anschluss daran selbst zurück.