Der „Winton Train“ auf Gedenkfahrt von Prag nach London

Photo: Daniel Kortschak

Vor genau 70 Jahren ist mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg ausgebrochen. Mit den ebenso bekannten wie erschütterten Fakten. Auch in der Tschechoslowakei waren nach dem Einmarsch der Nazi-Truppen in die so genannte „Rest-Tschechei“ im März 1939 Tausende Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer politischen Ansichten bedroht. Engagierte Menschen boten ihnen Unterschlupf oder organisierten ihre Flucht. Einer von ihnen war der Brite Nicolas Winton, der Hunderte Kinder mit Sonderzügen nach Großbritannien schickte. Der bisher größte dieser Transporte sollte am 1.September 1939 abfahren, doch schon wenige Stunden nach Kriegsbeginn waren die Grenzen dicht, und der Zug blieb in Prag. Am Dienstag gedachten auf dem Prager Hauptbahnhof Politiker und Zeitzeugen dieses Ereignisses.

Foto: Daniel Kortschak
Prag Hauptbahnhof, früh am Morgen: auf Bahnsteig eins drängen sich ungewohnt viele Menschen, eine Musikkapelle spielt. Und auch der bereitstehende Zug ist mehr als ungewöhnlich: die Wagen erinnern an die Glanzzeit der europäischen Schnellzüge und an der Zugspitze qualmen zwei mächtige Dampfloks. Der „Grüne Anton“ und der „Blaue Albatros“.

„Wir sind heute hier zusammengekommen, um den Reisenden nach London ‚Gute Fahrt’ zu wünschen. Aber natürlich auch und vor allem, um des 70 Jahrestags der Rettungsaktion für insgesamt 669 Kinder aus der Tschechoslowakei zu gedenken“, so der Präsident des tschechischen Senates, Přemysl Sobotka.

Organisiert hat diese Züge damals der Brite Nicolas Winton. Seine Tochter Barbara ist am Donnerstag nach Prag gekommen, um bei der Abfahrt des Jubiläumszuges dabei zu sein, und um im Namen ihres hundertjährigen Vaters eine Dankesbotschaft zu überbringen:

„Das, was er getan hat, hat er nicht allein gemacht. Ohne die Hilfe der vielen mutigen Leute hätte er das Projekt nicht umsetzen können. Gerade hier in Prag hatte er Unterstützung von Menschen, die hier geblieben sind und ein großes Risiko eingegangen sind, um den Kindern dir Flucht zu ermöglichen.“

Ihr Vater freue sich schon darauf, am 4. September den Zug und seine Reisenden in London zu begrüßen, so Frau Winton.

Foto: Daniel Kortschak
Um punkt neun Uhr und eine Minute gibt der ehemalige tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg das Abfahrtssignal:

„Verabschieden wir uns von allen Passagieren. 'Fahrt frei' für den Zug zu Ehren von Sir Nicolas Winton!“

Der Nicolas-Winton-Gedenkzug ist nun also auf dem Weg über Nürnberg, Köln, Hoek van Holland und Harwich nach London, wo ihm am Donnerstag in der Liverpool Street Station ein feierlicher Empfang bereitet wird. Und wir werden über dieses Ereignis berichten.