Staré Hamry – ein Geheimtipp für Ausflug in die Beskiden
Dass es in Tschechien auch Berge gibt, die vielerorts das Landschaftsbild prägen, ist allgemein bekannt. Wer kennt nicht den Böhmerwald, das Erz- oder das Riesengebirge? Ist aber vom Gesenke oder den Beskiden die Rede, wissen die meisten Ausländer nicht, was gemeint ist. Mit Ausnahme unserer Stammhörer natürlich. Für das heutige „Reiseland Tschechien“ hat Jitka Mládková allerdings ein Reiseziel gewählt, das auch für langjährige Fans dieser Rubrik unbekannt sein dürfte. Schließen Sie sich also unserem Radioausflug in die mährisch-schlesischen Beskiden an.
Die Gründung der Gemeinde Staré Hamry ist in den Jahren 1636 und 1639 zu finden. Wie einem historischen Dokument zu entnehmen ist, soll dort ein gewisser Graf Opersdorf 1638 eine Hammerschmiede bauen haben lassen. Es war die erste ihrer Art in der Region der unweit gelegenen Stadt Frýdek. Mit der Rodung der umliegenden Wälder wurde dann auch Platz für neue Häuser gemacht. Als etwas später eine weitere Hammerschmiede auch im Nachbardorf Baška entstand, wurde dem Namen dieser Siedlung mit dem Namen Hamry das Attribut „staré“, also „alte“ Hamry beigefügt. Seine größte Blütezeit erlebte das Bergdorf erst Ende des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als es zu einem viel besuchten Erholungsort vor allem für die Bewohner des nahe liegenden Ballungsraums um die Stadt Ostrava wurde. Ende der 1960er Jahre kam aber das Ende für einen großen Teil der Alteingesessenen in Staré Hamry. Ihre Häuser hat das Wasser der neu erbauten Talsperre überflutet, die als Wasserreservoir für Ostrava dient. Sie mussten dann ein neues Domizil irgendwo anders suchen.
Heute besteht die Gemeinde Staré Hamry aus 55 kleinen Siedlungen mit insgesamt 580 Bewohnern, die auf dem 8.345 Hektar großen Gelände verstreut leben. Unter ihnen auch Bohumír Charbulák. Auf dem Berg Grúň, der in manchem Reiseführer als das „Herz der Beskiden“ bezeichnet wird, betreibt er gemeinsam mit seiner Schwester in der Höhe von 825 Meter über dem Meerspiegel ein für diese Region typisches Berghotel, das den Namen seines Besitzers „Charbulák“ trägt. Auch er gehört zu den Alteingesessenen, mit einer erzwungenen Abwesenheitspause allerdings:„Die Tradition der Familie Charbulák in den Beskiden geht auf das Jahr 1805 zurück, in die Zeit der Schlacht von Austerlitz. Mein Vorfahre soll ein Offizier in der Kavallerie Napoleons gewesen sein. Gemeinsam mit anderen elf oder zwölf Soldaten zog er mit Napoleon nicht weiter. Genauer gesagt, sie waren Deserteure und haben sich hier in Nordmähren verstreut. Mein Vorfahre gelangte an das Flüsschen Řečice, etwa 700 Meter unterhalb unseres Hotels entfernt. Heute ist an diesem Ort eine der Buchten der hiesigen Talsperre Šance-Řečice zu finden. Dort hat er ein Häuschen gebaut. Es gibt Belege dafür, dass dort schon 1808 ein Objekt stand und 1810 Kolonialwaren verkauft wurden. Etwas später, ungefähr zwischen 1815 und 1820 entstand hier eine Schutzhütte, die für vorbeiziehende Wanderer als Raststätte diente. Irgendwann später ist daraus das so genannte Unter-Charbulak-Haus entstanden.“
Wenn man den Namen „Unter-Charbulák“ hört, dann fällt einem ein, dass irgendwann auch ein „Ober-Charbulák“ entstehen musste. In der Tat. Die Idee, eine Berghütte auch oben auf dem Berg Grúň zu bauen, haben der Urgroßvater und Großvater von Bohumír Charbulák umgesetzt.
„1898 befand sich an dieser Stelle zunächst eine Hütte für Waldarbeiter, die Zuflucht vor dem Regen oder einfach eine Raststätte suchten. In der Lobby unseres Hotels kann man das Foto einer touristischen Schutzhütte aus dem Jahr 1915 sehen.“Mit dem Jahr 1898 datiert die Aufnahme der heutige Besitzer des Charbulak-Hotels, des Oberen Charbulaks also und kommt somit auf dessen stolzes Alter von 111 Jahren. Das Alter des „Unteren Charbuláks“ zählt er allerdings bereits seit 1805, seit der Ankunft seines französischen Vorfahren François Charbillé nämlich.
„Wenn man den Namen im Hinblick auf sein Wirken als Kavallerieoffizier frei aus dem Französischen übersetzt, dann bedeutet das so etwas wie ‚Hinter- dem Wagen-Reiter’, wenn ich mich nicht irre.“
Angesichts der unrühmlichen historischen Ereignisse hierzulande bietet sich die Frage an, ob sich das Hotel Charbulak in den Beskiden ununterbrochen im Besitz der Familie befand. Die Antwort von Bohumír Charbulák kann nur den Nichteingeweihten überraschen:
„Das Haus war bis 1950 unser Privateigentum. Dann kamen die Kommunisten und haben es enteignet. Meine Eltern haben sie damit um den Großteil ihrer Lebensgrundlage beraubt. Die Kommunisten nnnten es damals ´Verstaatlichung´oder ´Nationalisierung´ des Eigentums, aber in Wirklichkeit war es doch ein Raub. Ich kann mich noch daran erinnern, als wir dieses Haus verlassen mussten. Damals war ich sieben Jahre alt. Wir konnten nicht einmal einen Koffer mitnehmen. Die Eltern packten mich und meine Schwester an der Hand und wir gingen nur damit weg, was wir gerade anhatten.“
Über 40 Jahre musste die Familie warten, um in den geliebten Ort zurückkehren zu dürfen:
„Mein Vater hat rund 10.000 Kilometer auf Reisen verbracht, um 17 Stempel zu erkämpfen und das Hotel als restituiertes Eigentum zurück zu gewinnen. Er war ein Hotelier, an den sich bis heute Mitarbeiter oder Kollegen aus der Branche mit Respekt erinnern. Er war wirklich einer der besten weit und breit in unserer Region. Im Rahmen der Restitution mussten wir aber gegen unseren Willen viele Sachen von hier kaufen, zum Beispiel Bettwäsche. Es war also nicht so, dass wir alles gratis bekommen haben. 1950 durften wir nicht einmal einen Löffel von hier mitnehmen und trotz der Restitution mussten wir uns praktisch auch die zurückgelassenen Löffel kaufen. Es war viel Geld für die Renovierung unseres Hotels nötig. Kräftig geholfen haben auch Verwandte. Mein Vater hat sich auch eine Zeit lang auf die Übernahme vorbereitet. Mit einem Zeitvorsprung hat er zum Beispiel einen Lagerraum eingerichtet. Dank ihm war es möglich, dass dieses Hotel an einem 31. Dezember noch unter der Staatsfirma ´Beskydské hotely a restaurace´ und am 1. Januar unter dem Namen des herkömmlichen Besitzers ´Charbulák´ problemlos funktionierte.“ Bei den Charbuláks kann man wunderschöne Aussichten genießen. Bei klarem Wetter sind außer den umliegenden Bergkämmen der Beskiden auch einige Gipfel im slowakischen Gebirge Malá Fatra und dahinter auch die Hohe Tatra zu sehen. Die Touristen kommen das ganze Jahr hindurch hierher – der Umgebung mit vielen Wanderwegen sowie der bekannt guten Küche wegen. Passiert es manchmal, dass sich Touristen verirren und gesucht werden müssen?„Ja, so etwas passiert auch. Wir haben hier auch erlebt, dass der Bergrettungsdienst mit einem Helikopter gerufen werden musste. Das war im letzten Winter, als ein Ehepaar gemeinsam mit seinem Hund im tiefen Schnee stecken blieb. Zum Glück hatten sie ein Handy.“
Den Hotelgästen wird also empfohlen, sich in einem Ausflugsbuch einzutragen. Kommen sie in der geplanten Zeit nicht zurück, wird der Bergrettungsdienst angerufen. Und was sagt uns Bohumír Charbulák auf die abschließende Frage, was für ihn der Ort bedeute?
„Ich liebe meinen Geburtsort. Jedes Mal, wenn ich hier zum Fenster hinausschaue, lade ich wieder meine inneren Batterien auf.“